Syriana
Syriana (USA 2005, 126 min)
Darsteller: George Clooney, Matt Damon, Chris Cooper, Jeffrey Wright, Alexander Siddig, Mazhar Munir, Amanda Peet, Christopher Plummer, Tim Blake Nelson, Akbar Kurtha, William Hurt
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Robert Elswit
Drehbuch: Stephen Gaghan (nach dem Buch „See No Evil“ von Robert Baer)
Regie: Stephen Gaghan
Während ich im Kino saß und zwei Stunden lang versucht habe, der Story von Syriana zu folgen, habe ich mir gewünscht, den Film auf DVD zu gucken, damit ich ab und zu zurückskippen kann, um nochmal „nachzuschlagen“, was genau da gerade passiert. Aber je länger der Film dauerte, desto weniger wollte ich ihn komplett verstehen. Im Gegenteil, genau die Tatsache, dass ich stets das Gefühl hatte, dass der Film mir immer einen Schritt voraus ist, hat ihn schließlich so faszinierend gemacht. Inzwischen sitze ich zuhause am iBook und versuche in Ruhe, die vielen Personen und Handlungsstränge zu entwirren. So ganz gelingt es mir immer noch nicht. Aber egal: Er hat mir sehr gut gefallen.
Es geht unter anderem um den Zusammenschluss zweier amerikanischer Ölfirmen, es geht um ein fiktives Land am Persischen Golf, dessen Emir die Regierungsgeschäfte an einen seiner zwei Söhne weitergeben möchte, es geht um einen Vertreter einer Consulting-Firma, der einen der beiden Söhne berät, und es geht um einen CIA-Agenten, der seinen Job im Iran und im Libanon zu gut macht. Viele Figuren bleiben seltsam unfassbar; wir bekommen kaum Hintergrundinformation, alles, was wir über sie wissen, erleben wir unmittelbar, genau wie die Gesprächsteilnehmer der jeweiligen Szenen. Auch diese „Unschärfe“ trägt dazu bei, dass Syriana an einem vorbeihuscht und seine Wucht erst entfaltet, wenn man das Kino bereits verlassen hat. Immer, wenn ich das Gefühl hatte, den roten Faden gefunden zu haben und zu wissen, was wohl passieren könnte, geschah etwas anderes. Oder eben genau das: Des Öfteren kündigen sich Explosionen an, Folterungen, Tode – man ist als Zuschauer darauf vorbereitet, etwas Schlimmes zu sehen, und doch erwischt es einen unvermittelt.
Syriana hat es nicht nötig, mit böser Hintergrundmusik zu arbeiten oder übertriebener Hektik, ganz im Gegenteil. Das Tempo ist gemächlich, aber gleichzeitig sehr zwingend. Die vielen Personen und Handlungsorte überschneiden sich, treffen aufeinander, überlagern sich, aber alles behält seine geschäftsmäßige Ruhe. Es fühlt sich kaum wie ein „großer“ Kinofilm an, eher wie eine Dokumentation über den Nahen Osten und die Verwicklungen des Westens in eine Welt, in der er vielleicht nichts zu suchen hat.
Was mir an Syriana am besten gefallen hat, waren die Schauspieler. George Clooney gibt dem alternden CIA-Agenten ein unverwechselbares Gesicht. Endlich darf er mal auf sein oberflächliches Strahlelächeln verzichten und stattdessen einen Mann darstellen, der an seine Aufgabe glaubt und gleichzeitig daran, etwas Gutes tun zu müssen. Der Mann, der einen anderen retten will, kommt ohne Pathos daher, sondern macht selbst bei einem lebensgefährlichen Einsatz stets den Eindruck, nur seinen Job zu erledigen. Alexander Siddig als westlich-orientierter Prinz gibt seiner Figur mit sparsamen Mitteln eine sehr scharfe Kontur; seine Stimme ist ehrfurchtsgebietend, seine Gestik dagegen einnehmend und warmherzig. Er hat nur wenige Dialoge, aber er macht mit jedem Satz klar, dass er als einer der wenigen im ganzen Film ungefähr weiß, was er tut – und vor allem, was die anderen tun. Matt Damon spielt seinen Berater sehr schnörkellos, und Jeffrey Wright als Anwalt der Ölfirmen bleibt von Anfang bis Ende undurchsichtig und damit sehr machtvoll. Kleine Auftritte von Christopher Plummer, Chris Cooper, Tim Blake Nelson und Amanda Peet runden das gute Ensemble ab.
Ein bisschen zu meckern habe ich dennoch. Manchmal war mir der Film ein bisschen zu selbstverliebt in seine eigene Cleverness und seine Botschaft; ich hätte mir ein wenig mehr Herz für den Zuschauer gewünscht, der, wie gesagt, nicht erst nach dem Verlassen des Kinos das Gefühl haben sollte, einen guten Film gesehen zu haben, sondern vielleicht schon, während dieser läuft. Ebenso habe ich einen Handlungsstrang in seiner Rasanz nicht nachvollziehen können: Ein junger Pakistani, der auf den Ölfeldern einer der Firmen im Iran arbeitet, wird entlassen und landet wegen Hunger und Arbeitslosigkeit in einer Koranschule, die aus ihm im Rekordtempo einen Selbstmordattentäter formt. Mazhar Munir spielt diesen Jungen zwar überzeugend, aber trotzdem hatte ich bei der Storyline sehr das Gefühl, sie sei ziemlich übers Knie gebrochen. Diese leise Kritik ändert aber nichts daran, dass ich Syriana wirklich mochte. Er schafft das Kunststück, eine sehr große Geschichte auf wenige kleine Figuren zu reduzieren, ohne der Story damit ihre Dramatik und Brisanz zu nehmen; er schafft es außerdem, die Undurchdringlichkeit und Unfassbarkeit großer Geschäfte und die Verwicklungen diverser Regierungen darin darzustellen und sie gleichzeitig völlig unbestimmt zu lassen, und er ist endlich mal wieder ein amerikanischer Film, der den Kopf ein bisschen herausfordert.