Tagebuch, Dienstag bis Donnerstag, 2. bis 4. Januar 2018 – Im Texterflöz
Ich bin für vier Tage in Hamburg gebucht, danach noch für eine Zeit vom Home Office aus (oder „remote“, wie wir Werbeschnacker neuerdings sagen). Eigentlich sollte ich nur für das Briefing hochkommen, aber ich finde es ganz nett, in einer neuen Agentur auf einem neuen Kunden und auf einem Produkt, von dem ich noch keine Ahnung habe, erstmal in Rufweite von Kreativdirektorin und Arterin zu sitzen, um dumme Fragen stellen zu können. Also packte ich am Montag mein kleines Köfferchen, stand Dienstag sehr nölig um 4 Uhr morgens auf, um den 7-Uhr-10-Flieger zu kriegen, denn wir wissen ja alle, DASS DER BEKNACKTE MÜNCHNER FLUGHAFEN RANT ENTFERNUNG EINE STUNDE S-BAHN ARSCH DER HEIDE WATZEFACK.
In Hamburg angekommen, gönnte ich mir als allererstes ein Franzbrötchen, das aber zu matschig aussah, um es zu instagrammen. Die Stadt hat mich auch schon mal enthusiastischer empfangen. Der Taxifahrer sprintete mich nach Winterhude, wo ich sogar noch zu früh ankam, was aber okay war. Ich wurde kurz rumgeführt, gab vielen Leuten die Hand (wie in der Zone, süß), mir wurden die wichtigen Stationen Küche, Klo und Drucker gezeigt und dann durfte ich in meinem Einzelbüro Platz nehmen, in dem sonst ein anderer Texter sitzt, der aber die ganze Woche frei hat. Ich hatte nicht mal als Festangestellte ein Einzelbüro und fühlte mich daher sofort wie eine kleine Prinzessin. Eine Prinzessin mit einem 21-Zoll-Mac vor der Nase, neben dem mein geliebtes MacBook auf einmal wie ein Puppenstubencomputer aussah und sich auch so anfühlte. Ich will jetzt auch einen 21-Zoll-Mac für zuhause. Man kriegt überraschend wenig Kopfschmerzen, wenn man den ganzen Tag geradeaus guckt anstatt komisch nach unten. (Ob ich den ins ZI tragen kann?)
Ich habe in den Jahren des Studiums nicht mehr viel auf der Langstrecke gearbeitet, musste also keine Broschüre mehr konzipieren oder Inhalte auf 24 bis 96 Seiten verteilen. Stattdessen bekam ich meist schon viele Vorgaben, die „nur noch“ ausgetextet werden mussten. Hier darf ich wieder konzipieren und verteilen, und ich habe es sehr genossen, dass die alten Fähigkeiten sofort wieder da waren. Ich hatte ein winziges bisschen Sorge, dass ich das verlernt haben könnte, aber anscheinend ist Verkaufsliteratur wie Fahrradfahren. So tippte ich gut gelaunt Headlines, Sublines und Copyinhalte vor mich hin, bastelte mit CDeuse und Arterin einen Seitenplan, stimmte Lines ab, korrigierte, holte mir zwischendurch einen Salat zum Mittag und einen Schokoriegel für den langen Nachmittag, verkniff mir ein „Mahlzeit“ in der Küche, versuchte mir viele Namen zu merken und musste wieder Stundenzettel ausfüllen. Deren Existenz hatte ich gnädig verdrängt.
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Es ist seltsam, wieder in dieser Stadt zu sein. Ich mache hier Dinge, für die ich mal nach Hamburg gezogen bin und die ich danach fast ausschließlich in Hamburg gemacht habe. Es fühlt sich ein bisschen an, als wären die letzten fünf Jahre gar nicht passiert, ich stapfe wieder durch den Regen zu einem Bus, der mich in eine Agentur bringt. Die blöde Busansagestimme hat sich leider in den zwei Jahren meines Wegzugs nicht verändert, die ist immer noch grauenhaft. Aber gleichzeitig hat sie eben die vergangenen Jahre kurz völlig weggewischt. Ich höre sie und bin wieder die Werberin. Ich werde mich erst wieder wie eine Kunsthistorikerin fühlen, wenn ich die völlig vernuschelten Ansagen in der Münchner U-Bahn höre.
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Was mich auch sofort wieder zurückholte: der Hamburger Regen. In München ist Regen so ein bisschen Wasser von oben, bei dem man theoretisch im T-Shirt rausgehen kann, auch wenn die Münchner*innen stets so tun, als ob die Welt untergeht. In Hamburg bringt Regen gerne noch seinen Kumpel Wind mit, der dafür sorgt, dass keine Kapuze hält und kein Schirm und man grundsätzlich immer nass wird, ganz egal, wie clever man sich anzieht. Das fand ich einerseits total nervig – aber seltsamerweise auch total schön.
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Ich habe ohne nachzudenken eins der Motel Ones in der Stadt gebucht, weil ich weiß, dass die Betten da bequem sind, das Bad hübsch ist und das W-LAN funktioniert. Als ich am Mittwoch das erste Mal vom Motel aus in Richtung Bus ging, fiel mir auf, dass ich von der Bushaltestelle aus die Alster sehen kann. Auch die hatte ich völlig vergessen. Ich bin in München immer total verzückt, wenn ich die Isar sehe, das kleine Bächlein, mehr haben wir ja nicht. Das war schön, mal wieder auf eine richtige Wasserfläche zu gucken, souverän, präsent, groß und breit, da halt, Fresse, Flüsschen.
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Und dann habe ich Kai getroffen, was mich einerseits glücklich und andererseits traurig gemacht hat, aber das war wohl zu erwarten und passt gerade ganz gut in die Gesamtstimmung, in der ich hier durch den Tag treibe. Heute wird noch gearbeitet, und morgen mache ich dann die Touristin, die sich endlich die renovierte Kunsthalle mit meinem geliebten Leibl und die Elphi anguckt (wenigstens von außen). Allerdings müssen die beiden sich schon sehr lang machen, denn gestern abend habe ich in charmanter Begleitung im ältesten Block House Deutschlands gegessen. Damit ist Hamburg quasi durchgespielt.