Tagebuch 25.3. bis 7.4. – Auf Droge

25. März

„Die Walküre“ in der Bayerischen Staatsoper, unter anderem mit Klaus Florian Vogt, in der Regie von Andreas Kriegenburg, am Pult Kent Nagano. Wunderwunderwundervoll. Großartige Sänger_innen, stimmige Inszenierung, herrliches Orchester. Und ein freundlicher junger Mann, der seine Randkarte gegen meine Mitten-im-Parkett-Karte tauschte, damit mein zickiges Beinchen sich mal lang ausstrecken konnte, weil ich nicht schon wieder nach dem ersten Akt gehen wollte wie in der Hamburgischen „Götterdämmerung“. Außen kann man zwar die Übertitel nicht mehr lesen, ist aber völlig wumpe. Ich kenne den Kram ja.

26. März

Da ich am 27. einen beruflichen Termin in Ingolstadt hatte, blieb ich am 26. einfach in München und schlug mein Home Office in der Küche des Gastgebers auf. Sehr ungewohnt, in Agenturklamotten im Home Office zu sitzen. War aber schön, mal mit einem anderen Ausblick zu arbeiten. Zum Mittag statt des üblichen Müsli mit Obst Vanillejogurt mit Obst. Ich Rebellin. Abends gemeinsam in der Taverna Molos, bei dem ich nächstes Mal nur Vorspeisen bestelle, weil ich nach ihnen schon sehr, sehr satt bin, wie ich jetzt weiß. Zum ersten Mal bewusst die Isar gesehen.

27. März

Tolles Gespräch mit zwei Audi-Designerinnen, was sie so den ganzen Tag machen. Jetzt weiß ich auch, wer sich die Farbnamen ausdenkt, die ich immer so lustig finde. Und dass sich Hirschleder verdammt gut anfühlt. Nach dem Termin fuhren meine Kollegin und ich nicht sofort zum Flughafen, sondern gönnten uns noch einen Kaffee bei Aran und eine Leberkässemmel bei Vinzenz Murr. Das erste Mal die Sonnenbrille aus dem Rucksack geholt.

28. März

Olympique de Marseille gegen Bayern München im Gomez-Trikot auf dem Sofa geguckt. 0:2. Ein kampfbetontes und unterhaltsames Spiel gesehen. Kerl-Kommentar: „Bayerndusel, die haben nur ihren dritten Torwart auf dem Platz.“ In mich reingeknurrt.

29. März

Wieder mal München (long time no see). Meine Lesung im Hukodi stand an, ich war nervös, zu früh im Laden, ging mit dem Gastgeber noch einen Kaffee im Miss Lilly’s trinken, wo wir auf Foursquare feststellten, dass Frau Kaltmamsell anscheinend fünf Sekunden vor uns auch dagewesen war. Wieder zurück, ich hibbelte eine Stunde lang nervös rum und wollte nicht richtig was essen, dann las ich, dann aß ich, dann trank ich viel Sekt und war sehr zufrieden mit allem. Das Publikum anscheinend auch, was mich sehr gefreut hat.

30. März

Kunst gucken: die neue Pinakothek. Ich so an der Kasse: „Gibt’s einen Plan? Ich möchte ins 19. Jahrhundert.“ Mildtätiger Blick: „Junge Frau …“ (schon gewonnen) „… das ist hier alles 19. Jahrhundert.“ Heißt genauer: 22 Räume. 22 Räume 19. Jahrhundert. Ich war knapp drei Stunden beschäftigt, freute mich über ein Wiedersehen mit Wilhelm Leibl, der mir in Hamburg so gut gefallen hatte, und stand an seinem Geburtstag vor einem van Gogh. In München hängen vier Bilder von ihm, unter anderem eine Version der ollen „Sonnenblumen“, die mich noch nie so richtig fasziniert haben. Was mich allerdings umgehauen hat, war „Der Blick auf Arles“. Wo ich in der Hamburger Kunsthalle immer zu den „Frauen in der Kirche“ von Leibl zurückgekommen bin, war es hier das Arles-Bild, das mich nicht losließ. Ich bin wirklich kein großer Fan von van Gogh, aber wenn man Werke von ihm direkt vor der Nase hat, muss man schon ein Roboter sein, um nicht bewegt zu werden. So ging es mir im Musée d’Orsay in Paris, wo ich auch dachte, och jo, van Gogh, nimmste halt mal mit – und dann stand ich gefühlte Ewigkeiten mit offenem Mund vor seinen Bildern. In München genauso. Die Pinselstriche scheinen dir entgegenzukommen, die Farben sind aus einer anderen Welt, dieses Blau habe ich noch nie gesehen, dieses Gelb, diese Kraft, diesen Schmerz.

Im Museumsshop den Gesamtkatalog erworben, auf dem Gastgebersofa durchgeblättert und sehr glücklich gewesen. Abends noch glücklicher gemacht worden, weil Frau Cucina Casalinga Frau Patschbella und mich auf das Köstlichste bewirtete. Habe ich nicht fotografiert, wird aber alles nachgekocht. Und vor allem werden die Weine nachbestellt, von denen ich eine Badewanne hätte trinken wollen. Rotwein, Dessertwein auf Flickr.

31. März

Mit viel Restalkohol und viel Restglück nach Hause geflogen. 1:0 in Nürnberg.

1. April

Home Office mit gewohntem Ausblick. Wer dauernd in München rumhängt, muss leider am Wochenende in Hamburg arbeiten. Sehr nölig gewesen, ausnahmsweise nicht zu Altona 93 auf die Adolf-Jäger-Kampfbahn gegangen. Nochmal nölig gewesen.

2. April

Zu viel zu tun. Gesangsunterricht abgesagt. Dreifach nölig gewesen.

3. April

Mal wieder München (running gag). FCB gegen Marseille. Morgens in Hamburg Schnee, abends sitze ich im Stadion mit zwei Longsleeves und im Trikot. Ohne Jacke, ohne Decke auf den Knien, keine Leggings drunter, nur Turnschuhe statt lammfellgefütterter Stiefelchen. Fühle mich wie in den Sommerferien. Dieses Mal steht der erste Torwart auf dem Platz, und wir gewinnen trotzdem 2:0. Eat this, Kerl.

Der Geburtstagskuchen für den Gastgeber, den er um Mitternacht kriegt, hat den Flug gut überstanden. Herrn Kamke kennen- und lieben gelernt. Viele White Russians. Viel Sekt. Viel Kuchen.

4. April

Langes Frühstück mit dem Gastgeber. Zum ersten Mal Anzeichen von „Ich bin zu alt für diesen Scheiß“: leichte Kopfschmerzen. Irgendwann Rückflug. In Hamburg knurrend den Bayernschal umgebunden, weil ich schon wieder vergessen hatte, dass bei uns noch Winter ist.

5. April

Hektisch gearbeitet, danach hektisch in die Oper gefahren. Dort wollte ich zur Ruhe kommen, was aber nicht ganz so geklappt hat, weil es erstens Mozarts „Don Giovanni“ gab und ich zweitens die Inszenierung eher doof fand. Während des gesamten zweiten Akts überlegt, ob der Rewe an der Hoheluftchaussee bis 24 oder nur bis 22 Uhr geöffnet hat. Falls mich noch mal jemand vollnörgeln möchte, wie toll Mozart sei: Ja, isser wahrscheinlich. Trotzdem gehen mir seine Opern auf die Nerven. Ich habe es fünfmal versucht – jetzt mag ich nicht mehr. Schluss, aus.

Immerhin: In der Hamburgischen Staatsoper kann man die Beine im Parkett anständig lang machen. Keine Sitzprobleme.

6. April

Gegengift, schnell. Spontan in den „Parsifal“ gegangen. Großartiges Ding. Musikalisch ja eh, und die Inszenierung von Robert Wilson macht das ganze perfekt. Ich twitterte: „Sieht ein bisschen aus wie Star Trek meets Hurz.“ War auch so, passte aber hervorragend. Bitte mal angucken. Vor allem mit Simone Young am Pult, unter deren Leitung ich dem Hamburger Orchester extrem gerne zuhöre.

7. April

Drei Tage hemmungsloses Rumlungern beginnen: jetzt.