Was schön war, 23. bis 25. Dezember 2015

Das erste Referat im Ost-West-Dialoge-Seminar über zwei Fotografinnen aus der DDR: Helga Paris und Evelyn Richter.
Eine Serie von Richter hat mir sehr gut gefallen, in der sie Menschen fotografiert, die sich Kunst anschauen: Ausstellungsbesucher. Ich weiß nicht, ob die Serie schon abgeschlossen ist. Ein Motiv fand ich besonders toll, vielleicht auch deshalb, weil wir das Bild, vor dem die Ausstellungsbesucherin steht, auch im Seminar besprochen hatten:

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Evelyn Richter: Vor Wolfgang Mattheuers „Die Ausgezeichnete“ im Dresdner Albertinum (1975), Berlinische Galerie.
Quelle: Kat. Ausst. Positionen künstlerischer Photographie in Deutschland seit 1945; 7. September 1997 bis 11. Januar 1998, Martin-Gropius-Bau Berlin, Köln 1997, S. 82. (Prometheus-Bildarchiv)

Hier das Bild, vor dem die Dame steht:

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Wolfgang Mattheuer: Die Ausgezeichnete (1973/74), 125 x 100 cm, Öl auf Hartfaser, Nationalgalerie Berlin.
Quelle: Blume, Eugen/März, Roland: Kunst in der DDR. Eine Retrospektive der Nationalgalerie, Berlin 2003. (Prometheus-Bildarchiv)

Das Bild zeigt den Kontrast zwischen dem idealen und dem stattdessen real existierenden Sozialismus, es entheroisiert das sozialistische Arbeiterbildnis.

Evelyn Richter versuchte teilweise in ihrer Serie, die Betrachter*innen in den gleichen Posen zu fotografieren, die in den Bildwerken zu sehen sind. Die Fotos sind nicht gestellt, sie wartete manchmal wochenlang vor den Werken, bis die für sie passende Person davor stand. Hier hat die Betrachterin den gleichen, fast resignierten Ausdruck, den schon Mattheuers Ausgezeichnete trägt. Gleichzeitig entsteht ein Kontrast zwischen Fiktion und Wirklichkeit (wenn man mal annimmt, dass ein Foto die Wirklichkeit zeigt, worüber man natürlich auch sehr lange streiten kann). Beim gemalten Bild kann man sich notfalls herausreden, dass es Fiktion ist, dass der Sozialismus seine Menschen eben nicht immer glücklich und zufrieden macht. Beim Foto fällt es etwas schwerer, diese Utopie aufrecht zu erhalten. Ich finde es auch bezeichnend, dass die Betrachtende eigentlich gar keine ist, sondern dem Bild den Rücken zuwendet. Sie wendet sich damit sowohl von der sozialistischen Utopie der glücklichen Arbeiterin ab und zugleich von der Kunst ihres Staates, die sie vielleicht sowieso nur pflichtschuldig betrachtet hatte.

Ein Päckchen unterm Weihnachtsbaum: Anita überraschte mich mit Katharina Greves Eigentlich ist Wurst umgestülptes Tier. Von Frau Greve lese ich ja bekanntlich alles, und das Büchlein fehlte mir noch in der Sammlung. Vielen Dank für das perfekt getimte Geschenk und die Widmung – ich habe mich sehr gefreut.

Das Kochen bei meinen Eltern.
Meine Schwester hatte eingekauft, ich schleppte aus München unter anderem meine Lieblingsreibe, mein Lieblingsmesser und mein Lieblingsschneidbrett an, und dann stand ich in der Küche, in der ich seit 20 Jahren nicht mehr wirklich in die Schränke und Schubladen geguckt hatte und fand quasi alles auf Anhieb wieder. Ich wusste noch, wo die Töpfe stehen, die Rührschüsseln, die Gewürze. Das ging deutlich besser als ich gedacht hatte. Vorneweg gab’s schwarze Linsen mit Räucherlachstatar, danach Reh mit Rotkohl und Semmelknödeln – die erschienen mir beim Anrichten plötzlich doch zu rustikal zum Reh, aber anscheinend hat’s allen geschmeckt – und zum Schluss Welfenspeise, bei der sich die familiäre Rotte beschwerte, dass ich nicht mehr gemacht hatte. Ich nehme das als Kompliment.

Die Doppelkopfrunde nach dem Essen mit viel Sekt und Keksen dazu.
Als meine Schwester und ihr Mann schon den Heimweg angetreten hatten, saßen meine Eltern und ich noch am Wohnzimmertisch, plauderten und köpften bis vier Uhr morgens alles an Flaschen, was in der Nähe stand.

Die Lufthansa-Damen in der Lounge am Flughafen Hannover, die einfach mal alle in die Senator- statt in die Business-Lounge winkten. (Den Unterschied hatte ich mir dramatischer vorgestellt.)

Der Rückflug nach München bei Vollmond.
Normalerweise sitze ich immer auf Platz F, also auf der rechten Seite im Flieger, weil ich gerne meine rechte Hand frei habe, um entspannt mein Buch umzublättern, den Getränkebecher zu halten oder mein iPhone aus der Hosentasche zu friemeln, um Candy Crush zu spielen. Dieses Mal buchte ich aber den Platz A, damit ich meine linke Schulter an die Rückenlehne drücken konnte, ohne einen eventuellen Sitznachbarn zu belästigen, denn die Schulter nervte seit ein paar Tagen, aber weniger, wenn ich sie irgendwo gegendrücken kann. Glück für mich, denn auf der linken Seite des Flugzeuges hatte ich die ganze Zeit den Mond neben mir. Seit dem Start glotzte ich wie eine Laienfliegerin aus dem Fenster, weil ich mich gar nicht daran sattsehen konnte, wie wunderschön der helle Mond über den Wolken aussah. In dem Moment, in dem ich daran dachte, ein Foto zu machen, ging das Kabinenlicht aber wieder an, was die Fotomöglichkeit drastisch ruinierte. Ich versuche zu lesen, aber der Mond lenkte mich so sehr ab, dass ich irgendwann mein Buch wieder in den Rucksack packte und nur noch gedankenverloren nach draußen schaute. Bei der Landung dachte ich immerhin an ein Bild, aber das kann nicht mal im Ansatz wiedergeben, wie wunderschön die 45 Minuten gestern in der Luft waren.

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