Auch wer den Spiegel sonst nicht leiden kann – die Titelgeschichte dieser Woche über den Film Baader-Meinhof-Komplex von Dirk Kurbjuweit ist sehr lesenswert. Er beschreibt die Beweggründe von Produzent Bernd Eichinger und Regisseur Uli Edel, ausgerechnet einen Film über die RAF zu drehen, warum mal wieder die Täter im Mittelpunkt stehen und nicht die Opfer, aber auch, wie anders dieser Film sich den Protagonisten nähert.

Außerdem erfahren wir die verschiedenen Ansätze der Schauspieler, sich ihren Rollen zu nähern. Martina Gedeck als Ulrike Meinhof beschreibt, wie sie Meinhofs Texte studiert und Tonbänder mit ihrer Stimme gehört hat, bis sie irgendwann selbst anfing, wie „die Meinhof“ zu argumentieren. Nadja Uhl als Brigitte Mohnhaupt hat einen anderen Weg gewählt, auf dessen Umsetzung ich schon sehr gespannt bin:

„(…) Nadja Uhl will das Leben von Brigitte Mohnhaupt nicht in seiner Ganzheit ergründen, will nicht nach Worten und Ideen schauen. Sie kümmert sich um das, was sie für wesentlich hält an dieser Frau: die Taten. „Ich muss versuchen, das Töten zu verstehen“, hat sie sich gesagt.

Ihr ist bange. Liebe, Pazifismus, das sind die Prinzipien ihres Lebens. Nun soll sie das Gegenteil davon in sich finden. „Wir reden von Menschen, die aus tiefster Überzeung handeln, dafür Morde begehen und sie legitimieren“, sagt sie. „Das zu erkunden ist eine Art Grenzgängertum.“ Sie fragt sich, wie sie ein Gleichgewicht finden kann, wenn sie nun „diese zerstörerische Kraft“ in sich aufnimmt. Die Antwort ist ihr Kind. Sie ist gerade Mutter geworden, es geht ihr gut. Sie nimmt die Rolle an.

Nadja Uhl erinnert sich an ein Buch, das sie mal gelesen hat: Täter von dem Sozialpsychologen Harald Welzer. Es geht viel um die Täter von Holocaust und Weltkrieg, aber es sind kaum Frauen dabei. Nadja Uhl will in dieser Rolle ganz Frau bleiben, weiblich sein. Sie denkt an die Geburt, „diesen martialischen Moment des Lebengebens“. Vielleicht könne sie mit „derselben Kraft auch Leben nehmen“.

Marianne Bachmeier, die Frau, die den Mörder ihres Kindes erschoss, ist der nächste Schlüssel zu ihrer Rolle. Das ist eine Begründung für das Töten, die Uhl nachvollziehen kann. So hat sie das Töten in sich gefunden, und dann hat sie es von der Begründung gelöst, nur noch den Willen und die Kraft zum Töten mit in die Rolle genommen.

Bald steht sie im Wohnzimmer Jürgen Pontos, und sie schießt ihm aus kurzer Distanz in den Kopf, und ihre Augen sind so kalt, und abends füttert sie ihr Baby. Es ist nicht ganz leicht, das Gleichgewicht zu finden, aber es geht schon, und dann verpflichtet sie die ganze Bande darauf, beim Ãœberfall auf Schleyer niemanden zu schonen, auch den unbewaffneten Fahrer nicht, und so kommt der Film langsam in eine Balance. Mit Nadja Uhl hält das schiere Töten Einzug, der Blutrausch, der sich von den Begründungen entkoppelt. (…)“