Was schön war, Sonntag, 14. Mai 2017 – Einleitung

Vormittags Der goldene Handschuh ausgelesen. Ich weiß immer noch nicht, was ich vom Buch halten soll außer dass ich mir nicht wünsche, dass es irgendwer lesen muss. Mich hat die schonungslose Sprache beeindruckt, aber gleichzeitig mehr als verschreckt. Das Milieu kam mir sehr genau beobachtet vor – das kann ich aber glücklicherweise nicht beurteilen –, die Gewaltfantasien waren mir manchmal zu detailliert, so dass ich nicht wusste, ob sich da der Autor kurz selbst an seinen Formulierungen berauscht. Das mag aber meine persönliche Abneigung gegen derartige Schilderungen und auch der Tatsache geschuldet sein, dass ich schlicht nicht mehr lesen will, wie ein männlicher Autor seine männlichen Figuren sich Dinge überlegen lässt, die sie in all ihrer Widerwärtigkeit an Frauen ausprobieren könnten. Reicht jetzt. Ein eher unangenehmes Leseerlebnis, aber wieder ein Buch, das ich nicht weglegen wollte.

(Perlentaucher-Kritiken.)

Nachmittags am Schreibtisch gesessen, auch um dem schmutzigen Sumpf im Kopf zu entfliehen, in den Strunk mich geschickt hatte. Jetzt schön wieder über die Nazis lesen, yay! (Sorry.)

Bis zum frühen Abend hatte ich den First Draft der Einleitung für meine Masterarbeit fertig. Ich beginne mit der sich ändernden Rezeption von Anselm Kiefer und Markus Lüpertz, denen in den 1970er Jahren unterstellt wurde, blöde Faschos zu sein, weil sie sich NS-Ikonografie bedienten. 40 Jahre später ist sich die Kunstgeschichte dann plötzlich einig, dass das eine clevere Auseinandersetzung mit der nicht-bewältigten NS-Vergangenheit in der Bundesrepublik ist. Ich beschreibe diese Nichtbewältigung, indem ich die verschiedenen Phasen aufzeige, in denen in der BRD über die NS-Zeit gesprochen und verhandelt wurde und zeige die Unterschiede der Phasen auf.

Es beginnt mit der persönlichen Auseinandersetzung z.B. durch Entnazifizierungsverfahren, was dann vor allem in den 1950er Jahren in ein kollektives Beschweigen übergeht (wir haben alle Dreck am Stecken, aber jetzt muss ein neuer Staat aufgebaut werden, also lasst uns mal ne Pause machen und Gesetze erlassen, dass NS-Beamte Rente kriegen (1951) und man die alten Orden wieder tragen darf (1957)). Für dieses Beschweigen fand ich in einem (umstrittenen) Aufsatz den Ausdruck der „nicht-symmetrischen Diskretion“, der aussagen soll, dass Täter und Opfer sich mal kurz miteinander arrangierten, um ein neues Land aufzubauen; diese Formulierung empfinde ich als überaus zynisch und hatte daher viel Spaß mit einer dementsprechenden Fußnote. In den 1960er Jahren begann dann wieder eine Auseinandersetzung (Eichmann-Prozess, Frankfurter Auschwitzprozesse, sehr verkürzt ausgedrückt: die 1968er), weil die erste Generation, die die NS-Zeit nicht selbst miterlebt hatte, sich unbefangener mit dem Thema – und der eigenen Elterngeneration – auseinandersetzen konnte und wollte.

Mit dieser Zeit beendete ich die Chronologie, denn das ist die Zeit, in der Kiefer und Lüpertz ihre Werke schaffen, auf die ich in der Arbeit eingehen werde. Ich formulierte einen Forschungsstand für Kiefer in Stichworten (an den muss ich heute noch mal im ZI ran, wo die ganzen alten Kataloge stehen) und einen ausführlichen für Lüpertz; für ihn hatte ich mir genug in der Stoffsammlung notiert.

Abends mit F. Spaghetti Carbonara und einen netten Rotwein genossen. Gemeinsam die neue Folge Masterchef Australia geguckt, aber ich glaube, ich konnte den Mann nicht anfixen.