Was schön war, Montag, 9. Januar 2017 – Feedback und Ausblick
Gestern hielt ich mein zweites Referat über Leo von Welden, netterweise nicht in einem Seminarraum in München, sondern im Depot der Galerie Rosenheim, wo sich über 80 Werke des Herrn befinden. Ich hatte diese Werke im Dezember endlich gesichtet, denn mein Schwerpunkt in diesem Semester liegt eher in der Nachkriegszeit, und aus dieser Zeit stammen die meisten Exponate. Die össelige Studienordnung im BA/MA besagt, dass du dich nicht mit dem gleichen Thema zweimal auseinandersetzen darfst, außer du findest einen neuen Zugang. So beschränkte ich mich im letzten Semester auf die Zeit zwischen 1933 und 45 und erkundete das Betriebssytem NS-Kunst in Bezug auf von Welden. In diesem Semester nähere ich mich dem Mann nicht mehr ganz so historisch, sondern stilistisch: Jetzt habe ich endlich Platz, mich am sogenannten expressiven Realismus abzuarbeiten, dem von Welden von einigen Kunsthistoriker*innen zugerechnet wird und den ich für völligen Quatsch halte.
So begann ich das Referat mit einem winzigen Forschungsüberblick und erläuterte dann das Konzept des expressiven Realismus, das von Rainer Zimmermann begründet wurde (und von zum Beispiel Uwe Schneede gnadenlos verrissen wurde). Anschließend hangelte ich mich an von Weldens Biografie entlang und zeigte eine Radierung aus den 1920ern, ein Ölbild aus den 30ern, das mir nur als Foto vorlag, das aber leider meine im letzten Semester aufgestellte Theorie ruinierte, dass von Welden nur für die GDK ideologische Kunst produziert hätte, denn es zeigt einen Mann in Wehrmachtsuniform. Wobei gestern der unser Seminar begleitende Doktorand meinte, er könnte dieses Bild ja auch für die GDK angefertigt haben, wo es nicht angenommen wurde, weswegen es in den Katalogen nicht auftaucht. Da ich 1944 drei Einreichungen von Weldens in den Büchern des Hauses der (deutschen) Kunst gefunden hatte, die aber abgelehnt und deswegen nicht näher bezeichnet wurden, ist das eine Möglichkeit. Ich würde das Soldatenbild eher auf Anfang der 40er datieren, aber auch das spricht natürlich nicht dagegen, dass er es 1944 noch eingereicht hat. Muss ich weiter drüber nachdenken.
Abschließend sprach ich über die ersten Werke von Weldens, die in Rosenheim 1944 zu exorbitanten Preisen angekauft wurden, zeigte dann die erste Nachkriegserwerbung der Galerie aus dem Jahr 1948, die auch aus zwei Werken von Weldens bestand und verwies auf sein weiteres Spätwerk aus den 50ern und 60ern, in dem der Mann endlich Farbe und Expressivität entdeckte anstatt weiterhin braunbeige und altmeisterlich zu malen.
Der Dozent meinte danach, er habe sich beim Konzept des expressiven Realismus schon immer unwohl gefühlt, hätte aber nie gewusst warum – jetzt wüsste er das. Das habe ich mal als kleinen Ritterschlag mit bescheiden gesenkten Lidern (und einer innerlichen Beckerfaust) hingenommen.
Auf der Rückfahrt nach München saß mein Dozent neben mir im Zug und ich dachte, ach, sparste dir den Gang in die Sprechstunde und fragst ihn gleich nach Feedback bzw. ob das okay sei, den Aufbau der Hausarbeit ans Referat anzulehnen, was natürlich bejaht wurde. Und weil wir gerade so schön am Plaudern waren, fragte ich gleich hinterher, ob ich seiner Meinung nach über von Welden promovieren sollte – also ob es sich lohnt, noch drei weitere Jahre mit dem Mann zuzubringen. Ich erwähnte auch, dass ich von Weldens Leben spannender fände als seine Werke, was der Dozent ähnlich sah und erwartungsgemäß meinte, wenn man so lange Zeit an einem Thema klebt, dass müsste einem das schon sehr großen Spaß machen. Oder, auch das käme vor, man hasse eine*n Künstler*in so dermaßen, dass man sich so lange an ihm oder ihr abarbeiten möchte, aber das würde er mir nicht empfehlen. Wäre von Welden eventuell ein Masterthema? Woraufhin ich ihm meine MA-Arbeit erläuterte und scherzhaft meinte, dass ich es schade finde, dass man diese beiden Themen nicht unter einen Hut kriegt, weil mir an beiden so viel liegt (NS-Kunst, Kunst der jungen Bundesrepublik, Verdrängung, Auseinandersetzung etc.). Und dann sagte der schlaueste Mann der Welt: „Die beiden Themen kann man ganz wunderbar miteinander verbinden, zum Beispiel …“ und die weiteren Sätze behalte ich jetzt für mich, aber als er fertig war, fiel mir als einzige Reaktion nur „Whoa“ ein. Und genau das sagte ich dann auch zu dem Mann, der mir irgendwann mal einen Doktorhut aufsetzen soll: „Whoa.“ Woraufhin er lachen musste und meinte: „So sollte eine Reaktion auf ein Dissthema immer klingen.“
Gut. Ich habe dann jetzt ein Thema, das meine Interessen verbindet, ihnen noch eine weitere, äußerst spannende Ebene verleiht und zu dem ich noch ein paar Dinge rausfinden soll, um es sinnvoll zu ergänzen. Aber es klingt, auch nach einer Nacht Drüberschlafen, nach einem großen Wurf, historisch, kunsthistorisch, psychologisch und soziologisch. Daran werde ich schön zu knabbern haben und ich wollte gleich gestern damit anfangen.