Bücher Mai 2012
Patrick Rothfuss – The Wise Man’s Fear: Kingkiller Chronicle 2
Der zweite Teil ist immer noch nicht das Ende, denn es folgt noch ein drittes Buch, das dann hoffentlich endlich die losen Handlungsfäden zusammenführt. Was toll an Kingkiller ist: Man ahnt anhand des Titels einen Plotpoint voraus, der noch nicht einmal in Ansätzen sichtbar ist. Und man bekommt durch die Rahmenhandlung auch schon das Ende angerissen, aber nur so vage, dass man schlicht keine Ahnung hat, wie die inzwischen ungefähr 1.800 Buchseiten der ersten beiden Teile aufhören werden.
Ich bin alles andere als ein Fan von Fantasy, aber Kingkiller ist ziemlich unwiderstehlich geschrieben, weswegen ich den beiden Büchern auch eine Menge verzeihe. Wie zum Beispiel die mal wieder unterrepräsentierten Frauenfiguren, von denen ich eigentlich nur eine (Devi) als der Hauptfigur ebenbürtig empfinde. Der Rest ist Beiwerk, überkandidelt formuliertes love interest oder Zeitvertreib, um die gute Seele des Helden erzählerisch zu unterfüttern. Ach ja, der Held. Kvothe geht mir sehr, sehr, sehr auf die Nerven. (Noch ein Beleg dafür, wie unwiderstehlich das Zeug ist, wenn ich sogar über eine nervige Hauptfigur hinwegsehe.) Der Typ ist altklug, naiv, Hans im Glück, außer wenn sein Erzfeind auftritt, kann alles, weiß alles und will immer noch mehr können und wissen. Eigentlich ein sympathischer Charakterzug, aber ich habe mich des Öfteren bei dem Gedanken erwischt, jetzt flieg doch mal von der Uni. Jetzt brich dir doch mal ein paar Knochen. JETZT HALT DOCH MAL DIE KLAPPE.
Ich wiederhole mich: Zwei Bücher, 1.800 Seiten, beide nach dem Aufschlagen nicht mehr aus der Hand gelegt. Muss was dran sein.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Fjodor Dostojewskij (Arthur Luther, Übers.)– Der Doppelgänger
Da denkt man bei Fight Club, hui, tolle Idee mit dem gespaltenen Helden, und dann liest man den Doppelgänger und denkt sich, he, Chuck, du Dieb. Auch Fjodor dürfte sich irgendwo bedient habe, aber das ist mir jetzt egal. Der Doppelgänger beschreibt eindringlich die Wahnvorstellung eines Petersburger Beamten, der sich mit sich selbst konfrontiert sieht – nur dass sein anderes Ich Karriere macht, von allen gemocht wird, in Restaurants umsonst isst und die Mädels kriegt. Hat mir sehr gut gefallen, auch wenn ich – wie bei fast allen russischen Texten – mit den ungewohnten Namen Probleme hatte. (Ich schreibe in diesen Fällen Merkzettel, wer mit wem und warum.)
(Volltext beim Projekt Gutenberg.)
Nikolaj Gogol (Josef Hahn, Übers.) – Petersburger Novellen
Ach, wo ich gerade in Russland unterwegs war. Entspannt zu lesen, skurril, traurig, schön. Hat mir besser gefallen als Dostojewskij. Aber das ist wahrscheinlich ähnlich unqualifiziert wie „Ich mag (deutsche_r Schriftsteller_in X) lieber als (deutsche_r Schriftsteller_in Y).
(Leseprobe bei amazon.de.)
Hanns-Josef Ortheil – Liebesnähe
Wie die meisten Ortheils ist auch Liebesnähe völlig irreal, aber dabei so hachschön. Jedenfalls für mich. Denn ich würde gerne in einer Welt leben, in der gutes Essen, klassische Musik, Kunst, lesen, vorlesen, schreiben, schreiben und schreiben einen höheren Stellenwert haben als so Kinderkram wie Geldverdienen oder Mietezahlen. Nun gut. In Liebesnähe begegnen sich zwei Menschen in einem Hotel, und beiden ist relativ schnell klar, dass sie zusammengehören. Da könnte man einfach miteinander in die Kiste springen; man könnte aber auch elaborierte Treffen exerzieren, über handschriftliche Notizen oder kurze SMSe miteinander kommunizieren, dem anderen Lieblingsbücher oder feine Süßigkeiten schenken oder ein Kunstwerk schaffen – und das alles, ohne ein einziges Wort miteinander zu sprechen. Das Hotel ist eine utopische Insel, die beiden Figuren Idealvorstellungen, und ich habe das Buch, wie fast alle Ortheils, geliebt, verehrt und verschlungen.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Gerbrand Bakker – Der Umweg
Die ersten beiden Bücher von Bakker fand ich großartig – mit dem Umweg hatte ich leider ein paar Probleme. Eine zunächst namenlose Frau mietet sich ein Häuschen in Großbritannien, versucht Gänse vor dem Fuchs zu retten, räumt auf und um, grübelt über ihre Dissertation zu Emily Dickinson, und man merkt schnell, dass da eigentlich etwas ganz anderes wichtig ist. In einem zweiten Erzählstrang tauchen ihr Mann und ihre Eltern auf, und auch hier schlummert unter den oberflächlichen Gesprächen und erzählten Andeutungen viel mehr. Die sparsame Sprache, die ich in den ersten Werken faszinierend fand, wirkte hier auf mich ein bisschen müde, ein wenig so, als wüsste Bakker, was von ihm erwartet wird, und deswegen schreibt er es lustlos auf. Auch die Geschichte fand ich nicht ganz so überzeugend, ich habe mich mehrfach gefragt, ob eine Kurzgeschichte der Idee nicht angemessener gewesen wäre. Die Grundidee ist schön, das Ende passt, die Figuren sind stimmig, aber Spaß gemacht hat das Lesen nicht.
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Mike Mignola & Richard Corben, Kevin Nowlan, Scott Hampton – Hellboy 11: The Bride of Hell
Wie alle Hellboys: toll. Was soll ich zu meinem roten Schnucki noch sagen. In diesem Band nimmt auch endlich Herr Mignola mal wieder den Zeichenstift in die Hand, wegen dem ich überhaupt Fan der Reihe geworden bin. Aber auch an die anderen Zeichner habe ich mich inzwischen gewöhnt. Hauptsache, Hellboy knurrt sich prügelnd durch irgendwelche Fantasiewelten. Und das tut er hier. Wie immer eben.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Unter den Titel und den meisten Leseproben verbergen sich Amazon-Affiliate-Links. Wollte ich schon seit Monaten sagen: Danke, wenn ihr über diese Links bestellt. Darüber kommt ähnlich viel Geld rein wie bei meinem einmonatigen Flattr-Versuch, aber ich habe das Gefühl, dass ich euch ein bisschen Gegenwert bieten kann für euren Klick.
Ach, und ich brauche keine weiteren Mails, dass Amazon der Teufel ist und ich in die Hölle komme. Der erste Online-Shop, bei dem ich jemals etwas bestellte, war Amazon. Ich habe dort bisher so gut wie jedes Buch gefunden, das ich haben wollte, vor allem damals(TM), als in meiner örtlichen Buchhandlung englische Bücher noch nicht so en vogue waren. Ich kriege die Werke in die Agentur geliefert und das schnell und verlässlich, in ungefähr 15 Jahren hatte ich eine einzige Fehllieferung, und die Wunschzettelfunktion beschert mir gefühlt dauernd freundliche Leser_innenzuwendungen. Ich glaube auch nicht, dass Amazon dafür verantwortlich ist, wenn die vielzitierten kleinen Buchläden schließen müssen (in die ich sowieso eher selten gehe). Wer Amazon blöd findet, darf die Bücher gerne woanders bestellen. Ich persönlich bin mit der Firma äußerst zufrieden und wüsste daher nicht, warum ich keine Links zu ihr setzen soll. Danke für die Aufmerksamkeit.
(Nein, ich brauche immer noch keine Mails, warum das doch doof ist.)