Fuckyeah Bayern München
Mein sechstes Spiel in der Allianz-Arena. Bisher sah ich die Champions-League-Quali gegen Zürich, dann die drei Vorrundenspiele, vor kurzem meine erste Bundesliga-Begegnung gegen Kaiserslautern, alles hübsch und fröhlich, besonders das Spiel gegen Neapel gefiel sehr, vor allem, weil Gomez drei Tore direkt vor meiner Nase produzierte und ich Teil der Choreografie war. Wenigstens mal ein bisschen Aktion miterleben. Ich sitze grundsätzlich alleine (die BL-Begegnung war eine nette Ausnahme), weil ich schon dankbar dafür bin, überhaupt eine Karte zu kriegen – zwei zusammen hieße, das Schicksal herauszufordern. Weswegen ich keine Kumpels oder Kumpelinen neben mir habe, mit denen man gemeinsam Support brüllen oder singen könnte. Alleine bin ich eher still, wenn die Menschen um mich herum auch eher still sind. (Masse und Macht.)
Und dann kam Dienstag das CL-Achtelfinale gegen den FC Basel. Schon beim Reinkommen in die Arena war es lauter als gewöhnlich. Kein Wunder: Auf jedem Platz lag eine Klatschpappe. Heißt: Neben dem gesungenen Support warteten 66.000 Klatschpappen auf die Schweizer. Kurz bevor die Spieler aus dem Tunnel kommen, ertönt in der Arena für kurze Zeit ein Herzschlag über die Stadionlautsprecher, was schon gänsehautig genug ist. Dieses Mal empfing das Publikum die Akteure nicht nur mit diesem Herzschlag, sondern mit den Klatschpappen im Takt. Da grinste ich zum ersten Mal über das ganze Gesicht und hörte 90 Minuten lang nicht mehr damit auf.
Von Anfang an war es das lauteste Spiel, das ich in der Arena gehört habe. Die Südkurve machte wie immer Stimmung, aber auch das übrige Publikum brüllte und sang und klatschte sich die Seele aus dem Leib. Und endlich saß ich mal in einer Gruppe von Menschen, die die üblichen Schlachtengesänge mitsang – weswegen ich mich auch endlich traute. (Masse und Macht.)
Die erste Halbzeit lang klatschte ich mir das Päppchen auf die Hand, in der zweiten wich ich auf den jackengeschützten Unterarm aus, sonst wäre die Hand irgendwann knallrot gewesen, so sehr war ich damit beschäftigt, den Jungs unten Beifall zu spenden. Seit Rückrundenstart war das das erste Spiel, bei dem der FCB wieder die Souveränität spüren ließ, die ich in der Arena so mag. Dieses „Das hier ist unser Stadion, und ihr kriegt hier heute kein Bein auf den Boden.“ Von Anfang an drängte Bayern zum Tor, und ob da nun Gegner standen oder nicht, war einfach egal. Von Anfang an gelang auch so gut wie alles; da zeigte Ribéry Shaqiri mal eben, dass er zwar demnächst hier spielt, aber heute eben noch nicht, und deswegen ist dieser Ball da auch nicht deiner. Da erreichten Robben und Alaba lange Bälle gefühlt fünf Zentimeter vor dem Aus, wo sie in den letzten Spielen schon längst abgeschenkt hatten. Und da spielt dann eben ein wieder gesunder Schweinsteiger einen traumhaften Pass quer durch den Strafraum, ganz kurz gezögert, geguckt, genau abgezirkelt, perfekt auf den Fuß von Robben, und der setzt den Schlusspunkt unter dieses Prachtspiel mit dem 7:0.
Ganz so grandios fing es allerdings nicht an. Ich hibbelte wie immer rum, ließ mich aber von Gastgeber Probek überzeugen: „Das ist Basel. Basel! Die muss man weghauen, fertig.“ Mein Tipp war 3:0, Probek sagte 5:0, ich nannte ihn größenwahnsinnig und leistete geistig Abbitte, als das 6:0 fiel. Dafür versaute er mir das 4:0, indem er mir eine SMS schickte („Läuft.“), die ich just in dem Moment las, als Gomez eben dieses Tor schoß. Ich unterstelle Absicht. Ganz klar.
In den ersten 15 Minuten wollte ich allerdings mein Gomez-Trikot verbrennen und eins mit Ribéry drauf kaufen, weil der schönste Mann der Welt mal wieder ein paar fette Chancen ausließ. Das machte er, wie wir wissen, mit ebenso fetten vier Toren im Laufe des Spiels wieder wett, die artistischer aussahen als das, was er theoretisch in der ersten Halbzeit hätte machen müssen, aber so ist er halt. So lieben wir ihn – und hassen ihn gleichzeitig. Ich jedenfalls. Irgendwann kriege ich einen Herzinfarkt, und den nenne ich dann Gomez.
Das 1:0 durch Robben war der Auftakt zu einem unglaublich unterhaltsamen Spiel. Was nicht nur an den vielen gelungenen Aktionen lag, an dem spürbaren Willen, hier heute alles aber so richtig klar zu machen, sondern auch an den Spielern und ihrem Umgang untereinander. Wo sich vor wenigen Spielen Müller und Boateng noch fast aufs Maul gegeben hätten, rief hier Ribéry Alaba kurz zur Ordnung, der Mann hörte zu, nahm es an – und setzte es um. Wo vor wenigen Spielen Robben noch mit Gott, der Welt und seinem Steuerberater haderte, machte er hier schlicht seinen Job und den verdammt gut und hatte dazu noch Zeit, an der Seitenlinie herumzulaufen und das Publikum anzufeuern, ihn anzufeuern. Machen wir doch gerne. Und wo vor einigen Spielen das Gefühl herrschte, elf Diven zuzuschauen, wie sie versuchen, ihre Form zu finden, war es hier wieder eine Mannschaft, ein Team, eine Einheit mit einem gemeinsamen Ziel, und das wurde ohne jeden Zweifel erreicht. Es war eine Freude, den Jungs zuzuschauen und ihnen dafür den äußerst verdienten Beifall zu spenden. Auch wenn der Unterarm irgendwann weh tat und die Kehle rau wurde vom Singen.
Die Baseler Fans feuerten ihre Mannschaft bis zum Schluss an, was ich sehr bemerkenswert fand. Auch wenn die Spieler nichts, aber auch gar nichts ausrichten konnten, hatte ich nie das Gefühl, dass sie abschenken wie die Hoffenheimer bei ihrer 7:1-Klatsche vor wenigen Tagen. Nach dem 3:0 war ich mir zwar auch sicher, das haben wir, das nehmt ihr uns nicht mehr weg, aber trotzdem traute ich den Schweizern noch jede Menge Konter zu. Die allerdings endeten so gut wie alle an der überragenden Verteidigung, über die irgendwann auch meine beiden Hintermänner nichts mehr zu meckern hatten. Gut 60 Minuten musste ich mir anhören, wie unfähig sie waren und wir nur mit Glück so weit vorne lagen, aber irgendwann war dann eben gut. In den letzten Spielminuten redeten die beiden über Beziehungsprobleme. Wir haben ja jetzt Zeit.
Der Abend hörte nicht mit dem Schlusspfiff auf; ich versackte mal wieder in Probeks Küche, diesmal in Begleitung von Lizas Welt und dem Stadtneurotiker. Irgendwann werde ich alt und weise genug sein, um zu wissen, dass es sich am nächsten Tag bitter rächt, Sieges-White-Russians en masse zu trinken, stundenlang über Fußball zu reden, nur gut drei Stunden zu schlafen, weil man einen frühen Flug gebucht hat, und sich die Lunge aus dem Hals zu schreien, nur weil irgendeine Fußballmannschaft irgendein Fußballspiel gewonnen hat. Werde ich. Glaube ich.
Will ich aber gar nicht.