Bücher Mai 2013
Iwan Gontscharow (Josef Hahn, Übers.) – Oblomow
Ach, der Oblomow. Anfangs wollte ich ihn die ganze Zeit puscheln, weil er doch will und nicht kann und alle Welt ihn ausnutzt und nicht versteht, wie’s ihm geht. Dann aber trifft er Olga und versemmelt die ganze Beziehung – wobei: Da muss ich ihm im Nachhinein doch recht geben; seine ganzen Bedenken waren korrekt, der Mann kennt sich eben doch besser als ich ihn, und das hat mich dann auch mit der recht langen Olga-Episode versöhnt, die mir zeitweilig ein bisschen auf den Keks ging. Im letzten Teil des Buchs hat er mein Herz dann endgültig gewonnen, als er erkennt, dass es eben einfach nicht geht, das mit ihm und der Welt, und dann muss das wohl so. Wunderschön, zeitlos und in der alten, aber nie alt klingenden Ãœbersetzung von Josef Hahn eine Freude zu lesen.
(Leseprobe bei amazon.de, Volltext bei Gutenberg.Spiegel, allerdings in der sehr altbackenen Übersetzung von Herrmann Röhl.)
Friedrich Ani – Süden
Wer in meine Bücherliste guckt, weiß, wie sehr ich Friedrich Ani mag, daher spare ich mir hier eine ewig lange Schwärmerei. Nur eins: Dieses Buch entstand nach einer etwas längeren Pause, eigentlich wollte Ani, soweit ich weiß, den Ermittler gar nicht mehr be-schreiben, aber so ganz kam er wohl doch nicht ohne ihn aus.
Süden hat sich aus dem Polizeidienst verabschiedet und arbeitet jetzt für eine Detektei. Deswegen fehlen die vielen liebgewonnenen Gesichter (oder kommen nur im Vorbeigehen mal vor), und die neuen fühlen sich noch nicht ganz richtig an, aber das mag daran liegen, dass ich eben 100 Bücher mit der alten Besetzung kenne. Was gleich geblieben ist: das München-Kolorit, die Sorgfalt Anis bei seinen Beschreibungen und Dialogen und die Melancholie, die alles überzieht und die Bücher für mich so unwiderstehlich macht.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Hervé Le Tellier (Jürgen und Romy Ritte, Übers.) – Kein Wort mehr über Liebe
Ich zitiere den Klappentext: „Anna begegnet Yves, Louise lernt Thomas kennen. Wie leicht verliebt man sich, wenn zu Hause ein Familie wartet? Wie hoch ist der Preis der Liebe, wenn man keine zwanzig mehr ist?“ Das trifft’s ganz gut. Mir hat das Buch sehr gut gefallen, vor allem sein seltsam artifiziell klingender Stil. Ich weiß nicht, ob ich bei meinen wenigen Ausflügen ins Nachbarland traumwandlerisch immer die französischen Bücher erwische, die so klingen oder ob alle französischen Bücher auf Deutsch so klingen. Wenn ja, gerne mehr davon. Leider ist dieser Le Tellier der einzige, der in deutscher Ãœbersetzung vorliegt.
(Leseprobe bei amazon.de.)
Petra Morsbach – Opernroman
Ja, gut, wenn irgendwas „Oper“ und „Roman“ im Titel trägt, dann muss ich das ja quasi kaufen. Hat sich auch gelohnt. Liest sich allerdings fast dokumentarisch – von mir aus hätte es etwas mehr Emotionen vertragen können, aber vielleicht muss das so sein, damit die hochemotionale Umgebung des Theaters nicht völlig überzogen daherkommt. Die Oper ist im Roman nämlich eher eine Schlangengrube plus Haifischbecken plus Klapsmühle, aber ich ahne, dass es der Realität recht nahe kommt. Das Buch beschreibt verschiedene Akteure und Actricen, ihre Lebenswege, wie sie sich im Theater treffen, was sie dort tun und wie sie wieder auseinandergehen. Alles recht unaufgeregt, aber sehr schön wegzulesen.
(Leseprobe bei amazon.de.)
John von Düffel – Goethe ruft an
Puh. Da musste ich mich erstmal 80 Seiten etwas überwinden, denn bis dahin hatte ich das Gefühl, purer Geschwätzigkeit zuzugucken. Wenn ein Satz noch eine Schleife machen kann, dann macht Düffel gleich 18. Und kommt nochmal rein. Und packt noch ne Kirsche obendrauf. Aber irgendwann hatte er mich so eingelullt, der olle Kaa, dass ich das Buch widerstandslos durchlas – und es im Endeffekt dann doch ganz ordentlich fand. Wie kann man auch vier Nachwuchsautoren und -autorinnen in einem idyllischen Hotel widerstehen, die einem überforderten Kursleiter an den Lippen hängen, der selbst gerne ein Erfolgsautor wäre?