Tagebuch Dienstag, 24. November 2015 – Strukturen
Weiter übers Vogelnest gelesen, vor allem diese Broschüre einer Partnerfirma von Herzog & de Meuron, die am Stadion mitgebaut hat. Darin finden sich sehr schöne Bilder von der Konstruktion, die unter dem ganzen Geflecht liegt, was ich für meine Präsentation sehr gut gebrauchen kann.
Außerdem habe ich den Film über Herzog & de Meuron in China transkribiert bzw. mir die Rosinen rausgepickt, die ich fürs Referat brauche. Der Trailer ist übrigens totaler Schrott: „The Great Wall could not stop them …“ Kolonialismus-Rhetorik much? Der Film selbst ist mir manchmal auch ein bisschen zu behäbig bzw. schnauft auf Nebenschauplätzen rum, die ich nicht gebraucht hätte. Aber dafür gibt es herrliche Bilder von der Baustelle, von denen ich noch rauskriegen muss, wie ich von ihnen Screenshots mache.
Was ich am Film spannend fand: die Architekten sprechen sehr selten von einem Gebäude oder von einem Stadion, einer Arena oder ähnlichem. Sie sagen dauernd „Struktur“. „Wir wollten von Anfang an eine chaotische Struktur schaffen.“ „Wir wünschen uns, dass hier eine begehbare Struktur entsteht, wie der Eiffelturm.“
(Arup Journal 1 (2009), S. 14.)
Außerdem mochte ich die Inspirationen, die dem Bau vorangingen – und die der Konkurrenz, die deren Designs gleich aus dem Wettbewerb rauskegelten. Herzog & de Meuron arbeiteten mit Ai Weiwei zusammen, um jemandem im Team zu haben, der sich in chinesischer Kultur und Ikonografie auskennt, nachdem zwei Projekte in Moskau und Abu Dhabi wegen kultureller Differenzen gescheitert waren. An ein Vogelnest dachten die Architekten laut Eigenaussage nicht, sie wollten ein „Gefäß“ schaffen, das Menschen in sich versammelt. Als die Stadion-Entwürfe einer ausgewählten Öffentlichkeit präsentiert wurden, schuf die Presse den Begriff des Vogelnestes, das positiv konnotiert ist. Ein Mitarbeiter der staatlichen Baubehörde erwähnt das Sprichtwort „ein Nest bauen, um Phönixe anzulocken“, womit hier die besten Sportler und Sportlerinnen der Welt gemeint sein könnten. Ein Mitbewerber entwarf ein Stadion mit einem grünen, gewölbten Dach, das die Presse sofort an eine Schildkröte erinnerte – angeblich eine Anspielung auf eine Ehefrau, die ihrem Mann Hörner aufsetzt. Und damit war der Entwurf raus.