Links vom 20. September 2013
Schöner, bewegender Nachruf von Frank Schirrmacher auf Marcel Reich-Ranicki. Ich persönlich mochte den Mann ja wegen Dingen wie diesen.
„Einmal zeigte er mir das Polizeirevier, wo man ihm 1938 die Deportation nach Polen eröffnete. Es ist auch heute noch ein Polizeirevier. Über dem Eingang ein Adler, der einen leeren Kreis in seinen Fängen trägt. Das Hakenkreuz, das da einst zu sehen war, hat man herausgeschlagen. Unsinnig, ihn nach seinen Gefühlen zu fragen. Er leugnete sie. Anders als Tosia, seine vor ihm verstorbene, unvergessliche Frau, hat er die Traumatisierung gewissermaßen ausquartiert. Das hieß nicht, dass sie verschwunden war. Sie wartete draußen vor der Tür, immer begierig, es sich wieder bei ihm bequem zu machen. Er schaute ständig nach, ob noch abgeschlossen war. Er setzte sich niemals mit dem Rücken zur Tür. Er rasierte sich mehrmals täglich, weil unrasierte Menschen im Warschauer Getto aufgegriffen wurden. Es traumatisierten ihn die Dinge, die kommen könnten und die sich als böse Vorahnungen in der bürgerlichen Sozietät zu verpuppen schienen: die Fassbinder-Kontroverse und der Historiker-Streit, beides hat er bis zuletzt nicht wirklich überwunden.“
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What Jonathan Franzen Misunderstands About Me
Jennifer Weiner gibt Jonathan Franzen Kontra, der sich darüber beklagt hat, dass Autoren und Autorinnen sich bei Twitter, Facebook uswzzzschnarch rumtreiben. Wie können sie nur.
„In his essay, Franzen reserves his respect for “the people who became writers because yakking and tweeting and bragging felt to them like intolerably shallow forms of social engagement,” the ones who “want to communicate in depth, individual to individual, in the quiet and permanence of the printed word.” But as long as there have been books, there have been writers who’ve preferred yakking and bragging to quiet and permanence. In the 1880s, there was Oscar Wilde on lecture tours. In the 1960s, there was Truman Capote on “What’s My Line?”
These days, there is Jeffrey Eugenides. Eugenides has appeared in book trailers alongside James Franco, he’s posed in Vogue for a feature on Edith Wharton. He’s shared memories of David Foster Wallace with New York Magazine, his “media diet” with Details, and his Oscar picks with the New York Times. Then, of course, there was the Times Square billboard, where Eugenides’s publisher juxtaposed a shot of the author in a billowing vest underneath the word “Swoon-worthy.”
(via @mcguireinrome)
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Der Kaiser, gemalt von einer Frau!
In Frankfurt im Museum Giersch läuft ab Sonntag die Ausstellung Künstlerin sein!
„Ebenfalls so häufig wie nie zuvor hat man die Depots gesichtet und angezapft, um aus den Tiefen der Keller Gemälde oder Skulpturen von Künstlerinnen hervorzuholen, die ungesehen die längste Zeit ihres Dasein im Dunkeln verbracht haben. Das Frankfurter Städel Museum etwa hat für die Selbstbildnisse Ottilie W. Roedersteins, die wenige Schritte weiter nun Teil der Ausstellung „Künstlerin sein!“ im Museum Giersch ist, ein Kabinett eingerichtet. Und in den Depots der Berliner Alten Nationalgalerie stieß Philipp Demandt, der seit 2012 die Institution leitet, auf ein Gemälde von 1893, das es eigentlich gar nicht geben dürfte. Es ist ein Porträt Kaiser Wilhelms II., gemalt hat es eine Frau. Ebendas scheint auf den ersten Blick so unglaubwürdig, als hätte man Gandhi beim Schnitzelessen erwischt.
Nun hängt das Bild prominent in der Schausammlung der Alten Nationalgalerie und straft alle Lügen, die noch weiter behaupten wollen, es habe keine, kaum oder nur wenig Frauen in der Kunstgeschichte gegeben. Wilhelm II., zur Erinnerung, war der Kaiser, der 1905 dafür sorgte, dass Frauen das Kunststudium an den staatlichen Hochschulen untersagt blieb. Der Verein Berliner Künstlerinnen hatte damals eine Petition eingereicht, um die Zulassung zu erreichen, zu den Unterzeichnenden zählte beispielsweise Käthe Kollwitz. Die Petition wurde abgeschmettert – durch den Leiter der Kunsthochschule Anton von Werner, Lieblingsmaler des Kaisers und dessen kunstpolitische rechte Hand.“
(via @schwadroneuse)
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Amazing Missed Connection Takes Down Street Harassing Dickwads
Der tausendste Versuch, Idioten klarzumachen, dass sie Idioten sind, wenn sie Frauen auf der Straße irgendwas hinterherbrüllen.
„Let me make this abundantly clear, to you and to the other men reading this: when you comment on a woman’s appearance, you are not doing it for her. You are doing it for you. It’s not some great way to make a woman feel sexy and appreciated. It’s not flattery, even if you mean for it to be. The only thing it is is a great way for you to create a shitty power dynamic, by which you have announced yourself as the arbiter of her value, and you’ve deemed her fuckable, and she is supposed to be happy or impressed by that.“