The Ides of March


@ Columbia Pictures

The Ides of March (The Ides of March – Tage des Verrats, USA 2011, 101 min)

Darsteller: Ryan Gosling, George Clooney, Philip Seymour Hoffman, Evan Rachel Wood, Paul Giamatti, Marisa Tomei, Jeffrey Wright, Max Minghella, Jennifer Ehle
Musik: Alexandre Desplat
Kamera: Phedon Papamichael
Drehbuch: George Clooney, Grant Heslov, Beau Willimon, nach dem Theaterstück „Farragut North“ von Beau Willimon
Regie: George Clooney

Trailer

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Gut, dass ich nicht direkt nach dem Kino meine Meinung zu einem Film rauspusten muss. Denn dann hätte ich gesagt, tolles Ding, alle angucken, sofort. Ich bin aber erstmal 40 Minuten zu Fuß nach Hause gegangen, habe mir den Kopf ein bisschen von Musik freipusten lassen und mich dann an den Rechner gesetzt, um noch einmal brav über das Gesehene nachzudenken. Und da fiel mir auf: hm. Eigentlich ist er bloß gut gemachtes Augenpulver mit fein ausgearbeiteten Dialogen, aber einer recht dünnen Geschichte, die eine sehr dusselige Wendung hat und mit zwei Hauptpersonen Dinge anstellt, die ich recht unglaubwürdig fand. Jetzt, wo ich Zeit hatte, darüber nachzudenken. Interessanterweise erzählt The Ides of March die Geschichte eines Wahlkampfteams, das für einen Gouverneur die demokratischen Vorwahlen in Ohio gewinnen soll. Also Politik. Ein Thema, das mit ner Menge Augenpulver arbeitet, wo viele Reden gehalten werden, die fein ausgearbeitet wurden und wo gerade vor Wahlen Dinge über Personen bekannt werden, die wir vielleicht erstmal unglaubwürdig finden – bis wir sie so lange in der Zeitung gesehen haben, dass an ihnen vielleicht doch etwas dran ist …? Und so dachte ich nochmals: hm. Vielleicht ist der Film cleverer als ich dachte. Oder ich bin cleverer als der Film, weil ich ihm auf die Schliche gekommen bin. Und in dieser Gedankenschleife verharrte ich noch ne Runde, und so fühlt sich auch der Film an.

Ryan Gosling spielt den campaign manager Stephen, der Philip Seymour Hoffmans Charakter Paul unterstellt ist. Dieser macht den Job seit Jahrzehnten, während Stephen noch recht frisch dabei ist. So erzählt er der Times-Reporterin Ida (Marisa Tomei) auch brav die hoffnungsvollen Sprüche, wie sehr sich das Land ändern wird, wenn Gouverneur Mike Morris (George Clooney) erstmal im Weißen Haus sitzt. Ida grinst nur und meint, he, früher hast du diesen Quatsch nicht geglaubt, woher kommt der Sinneswandel? Nichts würde sich ändern für die gemeine Bevölkerung, aber dafür hätten die Organisatoren der Kampagne einen schönen Job bei der Regierung. Stephen wird uns präsentiert als jemand, der noch Ideale hat, die andere, die schon länger dabei sind, längst verloren haben.

Sein Talent bemerkt auch die Gegenseite: Tom (Paul Giamatti) ruft ihn eines Abends an und bittet ihn zu einem Gespräch. Stephen ahnt, dass das eine dämliche Idee ist, ist aber gleichzeitig zu neugierig, um abzusagen. Natürlich kommt das Treffen raus, Ida droht die Story zu veröffentlichen, und auf einmal hat Stephen mehr Probleme als ihm lieb ist. Denn das ist nicht die einzige Baustelle, um die er sich kümmern muss. Eine Praktikantin, die für ein paar ungezwungene Nächte sein Bett teilt, erzählt ihm ebenfalls etwas, das so gar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist.

Nach den ersten zehn Minuten des Films dachte ich, den müsste man sich eigentlich nicht anschauen, wenn man drei Folgen The West Wing gesehen oder Primary Colors gelesen hat. Es beginnt mit den üblichen Phrasen, der Beteuerung des Kandidaten, niemals schmutzige Wäsche zu waschen, dem Politikerlächeln für die Kamera (das Clooney äußerst überzeugend drauf hat) und dem hektischen Telefonieren hinter den Kulissen. Alles nicht besonders neu oder aufregend. Was The Ides of March dann über weite Teile rettet, sind seine Darsteller und Darstellerinnen. Clooney bleibt seltsam fassungslos, was ich sehr faszinierend fand; natürlich hat er immer noch seinen Charme, dem ich persönlich widerstandslos ausgeliefert bin, aber man merkt bei jedem Lächeln, dass dahinter pures Kalkül steckt. Er wird nie als der warmherzige Händeschüttler inszeniert, damit wir sofort auf seiner Seite sind; er ist aber gleichzeitig auch nie der eiskalte Machtmensch, von dem wir erwarten, dass er in jedem Politiker und in jeder Politikerin steckt.

Am liebsten habe ich den drei campaign managern bei ihren Dialogen zugeschaut und zugehört. Vor allem Philip Seymour Hofmann, der faszinierenderweise selbst übelste Schimpfwörter raushauen kann – es klingt immer noch nach Shakespeare. Für meine Ohren jedenfalls. Ich mochte seine leise, klare Intonation, mit der er nicht nur mich, sondern auch den Gouverneur langsam, aber bestimmt auf seine Seite ziehen kann. Ich mochte Paul Giamatti, der als einziger mal laut werden durfte, als er über die Untiefen des Wahlkampfs schimpfte, nur um eine Sekunde später darüber zu grinsen, weil er wusste, dass er diesen Untiefen gerade sauber und trocken entstiegen ist. Wer allerdings noch im Schlamm hockt, ist Ryan Gosling, dessen Wandlung mir im Prinzip sehr gefallen hat. Im Prinzip, denn: So ganz habe ich dem Film seine Wendungen und Haken zum Schluss nicht abgekauft.

The Ides of March bleibt spannend, was toll ist, aber er tut es auf Kosten von zwei seiner Figuren. Die eine ist Evan Rachel Wood als die oben angesprochene Praktikantin, die als starke Frau des 21. Jahrhunderts beginnt, sich dann aber immer mehr verhält wie in einer Moralität von 1850, was mir äußerst übel aufgestoßen ist. Die zweite Figur ist Gosling, der ebenfalls eine Wandlung durchläuft, die ich etwas verwundert zur Kenntnis genommen habe. Ja, ich verstehe das Motiv des „mit dem Rücken zur Wand stehen“, aber die Konsequenz, die er zieht, will ich ihm einfach nicht abnehmen.

Aber wie gesagt, vielleicht ist das gerade das Schlaue am Film, dass er mich überraschen konnte und mir Menschen anders präsentiert als ich sie erwartet habe. Ich bin mir selbst noch nicht ganz sicher. Sicher bin ich mir allerdings beim effektvollen Schlussbild, das man zwar meilenweit kommen sieht, das einem aber trotzdem noch lange im Kopf bleibt. Bis man wieder anfängt, über den Film nachzudenken.

Der Bechdel-Test:

1. Es müssen mindestens zwei Frauen mitspielen, die
2. miteinander reden
3. und zwar über etwas anderes als Männer.

Sechs Hauptfiguren, davon zwei Frauen, die natürlich nicht miteinander reden. Und was ich zusätzlich doof fand: Mindestens zwei der anderen vier Figuren hätten locker Frauen sein können, ohne dass es die Geschichte verändert. Mit viel gutem Willen, heterosexuelle Vorstellungen zu brechen, hätten auch drei der vier anderen Frauen sein können. Den Film hätte ich übrigens sehr gerne gesehen, fällt mir gerade auf.

Bechdel-Test bestanden: nein.