Tagebuch, Donnerstag, 10. November 2016 – Wut
Gestern und vorgestern gab es durchaus schöne Momente: Ich hatte am Mittwoch eine sehr erfreuliche Sprechstunde, ich telefonierte gestern mit dem Heimatmuseum in Bad Aibling, und um mich endgültig von meiner schlechten Laune wegen des Wahlergebnisses zu befreien, radelte ich ins ZI und vergrub mich in der bundesdeutschen Nachkriegskunst. Zusätzlich versuchte ich, nicht so oft bei Twitter reinzugucken – bei Facebook sowieso nicht – und wollte mich nach getaner Arbeit zuhause ablenken. Ein Buch lesen, yay! Leider liegt bei mir gerade Ian Kershaws To Hell and Back oben auf dem Stapel, das heiterte mich nur bedingt auf. Serien gucken, yay! Leider gab es gestern in meinem TV-Plan nur die neue Folge von Designated Survivor, einer Show, die darauf beruht, dass der Präsident der Vereinigten Staaten ein guter, integrer Mensch ist, der den Staat besonnen aus einer katastrophalen Situation holt. Auch eher doof. Und dann las ich doch ein paar Tweets und wurde wieder wütend.
Es kam des Öfteren die Ansage, dass man die Trump-Wähler*innen (und im übertragenen Sinne die AFD-Wähler*innen) nun bitte nicht dumm nennen sollte, weil das den rechten Parteien mehr Stimmvieh zutriebe. Das mag ein freundlicher Gedanke sein, aber ich halte ihn für falsch. Jemanden, der seine Wahlentscheidung aufgrund von aluhütigen Facebookposts oder Breitbart anstatt der Berichterstattung der New York Times trifft, darf ich mit Fug und Recht dumm nennen. Und bösartig noch dazu. Ich will jetzt gar nicht die ganzen Gründe aufzählen, warum Ms. Clinton die bessere Kandidatin gewesen wäre, das haben tausend Leitartikel vor der Wahl schon erledigt. Ich will nur einen Punkt herausgreifen: Der Ku Klux Klan unterstützte Donald Trump. Der verfickte Ku Klux Klan! Jede*r, der*die Trump wählte, nickte damit ab, dass es völlig in Ordnung ist, dass Schwarze als Menschen zweiter Klasse gelten. Er oder sie nickte außerdem ab, dass Frauen bestraft werden, wenn sie abtreiben oder dass Homosexuelle nicht die gleichen Rechte haben sollen wie Heteros. Das sind nicht nur dumme Positionen, das sind bösartige. Jemanden zu wählen, der offen zugibt, dass er möchte, dass es einigen Menschen aufgrund ihrer Hautfarbe, ihrer sexuellen Orientierung oder eine Notsituation schlechter geht, ist bösartig. Dafür habe ich keinerlei Verständnis und ich habe auch keine Lust mehr auf einen Kuschelkurs den Arschlöchern gegenüber. Ich will kein Verständnis aufbringen für Annahmen wie „Die bösen Flüchtlinge nehmen uns alles weg“, ich will nicht mit Leuten diskutieren, die „Lügenpresse“ schreien. Ich bin verdammt noch mal so kurz davor, im nächsten Jahr Angela Merkel zu wählen, weil ich ihr „Wir schaffen das“ als den einzig richtigen, vernünftigen, anständigen Ansatz sehe, um den Arschlöchern Nährboden zu entziehen.
Es mag nicht nett sein, Menschen dumm zu nennen. Es ist in manchen Fällen aber auch nicht falsch. Leider geht die Wut davon auch nicht weg.