Kill Bill: Vol. 1

Kill Bill: Vol. 1
(USA, 2003)

Darsteller: Uma Thurman, Lucy Liu, Vivica A. Fox, Daryl Hannah, Michael Madsen, David Carradine, Sonny Chiba, Julie Dreyfus
Musik: RZA
Kamera: Robert Richardson
Drehbuch: Quentin Tarantino
Regie: Quentin Tarantino

Was ich an Filmen von Quentin Tarantino schätze, ist sein Gespür für Dramatik und Musik. Er hat es bis jetzt in jedem seine Filme, auch in denen, die ich nicht so mochte, geschafft, mir Szenen zu zeigen, die ich so noch nie gesehen habe. Er schert sich einen Dreck um zeitliche Logik und schafft lieber eine eigene, spannende Dramatik. Und er nutzt Soundtracks, die aus einem interessanten Film einen ganz persönlichen machen. Das ist in Kill Bill nicht anders, und deswegen hat mir der Film auch gefallen. Aber es war eher ein Gefühl von Respekt als von Begeisterung, mit dem ich aus dem Kino kam.

Die Story von Kill Bill ist, wie in allen Tarantino-Filmen, eher Nebensache und kann auch in wenigen Sätzen zusammengefasst werden: Uma Thurman spielt eine namenlose Braut, die am Tag ihrer Hochzeit samt Ehemann und Pfarrer niedergeschossen wird. Sie überlebt den Anschlag, liegt vier Jahre im Koma, wacht auf und startet einen Rachefeldzug gegen ihre damaligen Angreifer. So weit, so egal, denn das Interessante an Tarantinos Werken ist eher die Erzählweise als der Inhalt.

In Kill Bill lässt Tarantino uns über weite Strecken an seiner Faszination für das Hongkong-Kino teilhaben: mit furiosen Schwertkämpfen, traditionellen Kostümen und klassischen Sets wie Teehäusern und japanischen Gärten. Das ganze mischt er mit Bildern des modernen Japan und seiner Nachtgestalten und legt den üblichen 60er-Jahre-Soundtrack darüber. Gleichzeitig feiert er den guten, alten Spaghetti-Western, indem er die Szenen, die in Amerika spielen, eher mit Italo-Klängen untermalt. In beiden Welten geht es aber nur um das eine: um Rache. Und die ist verdammt blutig.

Vor allem die Szenen in Japan, in denen Thurman mit einem Samurai-Schwert Dutzende von Angreifern auf jede nur erdenkliche Weise abschlachtet, sind ein einziges Fest für die Kunstblutfraktion. Es spritzt aus sämtlichen Körperöffnungen oder großzügig geschlagenen Fleischwunden, dass es eine Freude ist. Wenn man auf die völlig überzogene Darstellung von Hinrichtungen steht. Ich fand es schon beim ersten Hieb eher nervig, und beim dreihundertsten nur noch doof. Ich gestehe der großen und für mein Empfinden nicht enden wollenden Kampfszene eine ausgeklügelte Choreografie zu, aber das war’s dann auch.

Ich persönlich hatte viel mehr Spaß am spöttisch-beherrschten Lächeln von Lucy Liu, die bis zum Schluss glaubt, gewinnen zu können. Jedes Zucken ihres Mundwinkels war für mich eine Großaufnahme wert, während ich auf die Close-ups von abgehackten Füßen auch locker hätte verzichten können. Und zwar nicht, weil es eklig war – da war das abgeschnittene Ohr in Reservoir Dogs um einiges härter –, sondern weil es einfach überflüssig war. Das Comichafte gehört sicher zum typischen Hongkong-Filmchen, aber wenn das ganze nur ein Zitat bzw. eine Hommage sein soll, muss man das Gemetzel doch nicht auf ewig ausdehnen. Denn im Gegensatz zu diesen Szenen sind die anderen Teile des Films, in denen ähnlich viel Blut fließt, straffer inszeniert und kommen einem nicht so ausgewalzt vor.

Wirklich beeindruckt hat mich an Kill Bill die animierte Sequenz – wobei die sicher nicht nur eine Verbeugung vor den Animes ist. Als Realfilm hätte sie nämlich auch den hartgesottensten Kinogänger in die Flucht geschlagen. Ein kleines Mädchen muss den Yakuza-Mord an ihren Eltern aus ihrem Versteckt unter dem Bett mit ansehen. Die Mutter stirbt ausgerechnet auf diesem Bett, und so regnen Tropfen von Blut in Zeitlupe auf das Mädchen nieder. Als Anime Poesie, als Realfilm ein Grund, aus dem Kino zu gehen.

Komischerweise war diese Sequenz die einzige im ganzen Film, die mich berührt hat, weil ausgerechnet sie als einzige nicht wie ein Comic gewirkt hat, sondern echt und gefühlvoll. Sämtliche Charaktere sind, genau wie die Handlung, simpelste Schablonen, die einfach einen Zweck zu erfüllen haben: Die Braut ist die Gute, alle anderen sind die Bösen. So einfach ist das. Jede Geste, jede Kameraeinstellung zeigt uns die Unschuld und die moralische Verpflichtung der Braut, in ihren ganz persönlichen heiligen Krieg zu ziehen. Aber genau dadurch wirkt diese Figur nur noch plakativ und nicht mehr menschlich. Dem kleinen Comic-Mädchen, das weinend unter dem Bett liegt, entfährt ein gezeichnetes „Whimper“, als sie ihre Eltern sterben sieht. Diese eine geschriebene Wort hat mehr Eindruck bei mir hinterlassen als die großen, blauen, mit Tränen gefüllten, weit aufgerissenen Augen von Uma Thurman auf ihrem Rachefeldzug.

Trotzdem macht Thurman ihre Sache sehr gut: Sie schwankt in ihrer Mimik gekonnt zwischen Blutgier und Respekt vor ihren Gegnern, und man sieht ihr in jedem Gefecht den Schmerz über ihre verlorenen vier Jahre an – und den über ihr ungeborenes Kind, denn am Tag ihrer Hochzeit war sie schwanger. Nichtsdestotrotz ist sie im Kern genauso unbarmherzig wie ihre Feinde. Eine ihrer Gegnerinnen, die sie gleich zu Beginn des Films eliminiert, gesteht ihr, sie könne den Wunsch nach Rache zwar verstehen, aber sie sei heute ein anderer Mensch als damals. Das ist der Braut allerdings ziemlich egal. Sie erledigt sie, genauso, wie sie die anderen erledigen wird.

Und das ist der Punkt, der mich an Kill Bill gestört hat: Er wirft mit hehren Schlagworten wie Loyalität und Ehre nur so um sich, aber wenn er die Chance hat, über sich hinauszuwachsen und zu verzeihen, drückt er stattdessen lieber auf den Abzug oder zückt ein Schwert – einfach, weil es cooler aussieht. Kill Bill ist ein unmoralischer, ein seelenloser Film. Er reißt Themen wie Vergewaltigung und Pädophilie an, indem er sie als Vorlage für dämliche Witze benutzt, und er stellt Gewalt als etwas Ästhetisches oder wahnsinnig Komisches dar.

Ich bin mir einfach nicht sicher, was ich aus diesem Film mitnehmen soll. Er hat mich auf eine sehr seltsame Art unterhalten, denn normalerweise finde ich unnötige Gewaltdarstellungen nicht lustig, sondern verwerflich, vor allem, wenn sie so zelebriert werden wie bei Tarantino. Trotzdem kann man seinen Blick schwer abwenden, weil er es wieder einmal geschafft hat, mir Bilder vorzusetzen, die ich so noch nie gesehen habe. Und das ist schließlich der Grund, warum ich ins Kino gehe. Insofern ist mein Fazit: Soundtrack kaufen und bis Februar warten, um den zweiten Teil zu gucken. Aber wirklich freuen tue ich mich nicht darauf.

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