Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit

Wallace & Gromit: The Curse of the Were-Rabbit (Wallace & Gromit auf der Jagd nach dem Riesenkaninchen, UK 2005, 85 min)

Originalstimmen: Peter Sallis, Helena Bonham Carter, Ralph Fiennes, Peter Kay, Nicholas Smith, Liz Smith
Musik: Julian Nott
Kamera: Tristan Oliver, Dave Alex Riddett
Drehbuch: Steve Box, Nick Park, Bob Baker, Mark Burton
Regie: Steve Box & Nick Park

Trailer

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Dass der käseliebende Wallace und sein stummer Hund Gromit unterhaltsam sind, weiß man aus diversen Kurzfilmen. Aber reichen die seltsamen Eigenschaften der beiden, um jemanden über fast 90 Minuten zu fesseln? Klare Antwort: They do indeed, my dear.

Oder eher: indeed, my deaahh. Als ich aus dem Kino kam, lautete mein inneres Urteil maaahvellous, so wundervoll britisch kommt dieser Film daher, dass ich mich im Nachhinein noch ein bisschen am Dreamworks-Logo am Anfang gestoßen habe. Wallace & Gromit ist so klassisch englisch, dass allein das reicht, um den Film zu tragen. Es geht um eine Kleinstadt, in der seit 500 Jahren (hachschön) ein Gemüsefestival (hachschön) stattfindet, an dessen Sieger Lady Campanula Tottington (hachschön) die goldene Mohrrübe (hachschön) verleihen wird. Doch dieses Jahr steht das Festival unter einem schlechten Stern, denn eine Kaninchenplage überzieht das Land. Wäre doch gelacht, wenn Erfinder Wallace kein mechanisches Ungeheuer in petto hätte, das damit fertig werden würde.

Aber natürlich geht bei der meisterhaften Erfindung, mit der die gemüsevernichtenden Nager gehirngewaschen werden sollen, etwas schief, und Wallace erschafft unwissentlich die hoppelnde Alternative zum Werwolf: das Werkaninchen. Dass es in diesem Film gruselig werden würde, ließ nicht nur der Titel ahnen: Schon bei dessen Einblendung grollt Gewitter gar grauslig, zucken Blitze, und Orgeln stöhnen unheilvoll aus dem Off. Zur kuscheligen 50er-Jahre-Dekoration, in der sich Wallace und Gromit stets bewegen, kommen die ebenfalls leicht angestaubten Versatzstücke des klassischen Gruselfilms, die man aber irgendwie anders in Erinnerung hatte: Der Kirchenmann, der sich mit einem Kreuz vor dem Ungeheuer schützen will, kommt auch hier vor. Allerdings besteht sein Schutzkreuz aus Gurken, die natürlich kein Hindernis für das Riesenhäschen sind. Die ängstliche Meute, die zum Kampf gegen das Monster aufrüstet – mit Mistgabeln, die eben noch Werkzeuge waren, aber jetzt per schneller Schildänderung am Verkaufsstand zu „mob supply“ werden. Und natürlich mit einem Helden, auf den alle vertrauen – in diesem Falle der liebenswerte Wallace, der nicht nur mit dem Hasen fertig werden muss, sondern sich auch noch nebenbei in Lady Tottington verguckt hat; diese trägt übrigens fast immer von Gemüse inspirierte Gewänder und wird zeitgleich zu Wallaces schüchterner Verehrung vom ekligen Edelmann Victor Quartermaine und dessen Pitbull angegraben.

Neben diesen amourösen Verwirrungen haben wir noch Verfolgungsjadgen über und unter der Erde im Programm, schwebende Häschen, eine Wachtruppe für Kürbisse und weiteres Gemüse und die üblichen Erfindungen, die vor allem Wallace das Leben erleichtern sollten, aber irgendwie immer schmerzhaft werden. Wallace & Gromit dauert 85 Minuten, und zwischendurch musste ich mich bei all der wilden Aktion daran erinnern, mal Atem zu holen. Und wenn ich das vergessen hatte, erledigte die angenehm straffe Handlung das netterweise für mich: So bleiben bei der Verfolgungsjagd zwischen Gromit und dem doofen Kläffer von Quartermaine die Fluchtfahrzeuge (zwei Karussellflugzeuge, hachschön) kurz stehen, und anstatt dass die beiden ihre Jagd zu Fuß fortsetzen, suchen lieber beide minutenlang nach Kleingeld, damit die Fahrt standesgemäß weitergehen kann. Bitte beachten Sie hierbei die rührende Handarbeit an Pitbulls Portemonnaie.

Aber die Story allein macht nicht den Charme des Films aus. Es sind die vielen Kleinigkeiten, die nebenbei passieren, irgendwo im Hintergrund oder nur so im Vorbeihuschen, die aus den Knetmännchen wirklich Figuren machen, mit denen man mitlacht und mitleidet, weil sie dadurch Charakterzüge bekommen, die über Hund und Herrchen hinausgehen. In Wallaces Bücherregal stehen zum Beispiel Meisterwerke der Käseliteratur wie East of Edam oder Fromage to Eternity. Gromit, der mit einer Riesengurke auch am Gemüsefestival teilnehmen will, beschallt diese nachts nicht mit Gustav Holsts Planetensuite, sondern mit der Plant Suite. Und dass er überhaupt über einen erlesenen Musikgeschmack verfügt, zeigt auch sein angewiderter Gesichtsausdruck, der für eine Millisekunde erscheint, als Art Garfunkels Bright Eyes aus dem Autoradio tönt. Allein für den Blick lohnt sich der Film – und für das kleine Häschen, das sich am Ende des Abspanns an der Textzeile „No animals were harmed during the making of this movie“ den Kopf stößt.

Alles zusammen – die gute Story, die altbekannten und neuen Charaktere, die liebevolle Kleinkunst in Plastillin – ergeben die übliche Wallace & Gromit-Faszination, nur eben länger und detailreicher und schöner und lustiger. Man merkt jeder Einstellung fast die Liebe an, mit der an den Figuren rumgeknetet wurde. Ich persönlich war von den unglaublichen Lippenbewegungen der Lady und Großkotz Quartermain hingerissen genau wie von der gesamten Deko, von den fitzelig bemalten Tapeten bis zum Tottingtonschen Lieblingsplatz, einer grünen Oase, die ein kleines Refugium inmitten all des Irrsinns darstellt. Wallace & Gromit strotzt vor neuen Ideen und fühlt sich trotzdem wundervoll altmodisch an: liebevoll, charmant, hachschön eben. Das generelle Kuschelgefühl drängt die jahrelange Arbeit an dem Film komplett in den geistigen Hintergrund, und das ist meiner Meinung nach fast sein größter Verdienst: Man ist so von dieser klassischen Filmerzählung gefesselt, dass man darüber völlig vergisst, gerade bewegter Knetmasse zuzuschauen.

PS: In der Originalversion lief vor dem Film ein Kurzfilm mit den drei Pinguinen aus Madagascar – ich hoffe, der ist in der deutschen Fassung auch dabei. Ist ein schöner Vergleich zwischen amerikanischem und britischem Humor. Ich mag beides, aber im Vergleich zu Wallace und Gromit kommen einem die Pinguine ganz schön hysterisch vor.

15 Antworten:

  1. der art garfunkel gag mit “bright eyes” war ja noch eine schicht tiefergehend: nicht nur dass das ein fuerchterlicher song ist, sondern wenn mich nicht alles taeuscht war das auch der titelsong vom kaninchencartoon “watership down” ;-)

  2. erm… “tiefergehenDER”, obviously.

  3. Bei der Lobesarie kann man ja gar nicht anders als demnächst ins Kino zu gehen ;-) …. ich mach das wirklich…

  4. Hachschön. :) Danke für die vielen Hinweise. Dann weiß ich ja schon, worauf ich morgen im Kino achten muß. ;)

  5. Also, da hab ich aber jetzt auch Apetit auf Möhren und Werkaninchen bekommen. Muss ich wohl mal wieder ins Kino gehen.
    Ach und danke, dass sie nicht Portmonee geschrieben haben. ;)

  6. Die Pinguine gibt es auch in der deutschen Version. In dieser Version sind übrigens alle Schilder oder sonstige Schriften in Deutsch gefilmt, sehr viel Aufwand.

    (Mein Favourite: “Kann Nüsse enthalten” auf dem Karton, den Wallace sich vor die Familienjuwelen hält.)

  7. Ganz am Anfang: Gromit auf einem Bild mit einem ‘Dogwarts’-Diplom.

  8. Juhu! Ich freue mich schon. Den ersten habe ich damals in einem ungeheizten Hinterhof-Kino gesehen, mir war vom Film aber ganz kuschelig warm. Oder lag´s an der Begleitung?

  9. Sydney, ja, stimmt, danke für den Hinweis :-)

  10. Hachschön. Da verzeihe ich sogar den Terry-Gilliam-Verriß.

  11. Vielen Dank!!! Ich war skeptisch – aber wie konnte ich nur an den Aardman-Studios zweifeln?
    Hoffentlich wird der Film ein Erfolg, denn letzte Woche hat es in den Aardman Studios in Bristol gebrannt und u. a. sind ein großer Teil der Ausstattung der ersten drei W&G-Kurzfilme scheinbar futsch…

  12. Genau so war es. Und keiner hätte es besser beschreiben können als Frau Gröner.

    Unbedingt ansehen!

  13. Die Pinguine waren gestern abend sogar in der katalanischen Version dabei, in der wir – ein bisschen aus Versehen – gelandet sind. Allerdings wurden die englischen Schilder von W&G beibehalten. Ansonsten hast du hundertpro Recht, dass das ein hachschöner Film ist! Den könnt ich auch mehrmals sehen.

  14. Ich war vorgestern in der deutschen Fassung. Es war einfach herrlich! Neben der ziemlich zuegigen Story haben es mir auch die vielen Details angetan. Jedoch waren nicht alle Schilder uebersetzt, da ich mich an einige originale zu erinnern glaube. Mein Favorit: das kleine Karussell von dem die beiden Flugzeuge stammen hiess ‘Luftkampf’. Die Flugzeuge trugen jeweile auch die Hoheitszeichen aus dem 2. Weltkrieg: Gromit natuerlich die bunten Kreise der Royal Air Force und der fiese Pitbull mit dem schoenen Portemonnaie das schwarz-weisse Kreuz der Luftwaffe.

  15. @ Snerd: im Englischen heissen »Luftkampf« und das Karussell »Dogfight« …