November-Journal, 3.11.2012
Ich bin gerade drei Wochen in München und das nicht mal richtig, und ich renne schon wie eine Ehemalige durch Hamburg. „Ach guck, die Baustelle ist weitergewandert. Und der Buchladen hat umdekoriert.“
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Nachmittags mit Holgi ein zweites Interview gemacht zum Thema Bloggen. Wobei wir eigentlich erstmal viel gelacht und viele Donuts gegessen haben, aber dann haben wir uns auch übers Bloggen unterhalten. Das ist für mich gerade recht weit weg – zum einen, weil es so selbstverständlich zu meinem Tag gehört, dass ich nicht mehr darüber nachdenke, zum anderen, weil ich gerade über so viele andere Dinge nachdenke.
Es sind Kleinigkeiten, die mir auffallen und die Veränderungen zeigen. Das erste Mal, als der lange Uni-Mittwoch vor mir lag, überlegte ich mir, was alles in meinen Rucksack müsste, damit ich weder verhungere oder vor Durst umkomme. In der Agentur steht meine Müslidose an meinem Platz, im Agenturkühlschrank wartet die Milch, die Kaffeemaschine und ein Berg Wasserkisten sind den ganzen Tag für mich da, und meistens steht auch noch ein Korb Obst rum. Weitere Komfortfunktionen meines Arbeitsplatzes: In der Schreibtischschublade liegen meine Atemfrischkaugummis und meine Handcreme, bergeweise Stifte und Post-Its und mein geliebtes Moleskine. Das heißt, ich muss zuhause höchstens einen Apfel neben mein MacBook in den Rucksack packen – falls der Agenturobstkorb doch leer sein sollte – und der Tag kann losgehen.
In meinem Rucksack, der mich durch neun Stunden Uni begleitet, liegt ebenfalls ein Moleskine. Bei dem Tempo, in dem ich es vollschreibe, werde ich allerdings demnächst auf billige Imitate umsteigen müssen. (Nein, DIN-A4-Blöcke, womöglich noch kariert, sind keine Alternative. Ich bin zu alt für neue Schreibformate, ich mag DIN-A5 ohne jegliche Muster.) Daneben liegt eine Brotdose, in der sich ein geviertelter Apfel und ein paar Weintrauben befinden. Dazu ein Joghurt, um dessen Esswerkzeug sich gerade meine iPhone-Kopfhörer wickeln. Oder um die Dose mit den Kaugummis. Oder um die kleine Tube Handcreme. Ebenfalls im Rucksack: eine Flasche Wasser. Immerhin nur ein halber Liter, denn das Münchener Wasser ist so schmackhaft, dass ich es am Wasserhahn auf dem Uniklo nachfüllen kann.
Welches Utensil ich nach meinem Abi 1989 völlig vergessen hatte: Federmäppchen. Alleine das Wort! In den ersten Tagen habe ich, wie immer, wenn ich unterwegs bin und weiß, dass ich irgendwas was notieren muss, einen Kugelschreiber im Rucksack gehabt und fertig. Inzwischen habe ich mein altes Mäppchen wiedergefunden und trage nun zwei Kugelschreiber, einen Bleistift, einen Textmarker und einen Anspitzer mit mir rum. In meiner Brieftasche befinden sich neben meinem üblichen Kartenkram ein Bibliotheksausweis, ein Studentenausweis und eine Kopierkarte, auf der mal zehn Euro Guthaben waren, aber das verringert sich gefühlt beim Atmen.
Das Dusselige am Allesmitschleppen: Ich schleppe es abends meist wieder nach Hause, denn die 30 Minuten zwischen den vier Vorlesungen reichen kaum, um von einem Hörsaal zum nächsten zu kommen (große Uni ist groß und verteilt sich zudem auf mehrere Gebäude, von denen „meine“ Minimum sechs U-Bahn-Stationen voneinander entfernt sind) und sich dort einen Platz zu erkämpfen, der nicht am Rand oder in der letzten Reihe ist. Ich weigere mich, im Hörsaal zu essen – der ist zum Lernen da, findet Oma Gröner –, und deswegen muss ich das erledigen, bevor ich reingehe, aber dann sind eben schon alle Plätze weg und deswegen sitze ich hungrig im Hörsaal, kann dafür aber super sehen und hören (vor allem meinen knurrenden Magen). Ich spüre da noch Optimierungsbedarf, aber nur, wenn der Magen knurrt, denn sonst ist mir das alles egal, das Mitschleppen, das Hungrigsein, weil ich super sehe und super höre und alle zehn Minuten ein innerliches „Ach was?!“ à la Loriot von mir gebe, weil alles so spannend ist.
Holgi hat mir gestanden, dass er geistig auszoomt, sobald ich was Kulturelles schreibe. Ich frag ihn mal, ob er bis hierhin durchgehalten hat. PROFESSOR! PROFESSOR HASTIG!