Links vom 10. Dezember 2013
Wir werden die Kunstgeschichte umschreiben müssen
Kunsthistoriker Rolf Jessewitsch weist auf die Lücken hin, die die Nationalsozialisten mit ihrer Ideologie der „entarteten Kunst“ hinterlassen haben:
„Es gab auch ältere Künstler, deren Existenz von den Nazis vernichtet wurde. Etwa Milly Steger…
…die Karl Ernst Osthaus 1910 als Stadtbildhauerin nach Hagen holte…
…und die Mitte der zwanziger Jahre Deutschlands bedeutendste Bildhauerin war. 1935 haben die Nazis verlangt, dass Milly Steger aus Friedenthals Lexikon herausgenommen und nicht mehr erwähnt wird. Das hat funktioniert. Heute kennt sie kaum mehr jemand. In München, Hamburg und Berlin haben die Museen Werke von ihr, aber wenn ich meinen Kollegen dort sage, dass sie die doch mal zeigen sollen, heißt es: „Die kennt ja keiner.““
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Ein Gastbeitrag auf Shakesville, den ich sofort unterschreiben würde:
„Eating in public is more than just eating, if you are a fat person. It’s Eating While Fat.
Eating While Fat means carefully scrutinizing each choice from the party buffet, knowing that others are watching you, hating that it matters, but knowing it does. Are you choosing the celery sticks because you like them (I do), or because you know what people will be smirking if you grab the cookies? Because obviously, you are a terrible, lazy, terrible person if you pick the cookies.“
Andrea Diener nimmt von ihrer Lieblingskonditorei Abschied, indem sie dort Lebkuchen backt:
„„Du siehst gar nicht gut aus“, sagte ich. „Hexenschuss“, sagte sie. „Du gehörst ins Bett“, sagte ich, und ich hatte keine Ahnung, wie recht ich damit hatte. So leicht stirbt man nicht, denkt man immer, aber manchmal eben doch, manchmal ruft dann einfach jemand an, weil doch eine gestorben ist, von der man eigentlich noch ein paar hundert Torten kaufen wollte, mindestens noch 15 Jahre lang.“
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Eine Liebeserklärung an Bibliotheken von Michael Benson, dem Präsidenten der Eastern Kentucky University:
„I’ll never forget my second day in Oxford as a somewhat overwhelmed graduate student, standing before a stern and quintessential librarian – right out of Brideshead Revisited – and taking on oath with my right hand held to the square, that during my time within the hallowed walls of the Bodleian I would refrain from making any open fires or bringing any sheep into the building.“
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Ach, wo wir gerade bei Bibliotheken sind – das hier ist meine liebste: der dritte Stock bei den KunstwissenschaftlerInnen. Hinter mir stehen die KünstlerInnenmonografien, ein Stockwerk darunter steht die Sekundärliteratur zu jedem Aspekt, der irgendwie zu Kunst gehört, und noch ein Stockwerk tiefer lungern die Theater- und Musikwissenschaften rum. Aber hier oben ist es am schönsten.
Ich bastele zurzeit an der Excel-Tabelle, in die ich Bücher eintrage, die vor 1945 erschienen sind; mein Provenienzkurs sucht eventuelle Raubkunst in den Regalen der KuGi-Bib. Mein bisheriger Lieblingsfund, den ich aber noch nicht weiter vertieft habe, ist ein Buch von 1896, das wahrscheinlich mal Herrn Keyserling gehört hat.