and now, as tears subside, i find it all so amusing
Heute ist mein letzter Arbeitstag in der derzeit schönsten Agentur der Welt. Bis Ende Februar bin ich zwar noch offiziell als Festangestellte unterwegs, aber ab morgen bummele ich Urlaubstage ab – und kümmere mich um die noch ausstehenden Behördengänge und Millionen Anträge und Anrufe auf dem Weg in die Freiberuflichkeit.
Das letzte Jahr war, was meine geistige Gesundheit anging, total rausgeschmissen. Mir ging es monatelang schlecht und ich konnte nicht mal mehr sagen, ob es am Kerl, an der Beziehung, am Zusammenwohnen, an der Wohnung, an der Agentur, an der Arbeit an sich, an mir, an meinem Gewicht oder am fliegenden Spaghettimonster lang, dass es mir schlecht ging. Zum geistigen Jammerzustand kam der körperliche Jammerzustand, und auch hier weiß ich nicht, was zuerst da war oder welche Befindlichkeit die andere beeinflusst oder sogar verursacht hat. Ich habe mich gefühlt wie vor einem riesigen Knäuel aus verknoteten Fäden, und ich habe nicht gewusst, an welchem ich ziehen sollte, um das Knäuel aufzulösen. Ich hatte nicht einen Knoten vor mir, sondern eine ganze Armada davon, und sobald ich anfing, an einem rumzudröseln, wurde ein anderer fester.
Nach monatelangem Gequäle und Aussitzen habe ich dann zum dritten Mal in meinem Leben die Nummer meiner Therapeutin angerufen, die mich schon zweimal wieder auf die Beine gekriegt hatte. Und so auch diesmal: Nach drei, vier Monaten löste sich ein Knoten nach dem anderen und alles passte wieder – beziehungsweise: Ich wusste endlich, an welchem Faden ich ziehen musste, um das Knäuel kleiner werden zu lassen. Und sobald der größte Knoten gelöst war, konnte ich feist grinsend feststellen, dass alle anderen plötzlich einfach nicht mehr da waren. Oder sie erschienen mir zumindest nicht mehr ganz so unüberwindbar. Das wuselige Knäuel war zu einer kleinen kuscheligen Wollkugel in meiner Hand geworden. In meiner Hand. Ich ändere etwas – und alles ist wieder gut. Ich lasse mich nicht mehr treiben und hoffe, dass sich die Welt mir anpasst, sondern die Kraft war wieder da, mir meine Welt so zurechtzubasteln, dass ich in ihr klarkomme.
Der Satz, der mich wieder auf den richtigen Weg gebracht hat, war folgender: „Ich kündige.“ Seitdem ich weiß, dass ich demnächst nur für mich arbeite und nicht mehr für andere, geht es mir besser. Wahrscheinlich werde ich diesen Satz irgendwann mal verfluchen, wenn die Auftragslage dünner wird oder ich eine Erkältung auskurieren will und in der Zeit eben kein schönes, bequemes Festangestelltengeld auf mein Konto kommt. Und ich ahne auch, dass Formulare ausfüllen und mich mit Steuerberatern und dem Finanzamt monatlich rumärgern anstatt nur einmal im Jahr auch nicht so wahnsinnig viel Spaß machen wird. Aber trotzdem fühle ich mich seit November, seit ich den tollen Satz gesagt habe, leichter, motivierter und befreiter.
Anscheinend war es wichtig für mich, Autonomie wiederzugewinnen. Meine Agentur ist mir in jeder erdenklichen Weise entgegengekommen, weil sie mich gerne halten wollte, und jeder, dem ich von meinen Konditionen erzählt habe, meinte auch nur: „Was willst du denn noch?“ Und das war genau mein Problem: Objektiv gesehen war alles toll. Gute Arbeitsbedingungen, prima Bezahlung, klasse Kollegen – alles da, und trotzdem ging’s mir schlecht. Ganz genau weiß ich immer noch nicht, warum die Kündigung so gut getan hat, aber ich glaube, es war der Wunsch, etwas zu machen, etwas selbst zu entscheiden. Und eben das Wissen, dass ich als freier Texter eher über meine Zeit verfügen kann als als Angestellter. Wenn ich nächste Woche nicht arbeiten will, dann arbeite ich auch nicht. Fertig. Kein schlechtes Gewissen, weil die Kollegen meinen Job machen müssen, kein Stress mit Urlaubsanträgen und „Darf ich vielleicht …“ – einfach machen. Jedenfalls ist das meine naive Vorstellung. Ich nehme an, die Realität wird nicht ganz so kuschelig, aber das war der Hauptgrund, die Festanstellung hinter mir zu lassen: Ich will für mich arbeiten und zu meinen Konditionen.
In den letzten Wochen habe ich bereits mein Portfolio größtenteils zusammengebastelt und mir eine hübsche Geschäftsausstattung machen lassen. Auch lustig, auf einer Visitenkarte nur noch meinen Namen zu sehen und keine Firma mehr dazu. Demnächst ändert sich diese Webseite ein wenig (wenn ich denn endlich mal meine Webseitenbeauftragte als Telefon kriegen oder sie auf meine Mails reagieren würde), und außerdem befasse ich mich noch mit so spannenden Dingen wie Krankenversicherungen, Rentenversicherung, Gründungszuschüssen und „Was genau ist eigentlich eine Umsatzsteuervoranmeldung und hoffentlich muss ich dieses Wort nie betrunken buchstabieren“. Und irgendwann – nach einer kleinen, wohlverdienten Auszeit – werde ich dann in einer Agentur am Empfang stehen und sagen: „Hallo, ich bin Anke, ich bin ab heute als Freie gebucht.“
Für den Tag stell ich schon mal den Schaumwein kalt.