„Da stand Hinnerks Rad. Ich schwang mich darauf und fuhr zurück zum Haus. Dort angekommen, ging ich kurz hinein, holte mir ein großes Glas Wasser und setzte mich vorne auf die Treppe, wo ich zwei Tage zuvor mit meinen Eltern und Tanten gesessen hatte.
Früher hockten Rosmarie, Mira und ich oft hier: Als wir kleiner waren wegen der Geheimnisse unter den Steinplatten, später wegen der Abendsonne. Diese Außentreppe war ein wunderbarer Ort, er gehörte zum Haus ebenso wie zum Garten. Er war mit Kletterrosen bewachsen, doch wenn die Haustür offen stand, mischte sich der Steingeruch des Flurs in den Duft der Blüten. Die Treppe war nicht oben, nicht unten, nicht drinnen und nicht draußen. Sie war dafür da, den Übergang zwischen zwei Welten sanft, aber doch bestimmt vorzubereiten. Vielleicht mussten wir als Teenager deshalb so viel auf solchen Treppen kauern oder in Türrahmen lehnen, auf kleinen Mauern sitzen, an Bushaltestellen herumhängen, auf Eisenbahnschwellen laufen und von Brücken gucken. Wartende auf der Durchreise, gefangen im Zwischenraum.“
Katharina Hagena, Der Geschmack von Apfelkernen