Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest

Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest (Fluch der Karibik 2, USA 2006, 150 min)

Darsteller: Johnny Depp, Orlando Bloom, Keira Knightley, Bill Nighy, Stellan Skarsgård, Jack Davenport, Jonathan Pryce, Lee Arenberg, Mackenzie Crook, Tom Hollander
Musik: Hans Zimmer
Kamera: Dariusz Wolski
Drehbuch: Ted Elliott & Terry Rossio
Regie: Gore Verbinski

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Trailer

Ach, es hätte so schön sein können. Johnny Depp ist wieder da und tuckt sich durch über zwei Stunden Film, Orlando Bloom darf wieder hübsch aussehen und sogar seinen entzückenden Rücken entblößen (auch wenn das zum Auspeitschen geschieht), Keira Knightley darf wieder ganz undamenhaft fechten und schwitzen und rennen und Rum trinken, und überhaupt ist so ziemlich, nein, Moment, eigentlich ist wirklich die ganze Bande aus dem ersten Teil, Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl, versammelt, um sich mit Hingabe dem zweiten Teil des Freibeuterspektakels zu widmen. Hans Zimmer hat einen Krachersoundtrack hingelegt, als ob Metallica mal zum Kontrabass gegriffen hätten, und Gore Verbinski sitzt wieder auf dem Regiestuhl. Ach, es hätte so schön sein können.

Pirates of the Caribbean: Dead Man’s Chest tappt aber genau in die Falle, in die der erste Teil eben nicht gestolpert ist. Dem ersten Teil hat man zwar angemerkt, dass ne Menge Geld für die Special Effects rausgehauen wurde, aber trotzdem hatte man die ganze Zeit das Gefühl, dass niemand wirklich daran geglaubt hat, dass der Film ein Kassenschlager wird. Und deshalb haben einfach mal alle vor der Kamera rumgealbert und nichts dagegen gehabt, dass Johnny Depp Kajal trägt und sich über ein ganzes Filmgenre lustig macht. Dem zweiten Teil sieht man noch mehr an, dass noch mehr Geld für noch mehr Special Effects rausgehauen wurde. Man sieht ihm aber leider auch an, dass diesmal die Zielvorgabe klar war: Nix ist mehr mit lustig sein, jetzt machen wir Popcorn-Kino vom Reißbrett. Lauter, düsterer, noch mehr sinnlose Story und noch mehr Plotpoints, die schon im ersten Teil eher gestört haben, weil man einfach nur Johnny Depp beim Nuscheln zugucken wollte und es eigentlich gar nicht interessiert hat, wer jetzt warum dieses blöde Schiff haben will.

In diesem Teil geht es um einen Schlüssel. Und der gehört zu einer Kiste. Und da ist was Tolles drin. Und um die Kiste zu finden, braucht man einen Kompass. Und den hat Jack Sparrow. (“CAPTAIN! Jack Sparrow.”) Dann flusern noch Will (Bloom) und Elizabeth (Knightley) in der Story rum, die verhaftet werden, weil sie damals CAPTAIN Jack Sparrow (Depp) zur Flucht verholfen haben, dann gibt’s noch irgendeinen perückten Briten, der Sparrow begnadigen will, wenn er erst diesen Kompass hat, obwohl er den nicht braucht, um die Kiste oder den Schlüssel oder den Sinn des Lebens zu finden, sondern für was anderes, aber über all diesen Kram will man doch gar nicht nachdenken. Ich wollte es jedenfalls nicht.

Ich habe lieber versucht, die Szenen zu genießen, die Spaß gemacht haben. Zum Beispiel die wilden Variationen der klassischen Verfolgungsjagd. Klar kann man mit Booten um die Wette fahren oder einfach durch den Dschungel laufen. Man kann aber auch in einem rollenden Wasserrad zu dritt fechten, dabei versuchen, an den bereits erwähnten Schlüssel zu kommen, der im Rad hängt, fällt, irgendwo hängenbleibt, wieder fällt … und sich dabei möglichst nicht das Genick zu brechen. Oder man kann bunt bemalten Menschenfressern entkommen, indem man eine lange Bambusstange auf dem Rücken gebunden hat und damit Früchte aufspießt und sie auf seine Widersacher schleudert. Oder man teilt sich zu dritt zwei Schwerter und rennt nebenbei noch vor den muschelbewachsenen Männern des Fliegenden Holländers weg.

Gerade diese Szene war großes und dabei mal wieder schlicht lustiges und wunderbar choreografiertes Kino. Wie sechs Menschen versuchen, sich gegenseitig Schlüssel, Kiste und Kisteninhalt abzuluchsen, dabei auf ein Boot kommen wollen und noch ne Runde Verfolger abschütteln, war schon sehr hübsch anzuschauen. Es hat sich angefühlt wie überdimensioniertes Hütchenspielen oder Cluedo im Zeitraffer: Wer hat jetzt wen im Nacken und wo ist jetzt was? Zwischendurch noch ein paar rausgewürgte Einzeiler von Depp oder eine Weibcheneinlage von Knightley, die logischerweise nicht funktioniert – passt und macht Spaß.

Dummerweise waren es aber genau diese typischen Depp-Sprüche, bei denen ich böse das Gefühl hatte, gerade ganz kalkuliert zum Lachen gebracht worden zu sein. Ich stelle mir vor, wie die Produzenten im Meeting zusammengesessen und sich überlegt haben, hm, welche Gags kamen denn letztes Mal am besten an? Genau die nehmen wir noch mal und zitieren sie total clever, so dass das Publikum sich freut, die alten Kumpel wiederzusehen. Und wir müssen uns nicht mal neue Witzchen ausdenken. Lunch?

Auch die Widersacher von Sparrow und seinen Kumpanen haben mir leider nicht so gefallen. Diesmal ist es niemand geringeres als der Fliegende Holländer mit seinen auf Ewigkeit verfluchten Jungs. Und weil die Ewigkeit eben so lange dauert und sie ständig auf See sind, besteht die ganze Mannschaft aus komischen Fischköppen und Krustenviechern, die böse mit Muscheln und Algen zugewachsen sind. Oberkrabbe Holländer hat lauter Tintenfischarme als Barthaare und kann mit den Tentakeln sogar Orgel spielen. Bei der Szene habe ich wirklich auf das Phantom der Oper gewartet, und es würde mich nicht wundern, wenn in fünf Jahren aus der ganzen Sause ein tofftes Musical wird. Trotz der unfreiwilligen Komik, die eben entsteht, wenn Calamari reden wollen (ich musste die ganze Zeit an Dr. Zoidberg aus Futurama denken), ist das Holländer-Team zu bedrohlich und düster und eben verdammt tot und verflucht, um wirklich lustig zu sein. Bei den Skeletten im ersten Teil hat man immer noch eine Portion Galgenhumor gespürt. Hier ist einfach alles verloren, und die Jungs haben wirklich keinen Funken Humor in den Scheren. Deswegen bekommt der ganze Film einen fast traurigen Touch und ist leider nicht mehr der fluffige Sommerfilm, der mal eben Kopf und Bauch amüsieren will.

Und das Dümmste an der Toten-Manns-Kiste ist, dass der Film nicht mal ein richtiges Ende hat. Der zweite und dritte Teil wurden gleich in einem Aufwasch gedreht, was mich, ehrlich gesagt, nicht unbedingt auf den dritten Teil hoffen lässt. Deswegen hat Dead Man’s Chest auch keine große Pointe zum Schluss, sondern einen Cliffhanger (immerhin einen guten). Und das macht es noch anstrengender, den Film toll finden zu wollen, denn man fragt sich schon nach den verdammt langen 150 Filmminuten: Warum, ihr Klabautermänner, hab ich mir das gerade alles angeguckt? Das ist kein Film, das ist eine Exposition. Und ich will jetzt, jetzt, jetzt eine Auflösung und nicht erst in einem Jahr.

Mein Tipp also: Nicht ins Kino gehen. Warten, bis der dritte Teil anläuft und dann einen Abend vorher die DVD vom zweiten ausleihen. Reicht völlig. Auch wenn die Seeschlachten zugegebenermaßen auf einer großen Leinwand schon verdammt gut aussehen.