Was schön war, Dienstag/Mittwoch, 15./16. November 2016 – Trüffelschweinchen
Am Dienstag fuhr ich ins Heimatmuseum Bad Aibling. Leo von Weldens Atelier in München wurde im Oktober 1943 von einer Bombe getroffen, woraufhin er und seine Familie nach Bad Aibling umgesiedelt wurden. 1952 zog er dann nach Bad Feilnbach weiter. In dieser Zeit war er an der (Neu-)Gründung der dortigen Kunstvereine beteiligt, genau wie an dem in Rosenheim. Was mich in diesem Semester interessiert: Wie ging es nach 1945 für ihn weiter? Wo und was hat er ausgestellt, wenn überhaupt, und dafür sind Kunstvereine natürlich eine dankbare Adresse.
Im Heimatmuseum versorgte mich ein freundlicher Herr des historischen Vereins neben vielen mündlichen Anekdoten, die ich mir gerne anhörte, mit mehreren Mappen voller Zeitungsausschnitte und Korrespondenz. Nicht ganz so viel wie ich gehofft hatte, aber: Ich fand allen Ernstes in Bad Aibling den Zeitungsausschnitt aus Stuttgart über eine Ausstellung ebenda, den ich in der Stabi in München ergebnislos gesucht hatte. Außerdem kenne ich jetzt noch mehr Ausstellungen in München von vor 1945 von ihm, was mich zwar wieder ärgert, weil meine Hausarbeit nicht vollständig war, aber gleichzeitig bestätigt, weil ich richtg geschlussfolgert hatte: Der Mann hat durchgehend gearbeitet und ausgestellt und wurde in der Presse freundlich besprochen. Wobei es während der NS-Zeit, ich glaube ab 1935, aber nagelt mich darauf nicht fest, keine wirkliche Kunstkritik mehr gab, sondern nur noch eine Kunstberichterstattung, die das Positive an der Kunst vermittelt sollte und keine ernsthafte Auseinandersetzung mehr war.
Was ich spannend fand: In Bad Aibling wurde bereits 1946 wieder Kunst ausgestellt – aber natürlich eher die Maler, die vorher auch schon präsent waren. Noch bin ich auf keine*n Moderne*n gestoßen, aber das bestätigt das Narrativ, das wir in unserem Kurs belegen wollen: dass es eben keine Stunde Null gab, sondern im Kunstbereich eher erstmal so weitergemacht wurde wie vorher.
Außerdem fand ich einen Zeitungssauschnitt von 1950, in dem ein Zeichenkurs von Weldens angekündigt wurde: Für ein halbes Jahr lang konnte man sich von ihm das Handwerk beibringen lassen, für jeweils 30 Pfennig pro Abend. Ich bin immer dankbar, wenn ich irgendwo Zahlen finde, denn dadurch kann ich die Preise seiner Bilder besser einschätzen, die ich aus der Galerie Rosenheim und dem Lenbachhaus München habe. Zum Vergleich: Für eine Mappe mit sechs von Weldens Federzeichnungen, die zu den ersten Ankäufen der Galerie nach dem Krieg gehörte, zahlte die Galerie 1948 150 DM. 1944 wurde für fünf seiner Werke (meist Öl) noch jeweils 1200 RM gezahlt. Zum Vergleich: In der hochpreisigen Großen Deutschen Kunstausstellung war sein günstigstes Bild für 1600 RM verkauft worden. Ein Facharbeiter verdiente zu der Zeit ungefähr 2400 RM – im Jahr. Wie die Löhne um 1950 aussehen, muss ich noch recherchieren.
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Auf der Zugrückfahrt blickt ich kurz von meinem Buch hoch und sah: Berge. Und wie immer, wenn ich Berge sehe, denke ich genau das: „Oh, Berge!“ Manchmal vergesse ich, dass ich nicht mehr in Norddeutschland wohne. Ich bin stets beeindruckt von diesen souverän rumstehenden Klötzen, die für mich immer noch überraschend plötzlich in meinem Blickfeld auftauchen. Das ist immer so ein bittersüßes Mittelding zwischen „Ich habe mich verändert“ und „Aber ich weiß noch nicht, wohin“.
Gestern saß ich den ganzen Tag am Schreibtisch. Ich hätte auch in die Bibliothek fahren können, aber draußen regnete es so vor sich hin, ich hatte Tee und Kekse und noch tausend Aufsätze zu Amnesty International, und so saß ich da halt und las und lernte und merkte, wie ich immer ruhiger wurde, was nach den letzten angespannten Tagen durch die US-Wahl sehr schön war.