„Wer nach Hause will, muss sich auf den Weg machen“
Dienstag. Die Stimme ist tiefer als sonst, die Bronchien kratzen, aber ich habe abends eine Essensverabredung mit lauter netten Menschen, und am Mittwoch warten meine Jungs in der Allianz-Arena. Mein Mann in München, auf dessen Sofa ich nächtige, wirft mir eine Decke über, setzt mich vor einen Zombiefilm und schenkt mir eine Maß Bier ein, nach der es mir interessanterweise wirklich besser geht.
Abends lasse ich mich mit Münchener Gin in Form eines unfassbar trockenen Martinis verwöhnen und mit dem knusprigsten Gänsebraten ever. Ich bringe ein Gastgeschenk mit und trage sechs wieder nach Hause. Scheint zu stimmen mit dieser südländischen Gastfreundschaft.
Mittwoch. Ich futtere Probeks Hausapotheke leer und lasse mir von der Kaltmamsell ihr München zeigen. Wir gehen durch das Sendlinger Tor („Macht das was? Steht das hier nur so?“), schauen in die Asamkirche („Ihr Katholen habt so schöne bunte Kirchen. Wir ham ja nix.“), gucken von außen auf die Synagoge und sind mal wieder davon angekotzt, dass man in Deutschland immer noch nicht einfach so in Synagogen gehen kann wie man in bunte Kirchen gehen kann, schlendern an den Klangsteinen vorbei, die leider nicht klingen (diesen Besichtigungspunkt hatte ich mir gewünscht) und stärken uns dann erstmal beim Frühstück im Café Glockenspiel am Marienplatz, wo wir über gepflegte Konversation natürlich das Glockenspiel verpassen. Ich stelle fest, dass es Cafés mit Klofrau gibt, die ich sonst nur noch in Opernhäusern sehe (wenn überhaupt), und dann werde ich an viel zu vielen Schaufenstern vorbeigezerrt, in denen leckeres Zeug liegt, das ich verschnupft eh nicht genießen kann und das es sowieso nie bis nach Hamburg schaffen würde. Wahrscheinlich nicht mal bis zu meinem Koffer. Also wird nichts gekauft, sondern weiter gebummelt. In der Theatertinerkirche zünde ich eine, laut Aufschrift, rußfreie Kerze an, damit die schöne weiße Kirchendecke nicht dreckig wird. Ich freue mich darüber, dass ich überhaupt eine Kerze anzünden kann, denn in Rom überwogen inzwischen die elektrischen. IT’S NOT THE SAME! Ein kleines Gebet für alle, die mir am Herzen liegen und eine Bitte, mir bei ein paar Entscheidungen auf die Sprünge zu helfen, und dann geht’s weiter durch den Englischen Garten in Richtung Königsplatz, wo wir uns in der Glyptothek vergnügen. „Ich find den Faun ja eher arrogant.“ – „Ich find den toll. Wenn ich so aussehen würde, würd ich auch den ganzen Tag breitbeinig rumliegen.“ Leider schaltet mein Kreislauf nach einem halben Tag auf memmig, woraufhin ich zu Bettdecke und Obstsalat zurückkehre, um abends hustend in der S-Bahn in Richtung Allianz-Arena zu sitzen und nölig zu sein.
Und dann komme ich in Fröttmaning an, sehe im Nebel die rote Arena, und die Nöligkeit ist weg. Die Fußball-Hibbeligkeit, die ich seit einigen Wochen als naturgegebene Begleiterscheinung akzeptiert habe, meldet sich, ich grinse über den Husten weg und reihe mich in die Massen von rot gekleideten Menschen ein.
Im Stadion stelle ich erfreut fest, dass mein Südtribünensitz heute nicht nur ein herrlicher Platz zum Fußballgucken ist, sondern dass ich Teil der Choreo sein darf, der vom Club Nr. 12 vorbereitet wurde. Auf unseren Plätzen liegen rote oder weiße Folien und eine Gebrauchsanweisung, wann wir die Folien hochhalten sollen. Mit dem Einmarsch der Spieler machen wir genau das – und das sah dann so aus: Bild beim Club Nr. 12, Bild von Breitnigge. Wenn Sie ganz genau hinschauen: In der Reihe direkt vor dem Neapel-Schild, die erste rote rechts neben einer weißen Folie, das bin icke.
Nach dem Spiel sah der Block dann etwas anders aus.
Meine Folie liegt da übrigens nicht, die wurde brav gefaltet und mit der Gebrauchsanweisung im Rucksack verstaut.
Probek (hartherziger Möpp, seit 100 Jahren im Stadion):
„Du schleppst ein Stück Plastikfolie nach Hause?“
Ich (frisch zum Fan konvertiert und wahrscheinlich fiebrig):
„Ich schleppe ein Stück meiner ersten Choreo nach Hause.“
Im Gästefantreff (leerer als der Bayernfantreff) müssen wir unsere Schals abnehmen und die Trikots verdecken, damit die Neapel-Fans nicht ärgerlich werden. Mit meiner vor dem Spiel frisch erworbenen Arena-Card erstehe ich bargeldlos ein Radler und stoße mit Breitnigge, Probek, @Big Easy Muc und @lik0n an, die ausnahmsweise mal alle der Meinung sind, dass Gomez ein großes Spiel gemacht habe. Endlich darf ich meine Zuneigung mal ungestraft postulieren, bevor ich wieder husten muss.
Der traditionelle Nach-Fußball-White-Russian in Probeks Küche fällt wegen allgemeiner Mattigkeit aus. Ich huste mich in den Schlaf, nachdem ich auf Twitter nachgelesen habe, wie sehr sich meine Timeline für mich freut (und für Schnucki, aber anscheinend eher für mich. Sehr sympathisch, meine Timeline).
Noch zweieinhalb Wochen bis Villareal.