Bonjour.

Wir haben eine neue Französischlehrerin. Elle s’appelle Arlette, und sie erinnert mich an eine Gouvernante, die ihren Schützlingen mit viel Liebe, aber auch harter Hand ein paar Vokabeln beibringen will. Während unsere alte wuselige und stets gut gelaunte Lehrerin einen auch hat reden und rumstammeln lassen, bis man wirklich nichts mehr wusste und abgewunken hat, bohrt Arlette so lange, bis man endlich sagt, was man sagen soll. Wir Mädels sitzen etwas eingeschüchterter, aber brav im wie immer überheizten VHS-Raum und hoffen, nicht drangenommen zu werden. „Keine Angst, wir sind zum Lernen hier. Alors.“ Und alles zuckt zusammen.

Unseren einzigen Quotenmann haben wir anscheinend vergrault; jetzt treffen sich Mittwochs nur noch tapfere sieben Damen, um sich mit Händen und Füßen zu fragen, wie’s denn so geht, wo man wohnt, was man arbeitet und ob einem die Arbeit gefällt. Netterweise spricht Arlette besser deutsch als unsere ehemalige Lehrerin, was bedeutet, dass sie uns versteht, wenn wir bei wilden Berufsbeschreibungen nicht mehr weiterkommen und gerne ein paar Vokabeln hätten. So habe ich gestern den Begriff für Marktforschung gehört – und aus Bockigkeit gleich wieder vergessen. „Wir Werber, nous détestons ta profession“.

In der letzten Stunde waren die doofen Zahlen mal wieder dran, und wir durften uns gegenseitig unsere Telefonnummern sagen: Eine sagt sie auf, die andere schreibt sie an die Tafel. Natürlich nicht schön simpel mit Zahlen von 0 bis 9, sondern zweistellig. Ich mochte meine Handynummer bis jetzt ganz gerne, aber seit ich entdeckt habe, dass sich in ihr eine 97 versteckt, finde ich sie total gemein. Ich halte zwar die deutsche Grammatik und ihre unregelmäßigen Verben für noch fieser als die französische, aber was diese Irren sich bei ihren Zahlen gedacht haben, würd ich wirklich gerne mal wissen. Denn 97 ist ja eben nicht „neun sieben“ oder „neunzig sieben“ oder, womit ich auch noch leben könnte, „neunzig und sieben“ oder „sieben und neunzig“, sondern stattdessen: „vier zwanzig siebzehn“. Quatre-vingt-dix-sept. Mir ist schon beim Fernsehen aufgefallen, dass ich ab und zu Worte oder sogar Sätze verstehe (vorzugsweise, wenn die wichtigen Fakten am unteren Bildrand als Einblendung stehen), aber sobald eine Zahl genannt wird, bin ich völlig raus, weil ich fünf Minuten damit beschäftigt bin, sie im wahrsten Sinne des Wortes zu dechiffrieren.

Außerdem ist in meiner Nummer noch eine 81, die auch doof ist, weil alle Zahlen wie z.b 21, 41, 61 etc. ein et un an die Zehnerzahl kriegen. Also vingt et un, quarante et un und so weiter. Nur die zickige 81 kriegt kein „und“, sondern heißt nur quatre-vingt-un UND hat Bindestriche. Diva.

Lustigerweise bin ich nicht alleine mit meiner Verständnislosigkeit gegenüber den Zahlen. Arlette sagt jedenfalls (ich glaub ihr alles), dass so ziemlich jeder Ausländer damit Probleme habe. Selbst die Eingewanderten zählten angeblich auch nach 20 Jahren im Land lieber in der eigenen Sprache. Was mich an eine Geschichte erinnert hat, die ich vor Ewigkeiten mal gelesen habe. Da hat ein deutsches Au-Pair-Mädchen in England gemerkt, dass sie sich in dem Moment „zuhause“ gefühlt habe, als sie morgens beim Kaffeemachen die Löffel Kaffeepulver auf englisch und nicht mehr auf deutsch abgezählt hat.

Ich habe neben dem regelmäßigen TV5-Monde-Konsum übrigens noch eine weitere Möglichkeit gefunden, ein paar Vokabeln abzugreifen: amerikanische DVDs mit französischen Untertiteln gucken. So habe ich gerade von Lost gelernt, dass „Klappe halten“ anscheinend La ferme heißt. Und „Floß“ heißt radeau. (Geschenk = cadeau, Kuchen = gâteau. Mehr aus dieser Reihe in Kürze.)

Franzackig ist anstrengend. Mais très intéressant.