Aus Thomas Manns Lotte in Weimar, wo Friedrich Wilhelm Riemer, „Secretär und vertrauter Reisebegleiter seiner Excellenz“, zu Charlotte Kestner über Goethes Prosa spricht:
„Oder nehmen wir seine Prosa, die Erzählungen und Romanen, – wir haben das Thema wohl schon berührt, ich erinnere mich dunkel, schon davon gesprochen, mich darüber versprochen zu haben. Es gibt keine goldnere Gefälligkeit, keine bescheidnere und heiterere Genialität. Da ist nicht Pomp noch Hochgefühl, nichts von Gehobenheit im äußerlichen Sinn – obgleich innerlich alles wunderbar gehoben ist und jeder andere Vortragsstil, nämlich gerade der gehobene, einem daneben platt erscheint, – von Feierlichkeit nichts und priesterlicher Gebärde, nichts von Verstiegenheit und Überschwang, kein Feuersturm und Geschmetter der Leidenschaft – im stillen, sanften Säuseln, meine Liebe, ist Gott auch hier. Man möchte von Nüchternheit, von purer Nettigkeit reden, besänne man sich nicht, daß diese Sprache allerdings immer zum Äußersten geht, aber sie tut es auf einer mittleren Linie, mit Gesetztheit, mit vollkommener Artigkeit, ihre Kühnheit ist diskret, ihre Gewagtheit meisterlich, ihr poetischer Takt unfehlbar.“