Tagebuch, Sonntag, 13. November 2016 – Hilflosigkeit
Hätte ich jetzt auch nicht gedacht, aber mein Menschenrechtskurs ist ein kleiner Leuchtturm in der dunklen Suppe der US-Nachrichten geworden. Ich verbrachte den gestrigen Tag hauptsächlich am Schreibtisch, um weiter an meinem Referat über Amnesty International zu arbeiten, was genauer heißt: Ich habe darüber gelesen, dass die Menschheit sich immerhin schon mal Gedanken darum gemacht hat, wie es uns besser gehen könnte, indem wir uns für andere, Schwächere einsetzen, auf unveräußerliche Rechte pochen und sie inzwischen sogar einklagen können. Zwischendurch konnte ich es natürlich nicht lassen, ins Internet zu gucken, wo immer neue Artikel auftauchten, die meine Laune schlagartig schlechter werden ließen.
In den letzten Tagen hatte ich eine sehr zweigeteilte Twitter-Timeline. Die eine Hälfte meinte, man solle sich doch nicht so viele Sorgen machen, nichts werde so heiß gegessen usw., vielleicht macht das Amt aus Trump ja doch noch einen netten Kerl. Die andere Hälfte verhielt sich so wie ich: langsam in Panik geraten. Gestern wurde leider eher die zweite Hälfte bestätigt: Zunächst quasselte Trump in seinem ersten Fernsehinterview nach der Wahl davon, drei Millionen unregistrierter Immigrant*innen aus dem Land zu jagen, was natürlich wieder trumpiger Quatsch ist, weil es gar nicht so viele von ihnen gibt; die Washington Post nennt die Zahl von knapp zwei Millionen, von denen viele aber auch rechtmäßig in den USA sind. Aber Trump scheint es mit der Wahrheit nach der Wahl genauso wenig genau zu nehmen wie vorher. Das lässt mich nicht unbedingt hoffen.
Abends wurde mir dann richtig schlecht, denn er ernannte Steve Bannon zum politschen Chefstrategen seiner Regierung. Diesen Steve Bannon:
„Mr. Bannon’s selection demonstrated the power of grass-roots activists who backed Mr. Trump’s candidacy. Some of them have long traded in the conspiracy theories and sometimes racist messages of Breitbart News, the website that Mr. Bannon ran for much of the past decade.
The site has accused President Obama of “importing more hating Muslims”; compared Planned Parenthood’s work to the Holocaust; called the conservative commentator Bill Kristol a “renegade Jew”; and advised female victims of online harassment to “just log off” and stop “screwing up the internet for men,” illustrating that point with a picture of a crying child.“
Die New York Times meint, es gebe eigentlich nur noch eine Person, die sich als Bollwerk gegen rechts stellt, und das sei ausgerechnet Angela Merkel:
„Germany’s chancellor, Angela Merkel, has emerged as the last powerful defender of Europe and the trans-Atlantic alliance after the election of Donald J. Trump. But after 11 years in power, she is tired, her associates say, and under siege seemingly from all directions.
She is under pressure from the same forces that elevated Mr. Trump in America, fueled Britain’s vote to exit the European Union and are now propelling the populist Marine Le Pen in France. At home, the hard-right Alternative for Germany party has scored a string of victories in state elections.
Ms. Merkel needs to fend off a resurgent Russia that is promoting its brand of illiberal democracy by backing right-wing parties throughout the Continent and fanning the flames of populism. But with Mr. Trump openly admiring Russia’s president, Vladimir V. Putin, even maintaining economic sanctions imposed on Moscow over conflicts in Crimea and Ukraine will be a challenge.
“Never before has so much ridden on the Germans,” said Simon Tilford, the deputy director of the Center for European Reform in London. “We’re very fortunate that Germany is led now by Merkel, because there is a chance she will step up and do what Europe needs her to do.”“
Diese rechte Scheiße macht mir Angst. Mehr als ich dachte.
So mulmig war mir zuletzt in den 80ern, als wir gegen Atomraketen demonstrierten und keine Pilze mehr essen durften, verdammt.
— ankegroener (@ankegroener) 13. November 2016