r u ok?

Ja, geht besser, danke.

Nach monatelangem Aua hier und nervmichnicht dort scheint sich mein Körper und alles, was drin steckt, allmählich zu beruhigen. Zu den lustigen Schulterschmerzen und dem lustigen Gefühl, im Hamsterrad zu stecken und den lustigen Heulattacken aus dem Nichts heraus kam dann irgendwann noch ein lustiger Bandscheibenvorfall, nach dem mich meine Hausärztin fast gewaltsam zur Therapie geschickt hat. Was allmählich auch anfängt, gut zu tun und nicht mehr nur weh zu tun und Wunden aufzureißen, von denen ich anscheinend mal wieder mehr mit mir rumschleppe als ich intellektuell mitkriege.

Nach dem ersten Schock – scheiße, ich bin wieder da, wo ich vor sechs Jahren schon mal war – habe ich diesmal alles anders gemacht als beim letzten Mal, wo mir Rumliegen und Nichtstun verordnet wurde. Was ich brav wochenlang gemacht habe und so wahrscheinlich überhaupt keine Muskeln mehr hatte, die Bauch und Rücken halten konnten, und so hat eine weitere dumme Bewegung gereicht, um mich auf den OP-Tisch zu bringen. Die Narbe ist verheilt, einige Nervenschäden sind geblieben, aber: Ich hatte sechs wunderbare Jahre lang keine Rückenschmerzen. Und dann war da eben aus heiterem Himmel der gleiche beschissene Schmerz wieder, an den sich mein Hirn anscheinend noch erinnert hat und sofort auf Panikmodus geschaltet hat. Nach dem ersten Heulen hab ich daher das Gegenteil von Rumliegen und Nichtstun gemacht: rumlaufen, bewegen, sofort Krankengymnastik, die Übungen auch brav zuhause weitergemacht, bloß nicht zur Ruhe kommen, aktiv was gegen den Schmerz machen.

Und dazu gehörte natürlich auch brav weiter zur Arbeit gehen. Netterweise hab ich keine Anwesenheitspflicht in der Agentur, so dass ich nach einem halben Tag mein iBook unter den Arm klemme und nach Hause gehe, wo ich mit dem Rücken auf dem warmen Körnerkissen liege und irgendwie nach oben tippe. Bloß keine Schwäche zeigen, bloß nicht zugeben, dass man gerade mit irgendwas überfordert ist, auch wenn man nicht weiß, womit, warum, wieso jetzt, wieso ich. Augen zu und durch, geht schon, muss ja.

Bis ich dann vor einigen Wochen den gleichen Schmerz nochmal erleben durfte, trotz aktiv sein, trotz Akupunktur, trotz „Ich mach doch diesmal alles richtig, wieso geht’s mir dann trotzdem nicht besser“. Mein Orthopäde hat mir nochmal Krankengymnastik verschrieben, und diesmal habe ich mich erstens krankschreiben lassen und das iBook ausgeschaltet und das Handy ignoriert und mir zweitens eine andere Krankengymnastikpraxis ausgesucht. Eine, bei der man nicht schon von draußen das Klackern der Hanteln hört und in der man mit dem Satz begrüßt wird: „Na, ein paar Kilo weniger wären auch nicht schlecht, was? Haha.“

Stattdessen bin ich seit zwei Wochen in einer Praxis, in der eine Duftkerze im Wartezimmer ist, wo man die Schuhe auszieht und in Filzpantoffeln rumläuft und wo einer der ersten Sätze war: „Lassen Sie sich bloß nicht auf Ihr Gewicht reduzieren. Auch schlanke Menschen haben Rückenschmerzen.“

Und ein weiterer Satz war: „Hat Ihnen schon mal jemand Entspannungstechniken beigebracht?“ Woraufhin ich geguckt haben muss wie ein Auto, denn dass Ruhe und Entspannung vielleicht auch was mit Gesundwerden zu tun haben, ist mir erst in dem Augenblick aufgefallen.

Und so habe ich jetzt „Krankengymnastik“ bei einer Frau, die eher Osteopathie mit mir macht und mit Cranio-Sakral-Techniken arbeiten (falls man das so sagt). Laut Wikipedia und Google ist das alles Humbug. Wahrscheinlich bin ich deshalb auch seit einigen Tagen völlig schmerzfrei. Ohne Tabletten, ohne meine doofen Bauchübungen („Und ruhig in den Schmerz reinarbeiten!“), nur mit Spazierengehen und bewusster Entspannung. Ich hab mir zwar eine CD mit Ãœbungen für Autogenes Training zugelegt, aber schon bei der ersten musste ich so lachen („Sie befinden sich auf einer grünen Wiese … Sie sehen einen kleinen Teich … Sie entkleiden sich und nehmen ein erfrischendes Bad …“), dass ich mir inzwischen meine Bilder lieber selber mache und dabei mit Ohrenstöpseln im Bett liege, mein warmes Körnerkissen genieße und mein dämmrig-grünes Wohlfühllicht. Jeden Abend eine halbe Stunde nur für mich, der Kerl muss draußen bleiben, die Welt sowieso, und ich denke an meinen Ruheraum, den ich schon vor Jahren in der ersten Therapie für mich geschaffen habe, in dem ich sicher bin und alles immer gut ist, achte auf meinen Atem, spüre bewusst die Wärme und meinen Körper und gucke ihm beim Gesundwerden zu.

Ich ahne jetzt auch, warum die Akupunktur bei mir nicht so gut angeschlagen hat, denn die fand nicht in einem ruhigen Raum statt, sondern da, wo die Arzthelferinnen rumwuseln, Ablage machen und ans Telefon gehen. Ich kann mich an einige Sitzungen erinnern, in denen ich trotz der Geräuschkulisse fast weggenickt bin, und nach denen hatte ich auch das deutliche Gefühl einer Besserung. Aber in den meisten Sitzungen habe ich bloß darauf gewartet, hier wieder wegzukönnen. Vielleicht hätte mir da schon auffallen können, dass Ruhe und Kopfausmachen zum Wohlbefinden beitragen, aber das hab ich vor lauter Rückenschmerzen anscheinend nicht mitgekriegt. Jetzt aber schon. Und so seltsam es mir vorkommt, dass es mir und meinem Körper durch Ausruhen und Handauflegen besser geht als mit Schwitzen und Stemmen, so angenehm finde ich es.

Jetzt muss ich dieses Ommm-Gefühl nur noch in die Agentur mitnehmen können.