Paris, jour 6
Heute ist Urlaub vom Urlaub. Ich gehe ins Kino. Das französische Kinoprogramm hat mir natürlich wegen dieser seltsamen Sprache ein paar Probleme bereitet – ich musste erstmal rausfinden, was die Worte auf französisch bedeuten, um mir dann zu überlegen, wie der Film wohl auf englisch heißen könnte. Manchmal habe ich den Titel erraten, weil mir Schauspieler und Regisseur was gesagt haben. Meistens hat le Kerl übersetzen müssen, und ich hab ahnungslos mit dem Köpfchen geschüttelt.
Paris scheint ein Paradies für Filmliebhaber zu sein. Es gibt geschätzte zwei Millionen Kinos, deren erste Vorstellung manchmal schon um halb elf Uhr morgens ist und die bis spät in die Nacht geöffnet haben. Ich habe in Pariscope, dem verlässlichen Begleiter für Kunst, Kultur und Quatsch, Originalversionen in Spanisch, Deutsch, Englisch, Italienisch, Japanisch, Arabisch, Indisch, Chinesisch, Türkisch, Russisch, Thailändisch, Dänisch und Isländisch gefunden. version originale (VO) bedeutet, dass der Film automatisch französisch untertitelt ist. Die Bezeichnung „mit Untertiteln“ habe ich jedenfalls nicht gesehen. Der überflüssige amerikanische Film, den ich mir angesehen habe, hatte auch nur den Zusatz VO und nicht irgendwas ähnliches wie OmU. Und der war untertitelt, was mich natürlich dazu verleitet hat, immer mitzulesen, um vielleicht doch noch im Schnelldurchlauf die französische Sprache mitzukriegen. Wenn Filme nicht VO sind, sind sie mit version française (VF) gekennzeichnet.
In Pariscope gibt es eine Liste mit allen Filmen, die in dieser Woche in Paris (Großraum) laufen, in alphabetischer Reihenfolge, mit Herkunftsland, Jahr, Darstellern, kurzer Inhaltsangabe. Wobei die Woche mit neuen Filmen in Frankreich am Mittwoch und nicht wie bei uns am Donnerstag beginnt. Bei den jeweiligen Filmtiteln stehen dann Name des Kinos und Nummer des Arrondissements bzw. Stadtteils. In einer zweiten Liste stehen dann, nach Arrondissements geordnet, die einzelnen Kinos mit ihren Angeboten und Startzeiten. Man kann also gucken, was bei sich um die Ecke läuft – oder man blättert sich durch 25 Seiten Filmtitel und fährt notfalls ne Stunde mit der Metro, um sich mal wieder La veuve joyeuse (Die lustige Witwe) von Ernst Lubitsch im Original anzuschauen.
Vor dem Film liefen erstmal Trailer. Zuerst kamen drei französische, die nur aus Dialogen bestanden. Und dann ein amerikanischer, der nur aus wilden Schnitten, Actionszenen und Aufdiefresse bestand. Selten zuvor ist mir der Unterschied zwischem französischem und amerikanischem Kino so deutlich vor Augen geführt worden. Die französischen Titel konnte ich mir nicht merken, nur einen, weil ich den verstanden habe: Je déteste les enfants des autres! Und der amerikanische war The Bourne Ultimatum. Dann kam allerdings ein französischer Film mit amerikanisch anmutendem Trailer: Chrysalis (siehe Screenshot).
Schließlich Werbung. Ich habe mir nur einen schönen Spot merken können, nämlich für Oxford-Notizbücher. Und dann lief endlich der Film, über den ich mal den gnädigen Mantel des Schweigens lege.
(weiter zu Tag 7)