Für Emilia zum dritten Geburtstag
(Eins, zwei. Aus verschiedenen Gründen dieses Jahr etwas verspätet.)
Liebe Emilia,
heute ist dein dritter Geburtstag. Ich muss gestehen, ich habe dieses Jahr nicht ganz so viel von dir mitbekommen – was zum einen daran liegt, dass ich selbst einige Veränderungen mitgemacht habe, die dir noch bevorstehen: Jobs wechseln, mit einem Kerl zusammenziehen … oder mit einem Mädel, wer weiß das jetzt schon? Wenn diese Frage in einigen Jahren auftritt, werde ich alte Kinderfotos von dir nach Beweisen für die eine oder andere Theorie absuchen. Mal sehen, in welche Richtung mein wundervolles St.-Pauli-Shirt geht, das ich dir zu Weihnachten geschenkt habe und von dem ich immer noch kein Beweisfoto gesehen habe. Haben deine Eltern dir das etwa vorenthalten? Sollst du keine Kiezklamotten tragen? Oder willst du etwa keine Kiezklamotten tragen? Ich weiß, dass deine Lieblingsfarbe zurzeit Rosa ist, und da passt das Pauli-Braun natürlich gar nicht in dein Farbkonzept, das gebe ich zu.
Die Fotos, die mir deine Eltern schicken oder mailen, sind jedenfalls immer ganz liebreizend und sehr mädchenhaft. Ich wüsste manchmal aber doch gerne, ob dir deine Frisur gefällt oder ob sie dir vielleicht ein klein wenig zu Prinz-Eisenherz-artig ist. Nicht, dass sie dir nicht steht … aber ich bin ja sowieso kein großer Fan von unbedecktem Haupthaar. Das hast du auch ziemlich schnell gemerkt. Wie mir dein Papa erzählt hat, hast du einmal in seinem Schrank eine Baseballmütze entdeckt und sofort „Anke!“ gesagt.
Ein anderes Mal war ich bei dir zum Spielen eingeladen. Du hast mir deinen Duplo-Zoo gezeigt, in dem Eisbären und Giraffen friedlich nebeneinander wohnen – oder übereinander, wenn du dich nicht entscheiden kannst, mit was du jetzt eigentlich spielen willst. Auch die Gatter erfüllen nicht ganz ihren Zweck, denn sie bestehen aus in meinen Augen etwas nachlässig gesteckten Mauerteilen, zwischen denen eigentlich genug Platz ist, um sich hindurchzuschlängeln, egal ob man ein Eisbär oder eine Giraffe ist.
Wir spielten so vor uns hin, als deine Eltern mir ein Mitbringsel aus dem Urlaub überreichten, das ich mit spitzen Fingern entgegennahm. Eine Baseballmütze, auf der stand: „Golf. Drink. Repeat in that order.“ Schön, dass meine Golfbegeisterung so entwürdigt wird. Natürlich musste ich die Mütze aufsetzen, und du hast diese Gelegenheit schamlos genutzt, um dir meine Mütze aufzusetzen. Das geht natürlich gar nicht! Niemand setzt MEINE Mütze auf. Daher hab ich dir die Golfmütze aufgesetzt und mir wieder meine. Du fandest das alles wahnsinnig komisch und hast mir meine Mütze vom Kopf gehauen, um sie dir wieder aufzusetzen. Woraufhin ich den spitzen Hut von deinem Sandmann genommen und den aufgesetzt habe. Was du noch viel lustiger fandst. In den nächsten 20 Minuten haben wir sinnlos Mützen hin- und hergetauscht, und dein Vater hat peinliche Bilder gemacht, die mir sicher noch irgendwann mal vorgehalten werden. Ich hoffe, du wirst dein ganzes Leben lang so einfach zu unterhalten sein.
Kurz vor deinem letzten Geburtstag hast du eine kleine Schwester bekommen: Lotta. Die fandest du am Anfang ziemlich spannend, hast aber schnell gemerkt, dass sie eine kleine Macke hatte: Sie quietscht nämlich ziemlich laut. Das magst du gar nicht, und so flüchtest du meist aus Lottas Zimmer, wenn sie anfängt, diese fiesen Töne von sich zu geben. Manchmal kommst du aber auch nicht schnell genug weg, zum Beispiel, wenn du am Esstisch in deinem Hochstühlchen sitzt. Aber auch dann machst du ziemlich deutlich, dass du diese Art der Kommunikation nicht schätzt – indem du einfach auf deinen Teller brichst.
Vielleicht hast du dich deshalb auch in unserer neuen Wohnung gleich so wohl gefühlt: kein quietschendes Kind und dazu einen Papa, der sich hier auch noch nicht so auskennt. Eine prima Gelegenheit, in einem wahnsinnigen Tempo durch alle Räume zu flitzen, in der Gewissheit, dass Papa nicht hinterherkommt. Ich habe währenddessen Kerzen und Gläser außer Griffweite gebracht und aufgepasst, dass du einem meiner Lieblingsstofftiere, dem Schweinehund, nichts antust. Aber den mochtest du anscheinend ganz gerne. Du hast ihn die ganze Zeit mir dir rumgetragen und warst nicht unbedingt begeistert, als du ihn wieder hergeben musstest.
Ich ahne, dass mein diesjähriges Geschenk nicht ganz so toll ist wie ein Schweinehund, aber vielleicht wirst du in 30 Jahren genau die gleichen sentimentalen Gefühle haben, wenn du es anguckst, wie ich sie hatte, als ich es gekauft habe: Geschirr mit dem kleinen Maulwurf aus der Sendung mit der Maus. Ein Tipp nebenbei: Geh mal mit deiner Mama in den Laden, in dem ich das Geschirr gekauft habe. Sie kann dem Kram da auch nie widerstehen. Da fällt bestimmt was für dich ab!
Liebe Emilia, ich bin immer wieder entzückt, wenn ich dich angucke und abknutsche. Du bist so knuffig wie kurz nach deiner Geburt, aber du wirst gerade eine richtige kleine Persönlichkeit. Ich hoffe, ich kann dir noch ganz lange beim Wachsen zugucken, bis du irgendwann eine große Persönlichkeit geworden bist.
(Und dann schenke ich dir Golfschläger und keine Teller.)
Alles Liebe von deiner Patentante
Anke