Lobhudelei auf das Kölner Wallraf-Richartz-Museum mit kleinen Abzügen in der B-Note
Bei meinem Kölnbesuch vor knapp zwei Wochen schaute ich mir nicht nur den Dom interessiert an, sondern auch die Mittelalterabteilung im Wallraf-Richartz-Museum. Dabei fiel mir auf, wie klug die Werke präsentiert wurden – und wie gut die Texte dazu waren. Ich war mehr mit Gucken beschäftigt als mit Knipsen, daher habe ich weder die Werke noch ihre Beschriftungen mit dem iPhone geschnappschusst; da müssen wir jetzt durch, und ihr müsst mir einfach mal glauben. Oder ihr geht selbst im Museum vorbei und korrigiert mich notfalls, was für uns alle das Beste wäre.
Die normale Hängung in Museen, soweit ich das beurteilen kann, ist gerne nach Künstlern und Künstlerinnen geordnet, die sich zudem in einem Raum mit weiteren Menschen aus ihrer Epoche oder ihrer Stilrichtung befinden. Gerne hängt auch alles in zeitlicher Anordnung, so dass man von alt nach neu oder umgekehrt spazieren kann. Das kenne ich am besten von der Alten Pinakothek: Wenn man rechts die Treppe vom Eingang hochgeht, kommen zuerst die „neuen“ Franzosen, wenn man links hochgeht, zuerst die „alten“ Niederländer. Und je nachdem, zu wem ich gerade dringend will, weiß ich inzwischen, wo ich hochrennen muss. (Der schönste Dürer von allen hängt links, danach kommen gleich die Raffaels. #servicetweet)
Die meisten Museen bieten Audioguides an, die ich auch gerne nutze, gerade weil an den Werken nur das Nötigste steht: Künstler oder Künstlerin, Lebensdaten, manchmal das Ankaufdatum. Wobei mich persönlich eher der Zeitraum interessiert, in dem das Bild entstanden ist anstatt der, in dem der Maler oder die Malerin gelebt hat. Das steht seltsamerweise recht selten dabei. Wenn ich richtig gesehen habe, hat das Wallraf-Richartz-Museum keine Audioguides; dafür steht in jedem Raum eine Sitzlandschaft, in die ein Bildschirm eingelassen ist. Dort kann man sich bestimmt was total Funkyges angucken; auch das habe ich nicht ausprobiert, denn ich war mit den Texten schon glücklich genug.
Was mich so beeindruckt hat, war die Logik, die die geschätzt 100 Werke zusammenhielt. Jeder Raum hatte ein Thema, und das wurde per Schrifttafel auf deutsch und englisch erklärt: wissenschaftlich genug, um mir was Neues zu bieten (ich habe in den letzten Monaten recht viel über dieses Thema gelesen – nicht dass ich mir einbilde, schon wirklich was zu wissen) und populär genug, um den Text bis zum Ende lesen zu wollen. Teilweise mit Überschriften, die ich nicht unbedingt in einem Museum erwartet hätte. So war ein Text über das jüngste Gericht (?) mit Apocalypse Now übertitelt. Die Themen begannen mit „Die Erfindung der Kunst“, wo erklärt wurde, wann ungefähr die ersten transportablen Bildnisse entstanden und welchen Eindruck diese meist auf strahlendem Goldgrund gemalten Werke auf die Betrachter hatten. (Ich wiederhole mich: Ich zitiere wild aus der Erinnerung.) Dann gab es einen Raum, in dem sich ausschließlich Flügelaltäre befanden. Die Texttafel informierte über die Besonderheit von Triptychen, ihre räumliche Aufteilung und ihr Bildprogramm. Nette Zusatzidee: Die Sitzgelegenheiten in diesem Raum waren Kirchenbänke.
Einschub: Bei den Altären bzw. Bildwerken, die gleich mehrere Geschichten auf einmal erzählen, ist mir aufgefallen, wieviel dann doch in den letzten Monaten schon an ikonografischen Grundkenntnissen hängengeblieben ist. Vor den meisten großformatigen Werken begann ich im Kopf automatisch den Jesus-Countdown und beschrieb mir selbst, was ich sah: Verkündigung an Maria (Taube, Lilie, Engel), manchmal der Kindermord von Bethlehem, Flucht nach Ägypten (Esel 1), Geburt, die Heiligen Drei Könige, Darbringung im Tempel (Mama streckt einem alten Mann ein Baby entgegen), das eine oder andere illustrierte Gleichnis, ab und zu der Einzug nach Jerusalem (Esel 2), Abendmahl, Judaskuss, Geißelsäule/Dornenkrone/Mantel (Arschloch-Soldaten, viel Blut), Ecce Homo (viele Menschen, viel Blut), der kreuztragende Jesus (kreuztragender Jesus, viel Blut), Kreuzigung, Kreuzabnahme, Wiederauferstehung (stehender Jesus im steinernen Sarg, schlafende Soldaten, wehende Fahne, mal rotes Kreuz auf weißem Grund, mal umgekehrt – wissen Dänemark und England davon?) und damit hört die Bilderfolge meistens auf. Einschub Ende.
Ein Raum beschäftigte sich mit den ersten Privatporträts, was mir persönlich besonders gut gefiel, weil ich genau darüber gerade ein schönes Seminar hatte; ein Raum ist dem Lokalhelden Stefan Lochner vorbehalten, der zeitlich und ikonografisch sehr stimmig in den ganzen Rundgang eingeordnet war. Ein anderer Raum informierte über weitere Kölner Künstler und überhaupt den Kunst- und Kirchenstandort Köln (was sich bedingte), ein weiterer über die Heilige Ursula, wiederum ein anderer hatte den bildlichen Schwerpunkt „Vision und Wirklichkeit“.
Zusätzlich zu der großen Tafeln, die einen groben Überblick schufen, informierten an einigen Gemälden und Altären noch weitere kurze Texte über die jeweiligen Besonderheiten. Da gab es zum Beispiel einmal eine Erklärung zu den erhaben gestalteten, „geriffelten“ Nimbussen, die lustigerweise mit der Girolle erklärt wurden (ja, das musste ich googeln), mit der runder Käse geschabt wird. Ein Satz wies mich darauf hin, dass mir diese Art der Heiligenscheingestaltung in der Ausstellung noch öfter begegnen würde, was natürlich dazu führte, dass ich zusätzlich zu all den anderen Details, nach denen ich inzwischen suchte, auch noch auf den Nimbus achtete. Toll.
Ich habe mich selten so umfassend und doch so unangestrengt von einem Museum informiert gefühlt, und wenn ich nicht nach zwei Stunden mit Gold und Marias und Schmerzensmännern vollgepackt gewesen wäre, hätte ich mir gerne auch noch Barock und Impressionismus gegönnt, einfach um zu gucken, ob die anderen Räume auch so toll sind. Beim nächsten Mal.
Ein bisschen habe ich aber doch zu quengeln: Als ich an der Kasse nach einer Ermäßigung für Studierende fragte, antwortete mir der durchaus freundliche Herr, dass es keine gäbe. Das wunderte mich zwar, aber ich nahm das mal so hin, bezahlte meine acht Euro und genoss die Kunst.
Auf der Website las ich aber nachträglich, dass Studis natürlich günstiger reinkommen und Studierende der Kunstgeschichte sogar umsonst. Und sogar ohne dusselige Altersbeschränkung, wie sie zum Beispiel die Hamburger Kunsthalle hat; da darf man nur vergünstigt rein, wenn man unter 27 ist, ganz egal was man studiert.
Ich nörgele jetzt nicht wegen der acht Euro – ich habe fünf Minuten nach dem Museumsbesuch 4,50 Euro für einen Becher Kaffee gelöhnt, ohne mit der Wimper zu zucken. Mich nervt es nur, dass mir so dämlich ins Gesicht gelogen wurde. Wenn ich schon nach einer Ermäßigung frage, werde ich wohl auch einen Grund dafür haben. Ich nutze meinen Studiausweis für nix, ich will nicht billiger in Filme oder Schwimmbäder, aber ja, in Museen will ich für weniger Geld oder für lau. Ich finanziere mir gerade eine nicht besonders günstige Ausbildungsvariante, und wenn ich mir schon FCB- und Staatsoperkarten verkneife, würde ich mir gerne was anderes gönnen. So wie ein tolles Museum. Das nächste Mal zücke ich gleich den Ausweis, anstatt freundlich zu fragen, denn ich will auf jeden Fall noch mal hin. Und in den Dom sowieso. In den darf man übrigens umsonst.