„Auf der einen Seite haben wir diesen wundervollen Gebrauch des Kommas, das, indem es der Sprache einen Rhythmus verleiht, deren Form verherrlicht:

Ja, da haben sie mir nicht wenig Vorwürfe gemacht, sowohl für den Krieg als auch für den Frieden …

Und auf der anderen Seite haben wir Sabine Pallières Gekleckse auf Velinpapier, in dem der Satz von einem zum Dolch gewordenen Komma durchbohrt wird.

Könnten Sie, heute nachmittag die Pakete der Reinigung entgegennehmen?

Wäre Sabine Pallières eine brave, unter einem Feigenbaum von Faro geborene Portugiesin gewesen, eine frisch aus Puteaux emigrierte Concierge oder eine von ihrer barmherzigen Familie geduldete geistig Behinderte, ich hätte diese schuldhafte Lässigkeit bereitwilig verzeihen können. Doch Sabine Pallières ist eine Reiche. Sabine Pallières ist die Frau eines Moguls der Rüstungsindustrie, Sabine Pallières ist die Mutter eines Idioten in tannengrünem Dufflecoat, der nach seinen zwei Vorbereitungsklassen und einem Politologiestudium die Mittelmäßigkeit seiner belanglosen Gedanken vermutlich in einem Regierungskabinett der Rechten verströmen wird, und Sabine Pallières ist darüber hinaus die Tochter eines Biests im Pelzmantel, das Mitglied des Lektorengremiums eines sehr großen Verlagshauses ist, und so über und über mit Schmuck behangen, daß ich manchmal auf den Zusammenbruch lauere.

Aus all diesen Gründen ist Sabine Pallières nicht entschuldbar. Die Gunstbeweise des Schicksals haben einen Preis. Für den, der vom Leben mit Nachsicht behandelt wird, ist die Pflicht zur Strenge im Umgang mit der Schönheit verbindlich. Die Sprache, dieser Reichtum des Menschen, und ihr Gebrauch, dieses Erzeugnis der sozialen Gemeinschaft, sind unverletzliche Werke. Daß sie sich im Laufe der Zeit entwickeln, verändern, in Vergessenheit geraten und neu entstehen, während der Verstoß gegen sie bisweilen zur Quelle einer größeren Fruchtbarkeit wird, ändert nichts an der Tatsache, daß man, will man sich mit ihnen dieses Recht zum Spielen und zur Veränderung herausnehmen, ihnen zuvor volle Unterwerfung gelobt haben muß. Die Erwählten der Gesellschaft, diejenigen, die das Geschick von jenen Zwängen ausnimmt, die das Los des armen Mannes sind, haben demnach den zweifachen Auftrag, die Herrlichkeit der Sprache zu verehren und zu respektieren. Daß schließlich eine Sabine Pallières falschen Gebrauch von der Zeichensetzung macht, ist eine Blasphemie, die um so schlimmer ist, als gleichzeitig großartige Dichter, die in stinkenden Wohnwagen oder in Müllstädten geboren wurden, jene heilige Ehrfurcht vor der Schönheit haben, die ihr gebührt.

Den Reichen die Pflicht zum Schönen. Andernfalls verdienen sie zu sterben.

Genau an diesem Punkt meiner aufgebrachten Überlegungen klingelt jemand an meiner Loge.“

Aus: Die Eleganz des Igels, Muriel Barbery. Again.