Tagebuch, Montag, 8. Januar 2018 – Star Wars, Fire and Fury, Ulysses
Why so many men hate The Last Jedi but can’t agree on why
Schöne Zusammenfassung der Kritikpunkte an TLJ, die für mich so gut wie alle keine Kritikpunkte waren – weil ich sehr froh darüber war, genau das auf der Leinwand zu sehen, was ich gesehen habe.
„I don’t think every human who disliked The Last Jedi is an evil, evil misogynist. I do think that we have so deeply internalized sexist narrative tropes that we see them as “correct” and “good filmmaking” while seeing their absence as “flaws.” We read female characters differently than male characters, and we have internalized expectations for female character arcs. Instead of seeing this film for what it is, people are criticizing it for not conforming to the expectations they have of female characters.“
Ich finde den Tweet nicht mehr wieder, aber jemand zwitscherte neulich so schön, dass sie persönlich George Lucas dafür Geld geben würde, wenn der nächste Star-Wars-Film die Abkürzung SJW haben könnte. Ich würde hier gerne der Wikipedia widersprechen, dass der Begriff negativ besetzt sei; für mich ist er eine stolze Selbstbezeichnung, vielleicht auch gerade in Abgrenzung zu den Gamergate-Spacken, die ihn negativ benutzen.
—
“Fire and Fury” Is a Book All Too Worthy of the President
Ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich das Buch lesen möchte, aber diese Kritik fand ich gut, weil sie verdeutlicht, in welchem Zustand ich mich seit über einem Jahr befinde: fassungslose Ungläubigkeit.
„A year in, the Trump Presidency remains unimaginable. To think that a madman could be running the world’s most powerful country, to think that the Commander-in-Chief would use Twitter to mouth off about whose nuclear button is bigger or to call himself a “very stable genius,” verges on the impossible. If the word “unthinkable” had a literal meaning, this would be it. It also brings to mind the psychiatrist Judith Herman’s definition of a related word: “Certain violations of the social compact are too terrible to utter aloud,” she once wrote. “This is the meaning of the word unspeakable.” The Trump era is unimaginable, unthinkable, unspeakable. Yet it is waging a daily assault on the public’s sense of sanity, decency, and cohesion. It makes us feel crazy.“
—
Produzent*innen unterstützen
Da ich selber auch um Spenden für meine Arbeit bitte, habe ich mir vorgenommen, das auch für andere zu tun. In der Vergangenheit habe ich Ick in Japan unterstützt, und seit gestern gebe ich einem Fußball-Podcast eine Kleinigkeit, nämlich dem geschätzten Rasenfunk. Wenn ich für Journalismus Geld ausgebe (New York Times, Guardian, New Yorker, FAZ; die Washington Post habe ich vor einem Monat gekündigt, weil ich eh nur die Times lese), kann ich das auch für andere Inhalte tun, die meinen Horizont erweitern.
—
Ulysses die dritte
Für Prousts Auf der Suche nach der verlorenen Zeit habe ich drei Anläufe gebraucht, um über die ersten fünf Seiten hinauszukommen, aber dann habe ich einfach alle dreitausend gelesen. Mal sehen, ob das auch beim Ulysses klappt. Den lese ich nämlich seit gestern, und ich habe bereits zwei Kapitel bezwungen, nachdem ich bei den ersten Versuchen nach zwei Seiten aufgegeben hatte.
F. hat im letzten Jahr mehrere Monate Finnegans Wake vor der Nase gehabt, an das ich mich vermutlich nicht rantrauen werde, aber wir sprachen öfter darüber und über die Züricher James-Joyce-Stiftung, die F. mit einem seiner Freunde schon mehrfach besucht hat. Der Leiter der Stiftung Fritz Senn hat einen guten Tipp fürs Joyce-Lesen, wenn man eingeschüchtert vor dem Wälzer steht und gar nicht weiß, mit welcher Sekundärliteratur man anfangen soll, um die ganzen Anspielungen zu verstehen. Er meint: „Take the short cut. Read the book.“
Genau das habe ich gestern gemacht. Ich selbst besitze den Text der Erstausgabe von 1922, laut meiner Eintragung auf der ersten Buchseite seit 2004. Diese wurde aber von Joyce wieder und wieder überarbeitet – wenn ich dem Vorwort glauben darf, musste man ihm die Druckfahnen quasi aus der Hand reißen, und selbst dann hat er noch darauf rumgemalt, weswegen es diverse Textfassungen gibt. Seit Jahren gilt die Gabler-Edition von 1984 als der Text, der Joyces Vorstellung am nächsten kommt, auch wenn die Ausgabe große Kontroversen hervorrief. Die Editionsgeschichte in der englischen Wikipedia tut so, als wäre die Gabler-Edition Schrott, was, soweit ich weiß, selbst Schrott ist. Aber eigentlich weiß ich über das Thema noch viel zu wenig.
Wie dem auch sei: Ich lese seit gestern die Gabler-Edition von F., die keine Fußnoten hat, gucke aber nach jedem Kapitel in die Endnotes meiner Edition, um im Nachhinein zu verstehen, was ich da gerade gelesen habe. Es macht aber ziemlichen Spaß, sich einfach so in Joyce fallenzulassen, seine Sprache zu genießen, auch wenn ich bei manchen Zeilen nicht weiß, was die schönen Wörter mir sagen wollen. But look how pretty:
„Woodshadows floated silently by through the morning peace from the stairhead seaward where he gazed. Inshore and farther out the mirror of water whitened, spurned by lightshod hurrying feet. White breast of the dim sea. The twining stresses, two by two. A hand plucking the harpstrings, merging their twining chords. Wavewhite wedded words shimmering on the dim tide.“
Oder hier, als Dedalus an seine tote Mutter denkt:
„Folded away in the memory of nature with her toys. Memories beset his brooding brain. Her glass of water from the kitchen tap when she had approached the sacrament. A cored apple, filled with brown sugar, roasting for her at the hob on a dark autumn evening. Her shapely fingernails reddened by the blood of squashed lice from the children’s shirts.“
Oder so Nebenbeisätze, die mich kurz innehalten lassen – wenn Dedalus sich selbst im Spiegel sieht und denkt: „Who chose this face for me?“
Ich freue mich jetzt schon auf den Feierabend, wenn ich das dritte Kapitel beginnen werde.