Was schön war, Montag, 17. April 2017 – Reste

Tiramisu und Kartoffelgratin vertilgt, Reste vom Lamm F. überlassen. Ein paar Folgen Deep Space Nine geguckt. Einen Liter Kaffee getrunken. Fragen von Tanja Praske beantwortet, die in einem der nächsten Montagsinterviews veröffentlicht werden. Die werden in den nächsten Tagen noch zehnmal redigiert, wie immer. Am späten Nachmittag ans Referat über Lüpertz und Kiefer gesetzt und bis gegen 21.30 Uhr gearbeitet. Noch einen Klecks Tiramisu genossen. Ein schöner, ruhiger Tag mit viel Regen vor dem Fenster, was schöne, ruhige Tage noch schöner macht.

Ordinary People

Clare Pettitt über zwei Biografien, eine über eine unbekannte Tagebuchschreiberin, eine über Joe Gould und die Unmöglichkeit, ein Leben zu erfassen. Ich lese seit Jahrzehnten gerne Biografien und habe auch meine Übung in Geschichte zum Thema historische Biografien sehr gemocht. Außerdem meckert im Hinterkopf immer noch die Idee mit der von-Welden-Biografie rum, aber die muss erstmal warten. Jedenfalls lese ich gerne Sekundärtexte zum biografischen Schreiben.

„Both these delicately written books reflect on the contradictions and risks of their own biographical practice. They think about the ways that fiction, biography, and history are not distinct genres. “There is something very appealing about this constant failure of biography,” says Masters, reflecting on everything he has got wrong and mis-imagined about the true identity of Not-Mary. “Wouldn’t all biographies be better if they gave up trying to fix the person they’re writing about, and confined themselves to his glints and reflections,” he asks, putting one in mind of Woolf’s own experiment in indirect biography, Jacob’s Room. It is impossible to sum up, as Gould suggested one could, “the whole story of man.” Or woman. But summing up is not the point. Masters understands that “the only moment that ever matters to [the diarist, Not-Mary]” is “Now,” the evanescent present moment. Gould’s dream of contemporary history is equally made up of fleeting fragments of overheard conversations in bars and on trains. Both these books ultimately document what Woolf described in Mrs. Dalloway: the curious way that life has, however pointlessly, however painfully, “of adding day to day.”

Seriously, this Guy Has a Point

Eine gute Auseinandersetzung mit Appropriation Art durch Fearless Girl, die nicht mal Kunst ist, sondern Werbung. (Via @mspro)

„It’s all about the bull. If it were placed anywhere else, Fearless Girl would still be a very fine statue — but without facing Charging Bull the Fearless Girl has nothing to be fearless to. Or about. Whatever. Fearless Girl, without Di Modica’s bull, without the context provided by the bull, becomes Really Confident Girl.

Fearless Girl also changes the meaning of Charging Bull. Instead of being a symbol of “the strength and power of the American people” as Di Modica intended, it’s now seen as an aggressive threat to women and girls — a symbol of patriarchal oppression.

In effect, Fearless Girl has appropriated the strength and power of Charging Bull. Of course Di Modica is outraged by that. A global investment firm has used a global advertising firm to create a faux work of guerrilla art to subvert and change the meaning of his actual work of guerrilla art. That would piss off any artist.“

Dazu gibt es natürlich auch sehr knapp formulierte Gegenmeinungen, der ich insofern zustimmen würde, dass wir mehr öffentliche, sichtbare Vorbilder für selbstbewusste, herausfordernde Frauen brauchen. Ich weiß nur nicht, ob ausgerechnet Fearless Girl das richtige Vorbild ist – angefangen beim Wort girl.

Verstörung

Carolin Emcke schreibt über die blitzschnelle Neuansetzung des Champions-League-Spiels zwischen Dortmund und Monaco und warum das Beharren darauf, Stärke zu zeigen, nicht immer sinnvoll ist.

„In diesem Sinne wiederholten auch die Stimmen nach dem Anschlag von Dortmund umgehend die autosuggestive Losung: Die Erlebnisse könnten die Betroffenen “wegstecken”. Es müsse ein “Zeichen” gesetzt, die “Demokratie und freiheitliche Grundordnung gestärkt” werden, niemand dürfe sich “einschüchtern lassen” – dann hätten “die Terroristen schon gewonnen”. Der Aufruf zur Normalität im Angesicht der Anomalie ist ein fragwürdiger Reflex, in dem als Verteidigung demokratischer Werte ausgegeben wird, was früher einmal Taktlosigkeit geheißen hätte.

Es ist eines, wenn Menschen, die verschont wurden, der Angst und dem Schock widerstehen können, oder wenn direkt Betroffene sich selbst eine Form von Normalität und Vertrauen (zurück-)erobern wollen. Etwas ganz anderes ist es, wenn Normalität und Vertrauen im Angesicht von Terror von oben herab angeordnet werden. Diese ritualisierte Pflicht zur Kontinuität meint, den Schmerz der Opfer, der einer Gewalterfahrung folgt, einfach überspringen zu können. Die Spieler von Borussia Dortmund wurden nicht nur zum Spielen genötigt – 24 Stunden nach dem Anschlag auf ihr Leben. Der eilige Auftrag zum Weitermachen wurde auch noch aufgeladen mit simulierter Moral. So als sei individuelle oder kollektive Trauer eine undemokratische Verweigerungshaltung. Als sei unprofessionell, wer innehalten, reflektieren oder auch nur schockiert sein will. Als sei ethisch verantwortungslos, wem der Schreck über die Wucht der Detonationen anzumerken war. Wer von den Spielern hatte da noch eine Wahl? Wer war da frei zu sagen: Ich kann oder will nicht?

Es war ein gespenstisches Spektakel: Um unbedingte Normalität zu behaupten, wurde ausgerechnet den Opfern aufgebürdet, ihre schreckliche Erfahrung zu verleugnen.“