Was schön war, Mittwoch, 8. November 2017 – Stabi

Am Vormittag ließ ich mich mit dem Bus in die Stabi chauffieren. Dort ging ich zunächst in den Lesesaal für Alte Handschriften, den ich nicht so gern mag, weil ich in ihm nie eine Steckdose finde. Das macht mich bei längeren Sitzungen immer nervös, dass mein Macbook sich irgendwann verabschiedet, weil der Akku nicht mehr so irre lang hält. Aber manches kriegt man eben nur in diesen Lesesaal, so wie ich gestern diverse Ausgaben von Westermanns Monatsheften, in denen ich mir Abbildungen von einem Maler anschauen wollte, der zur NS-Zeit dort veröffentlichte. Ich blätterte durch die Jahrgänge 1935 bis 1939, fand spannende Bilder und noch spannendere Texte, die so gar nicht in die Zeit passen wollten. Ich lasse die Details hier mal sein, aber ich tippte recht viel in mein Stoffsammlungsdokument.

Nach zwei Stunden gab ich die Zeitschriften zurück und ging in den Allgemeinen Lesesaal. Dort stellte ich fest, dass man seine Bücher nicht mehr vom Regal zur Ausleihe tragen musste, damit sie dort verbucht werden, sondern sie liegen schon verbucht – mit rotem Stempel und Rückgabedatum – im Regal; man kann sie gleich an seinen Arbeitsplatz tragen. Wieder ein menschlicher Kontakt weniger, aber eigentlich sehr sinnvoll.

Ich hatte mir drei Kataloge zurücklegen lassen, von denen ich zwei nicht im ZI gefunden hatte. Die las ich genauso interessiert durch wie eben die Quelltexte – und stellte bei einer Autorin eine äußerst auffällige Textgleichheit fest. Schatz, wenn du schon Textinhalte übernimmst, die dir offensichtlich peinlich sind, weil sie 1935 entstanden sind, dann stell die Sätze doch wenigstens so um, dass man es nicht sofort merkt. Ich rollte mit den Augen und wollte ernsthaft das entsprechende Emoji in mein Dokument einfügen, bis mir einfiel, das Word keine Emojis verarbeiten kann.

Nach weiteren zwei Stunden legte ich die Kataloge zufrieden wieder in mein Regalfach und holte mir im Erdgeschoss noch ein letztes Buch von der Ausleihe, das ich mit nach Hause nehmen darf. (Immerhin eins.)

Das war eine sehr ertragreiche Sitzung. Ich befinde mich noch komplett am Anfang meines Rumlesens – ich habe eine Ahnung, wohin ich will, aber momentan sammele ich erstmal alles, was mir auffällt. Einer meiner Lieblingstweets stammt von @fischblog, ich zitiere: „Ich hab mal geschrieben, wenn man beim Recherchieren nicht ein, zwei mal seine Ansicht ändert, recherchiert man möglicherweise schlecht.“ Das geht in die gleiche Richtung wie die Aussage einer der Dozenten von F.: „If you know what you’re doing more than half of the time, it’s not research.“ (Dazu schrieb ich mal etwas ausführlicher.)

Ich erinnere mich, wie es mir am Anfang mit Lüpertz und Kiefer und den mir so unendlich lang scheinenden 20 Wochen Bearbeitungszeit für die Masterarbeit ging: Ich fing gefühlt in Trippelschritten an, las hier ein Stündchen und dort ein anderes, blätterte gefühlt sinnlos alles durch, was vor mir im Regal stand, guckte mir irgendwelche Quellen an, weil sie halt da waren und wusste wochenlang nicht, wo ich eigentlich hinwollte. Ich hatte schlicht noch zu wenig gelesen und gesehen, um eine konkrete Frage zu entwickeln. So geht es mir jetzt auch gerade, und natürlich schüchtert mich die nicht vorhandene Deadline für die Abgabe der Dissertation sehr ein. Ich brauche ein Ziel, auf das ich hinlese bzw. einen Termin, an dem ich weiß, ich muss irgendwas abliefern. Das muss ich mir jetzt selbst setzen bzw. den muss ich mir jetzt selbst machen. Momentan ist mein Kopf eher in der Werbung und der Akquise, aber seit gestern blubbern die ersten Fragen im Hinterkopf herum, was mich sehr freut. Ich weiß, dass ich diese noch achtzigmal umformulieren werde und vermutlich wird am Ende etwas ganz anderes auf dem Deckblatt stehen als das, was ich gerade im Kopf habe, aber es hat sich sehr gut angefühlt, wieder dieses Kribbeln im Nacken zu haben, wenn man etwas liest oder entdeckt, das nicht so ganz mit dem bisherigen Forschungsstand übereinstimmt und wo man entsprechend elegant ansetzen kann.

Ich habe auch immer meinen Doktorvater im Kopf mit seinen Abschiedsworten im Rosenheim-Seminar: „Wenn Sie aus diesem Seminar gehen und das Gefühl haben, alles anzweifeln zu müssen, dann ist das richtig.“ Auch dazu gab es gestern einen passenden Tweet: „Great mentors don’t tell you what to think. They teach you how to think.“

Mein Fahrrad vom Schrauber geholt, der mir zum wiederholten Mal sagte, dass ich wirklich ein schönes Fahrrad besäße. Danke – ich weiß. Ich fahre das sehr gern. (Das hier ist ein recht ähnliches Modell.)

Zuhause spontane Suppenlust verspürt und deswegen Lauch, Zwiebeln und Kartoffeln mit Brühe, Wein und Sahne – und einem Sieb – in eine feine Creme verwandelt. Ich werfe ja gerne noch Zeug zur Deko auf Suppen drauf, und gestern fiel mir ein halbes Döschen Mais im Kühlschrank ein, das gerne wegwollte. (Überbleibsel von extrem ungelungenen Maispfannkuchen.) Nur Mais war mir aber zu langweilig, aber ich hatte ja noch den schönen Koriander von vorgestern, also bastelte ich mit viel Chili und ein bisschen Öl eine kleine Salsa. Das war eine recht ungewohnte Kombi von süßlicher Schärfe mit bodenständiger Klassik, aber es schmeckte unerwartet gut.