iPad versus Papierbuch oder: Ich möchte über einen vier Jahre alten Blogeintrag von mir reden
Genauer gesagt, über den hier, in dem ich erzähle, dass eBooks eigentlich ganz schnafte sind, ich aber doch lieber bei den Papierbüchern bleibe. Das hat sich inzwischen geändert, wie ich gestern abend selbst erstaunt festellen musste: Ich lese inzwischen lieber auf meinem iPad mini als in Papierbüchern. Jedenfalls die Bücher, die ich privat lese. Bei den Werken für die Uni ist das (noch?) anders.
Was schrieb ich vor vier Jahren? Zum einen, dass es mich nervt, dass ich keine Seiten in der Hand habe, die mir optisch und haptisch sagen, wie weit ich schon im Buch bin. Das Problem habe ich seit Infinite Jest nicht mehr – da war ich sehr dankbar, dass ich den Schinken nicht mit mir rumtragen musste, sondern einfach der steigenden Seitenzahl unten am Bildschirm zugucken konnte.
Die Schinkigkeit von Büchern ist auch ein Grund, warum ich inzwischen lieber eBooks lese. Seit zwei Jahren fliege ich regelmäßig von Hamburg nach München und zurück und schleppe jedesmal meinen Rechner im Rucksack mit, meist irgendwelche Unterlagen für die Uni, den üblichen Handgepäckskleinscheiß, den alle mitschleppen – und eben Bücher. Bzw. seit zwei Jahren keine mehr. Das iPad mini hat mich endgültig zur eBook-Leserin gemacht.
Angefangen habe ich mit dem iPad der ersten Generation, was fünf, sechs Bücher lang ganz lustig war und dann nicht mehr. So richtig komfortabel liegt der Brocken dann eben doch nicht in der Hand, da macht ein schlankes Suhrkamp sich schon besser abends im Bett. Deswegen kaufte ich mir den Kindle 4, das Billomodell, auf dem ich auch nicht mehr als fünf Bücher las, weil mir die fehlende Beleuchtung auf den Zeiger ging. Das Format fand ich gut, der Kindle liegt gut in der Hand, wiegt quasi nix – aber er ist eben nicht beleuchtet, sieht total scheiße aus und die Tatsache, dass er nicht per Touch zu bedienen war, sondern mit den ollen Tasten, hat mich relativ schnell genervt. Enter the Kindle Paperwhite.
Den habe ich quasi ohne ihn zu benutzen weiterverschenkt. Das Gefühl, auf der Oberfläche rumzustreichen, um umzublättern oder irgendwas zu machen, fand ich mehr als unangenehm. Das mag ein blöder Grund sein, aber Haptik und Optik spielen bei mir eben doch eine Rolle; das habe ich aber auch erst gemerkt, nachdem ich den Paperwhite in der Hand hatte. Gefühlt fünf Minuten, nachdem ich den Paperwhite angeekelt in die Ecke geworfen hatte, stand ich im Apple Store und strich verliebt über die Oberfläche des iPad mini. Es war deulich leichter und kleiner als das erste iPad, das ich überhaupt nicht mehr benutze, es lag gut in der Hand und es fasste sich vor allem toll an. Gekauft – und nie bereut.
Seit zwei Jahren lese ich alles, was ich nicht auf dem Rechner lesen will, auf dem iPad mini. Ich habe nie zu den Leuten gehört, die nach dem Weckerklingeln im Bett erstmal zum Smartphone greifen, um zu gucken, was nachts so alles in der Welt passiert ist – aber ich greife inzwischen morgens als erstes zum iPad. Die Twittertimeline wird nachgelesen, mal kurz auf Facebook geguckt, und dann muss ich natürlich noch nach meiner Farm schauen. Ähem. Und schon bei der Twittertimeline klicke ich auf diverse Artikel und lese sie sofort, anstatt sie mit einem Sternchen zu versehen und sie später am Laptop nachzulesen. Das iPad mini ist für mich ein vollständiges Lesegerät geworden. Mehr mache ich damit eigentlich nicht. (Okay, die Farm, schon gut.) Ich lese Bücher darauf, habe Magazine abonniert und seit ich einen anständigen pdf-Reader habe – PDF Expert, danke an Hirnrekorder für den Tipp -, mit dem ich markieren und annotieren kann, lese ich auch viele Papers für die Uni darauf anstatt sie mir, wie früher, auszudrucken.
Bücher für die Uni – also alles, was länger ist als ein Aufsatz – lese ich aber immer noch lieber auf Papier. Querlesen geht halt doch einfacher, wenn man alles im Blick hat und nicht immer nur eine Seite. (Ja, Bücher für die Uni werden quergelesen.) Aber auch hier mache ich inzwischen Ausnahmen: Digitale Bildwissenschaften habe ich komplett am iPad gelesen und dank des PDF-Experten wild markiert. Das könnte sich durchaus wiederholen. Auch weil die LMU tollerweise viele grundlegende Werke, die bei uns in dutzenden von Exemplaren in der Zentralen Lehrbuchsammlung rumstehen, auch gratis und ohne Einschränkung als pdf zur Verfügung stellt. Die Unibibliothek Hamburg leiht auch Bücher als pdf aus, aber die sind zeitlich beschränkt und ich habe es noch nicht geschafft, sie aufs iPad zu ziehen; die konnte ich nur am Laptop lesen und das empfinde ich immer noch als sehr unkomfortabel.
Über was hatte ich vor vier Jahren noch gemeckert? Dass man eBooks in Flugzeugen nicht ständig benutzen kann. Das hat sich netterweise inzwischen geändert, sonst wäre das sicher noch ein Quengelgrund für mich. Noch was? Ach ja, der Abschied vom Buch, das Ins-Regal-Stellen. Auch dieser Punkt hat sich mit meinem derzeitigen Leben geändert, denn in München habe ich schlicht nicht den Platz, den ich in Hamburg habe (ein 8-Fach-Expedit im Vergleich zu zehn Billys, davon sechs mit Aufsatz). Ich habe es in meiner kleinen, schnuffigen Ein-Zimmer-Studierendenbutze sehr zu schätzen gelernt, dass nicht alles, was ich lese, danach stofflich rumsteht, sondern nur als niedliche und platzsparende Datei vorhanden ist. Ich gebe zu, ich gehöre immer noch zu den Menschen, denen eine dicke Bücherwand im Wohnzimmer wichtig ist, weil ich einfach gerne zwischen Büchern lebe. Aber ich glaube, ich habe in 45 Jahren genug Zeug angesammelt, damit das Wohnzimmer hübsch ist – der Rest darf jetzt gerne virtuell vorhanden sein.
Womit ich nicht gerechnet hatte: dass mir die Beleuchtungsfunktion des iPad irgendwann den letzten Schubs zur eBook-Leserin gibt. Ich habe Jahre meines Lebens damit zugebracht, die perfekte Nachttischbeleuchtung zu finden, weil ich da am längsten lese. Inzwischen mummele ich mich im dunklen Zimmer unter die Decke und genieße das Licht des iPads, das immer perfekt ist. Es fühlt sich ein bisschen an wie das heimliche Lesen als Kind, wenn Schwesterchen schon schlafen wollte und ich das Licht im gemeinsamen Kinderzimmer ausmachen musste. Das ist wahrscheinlich der emotionalste Grund für einen eReader ever, aber ja, das Hightech-Produkt iPad mini löst bei mir anscheinend Flashbacks in die Kindheit aus, die ich zu großen Teilen mit der Nase in irgendeinem Buch verbracht habe. Und bis heute gibt es nichts Tolleres, als immer mal wieder auf ein Buch zu stoßen, das man einfach nicht weglegen möchte, auch wenn morgen die Vorlesung um 8 beginnt oder der Kunde um Punkt 9 was von einem will. Scheißegal, nur noch 20 Seiten. Und dann leuchtet das iPad so heimelig und plötzlich sind es 80 und ich lese mit glücklichem Grinsen vor mich hin.