Tagebuch, Montag, 29. Januar 2018 – Dissgespräch
Meine erste Diss-Idee hatte sich Crash-and-burn-mäßig schon vor Monaten verabschiedet. An einer zweiten bastelte ich seitdem herum, aber von der wusste mein geschätzter Doktorvater noch nichts, denn bevor ich wieder bei ihm im Büro saß, wollte ich dieses Mal in Vorleistung gehen und schon erste Fragestellungen oder Ansätze oder Ergebnisse oder die ersten 80 Seiten (ich scherze) mitbringen können, ehe ich nochmal falle und brenne.
Bevor ich überhaupt den ersten Handschlag für die Diss tat, dachte ich naiverweise, ha, endlich kann ich machen, was ich will, keine Deadlines, keine Seminarvorbereitung mehr, einfach schön vor mich hinforschen. Dass mich dieser Satz irgendwann in den Hintern beißen würde, war fast klar. Natürlich fehlt mir jetzt genau das Korsett eines Seminars, in dem Dinge durch andere geradegerückt werden, an denen man sich selbst vielleicht doof festbeißt, mir fehlt eine Deadline, bei der ich weiß, an jenem Zeitpunkt müsste ich liefern, also muss ich genau JETZT dafür in die Bibliothek, und mir fehlt vor allem der konstante Input, den ich sonst an der Uni immer hatte. Aus jedem Seminar und jeder Vorlesung habe ich irgendwelche Wissensbröckchen mitgenommen, die meiner Arbeit zugutekamen. Die einzigen Bröckchen, die ich jetzt noch kriege, sind die, die ich mir selber zusammensuche. Und wenn man sich ein Thema vorgenommen hat, zu dem es nicht so irre viel Literatur gibt und man auch gerade eher mit Akquise und sich selbst beschäftigt ist anstatt mit Kunstgeschichte, dann bleibt von den geplanten 80 Seiten oder auch nur den ersten Ansätzen nicht viel übrig. Deswegen traute ich mich ewig nicht zu meinem Papi, bis F., der schon einen Doktortitel besitzt und immer gute Ratschläge hat, mich irgendwann sehr drängelte, und wenn er nicht so höflich wäre, hätte er vermutlich irgendwann „GEH ENDLICH ZU DEINEM BETREUER, DAFÜR IST DER MANN DA, DAS SAGT SCHON DER BEGRIFF BETREUER!“ in meine Richtung gebrüllt.
Gestern war der Termin da, ich hustete im Treppenhaus des ZI noch mal schön ab und betrat die Höhle des Löwen. Dort gestand ich, dass ich mich von meiner tollen theoretischen Idee hatte einlullen lassen, sie sich aber beim ersten ernsthaften Bearbeiten als eher blöd herausgestellt hatte. Dann kam ich allerdings gar nicht mehr dazu, davon zu erzählen, dass ich schon auf einer anderen Idee gearbeitet hatte, denn mein Doktorvater hing noch an der alten Fragestellung und kam nun auf neue Quellen (das war mein Hauptproblem gewesen – meine Quellenidee war schlicht doof). Er sinnierte vor sich hin, ich hörte zu und vor meinem Auge enstand eine wunderschöne neue Dissertationsidee. Erst als ich zwei Seiten meines Notizbuchs vollgeschrieben hatte und er vermutlich dachte, das Gespräch wäre durch und ich gut versorgt, erzählte ich von meiner Alternatividee. Woraufhin alles nochmal von vorne losging: Wir diskutierten, tauschten Literaturtipps aus, und im Endeffekt ging ich nach 90 Minuten mit zwei wunderschönen neuen Dissertationsideen. (Und hustete weiterhin in der Gegend rum.)
Ich kichere seit Minuten. Danke, @ankegroener und @SammyKuffour! pic.twitter.com/nlKWldsqLE
— Alex Feuerherdt (@LizasWelt) 29. Januar 2018
Zur Erklärung: Ich hatte mir während der Masterarbeit angewöhnt, einige Bilder nicht nur als Titel irgendwo abzulegen, sondern auch mit Beschreibung. Der liebe Anselm Kiefer nutzte Namen, die er mochte, nämlich gerne mehrfach, auch im gleichen Entstehungszeitraum, weswegen ich des Öfteren Dinge wie „braunweißer Vordergrund, bläulicher Horizont“ im Vergleich zu einem anderen, gleichnamigen Bild notierte, zu dem ich „ockerbeigeweißer Vordergrund, Horizont mit Lücke“ aufschrieb. Irgendwann begann ich, auch zu den Büchern und vor allem Katalogen, die ich nutzte, Notizen zu machen. Leider des Öfteren Dinge wie „kompliziertes Geschwurbel“, aber netterweise auch „grundlegend“, „viele Querverweise“, „süffisante Abrechnung, liest sich super“. Das habe ich für die Diss, bei der ich einen weitaus größeren Literaturapparat erwarte, von Anfang an übernommen, und ich war gestern sehr erfreut, ein Buch anscheinend korrekt eingeschätzt zu haben.
Das bringt mich natürlich immer noch nicht weiter, wenn es darum geht, mich für eine der beiden schönen Ideen zu entscheiden. Aber ich neige bereits zur zweiten, mit der fange ich einfach mal an. Bzw. mache mit dem weiter, was ich eh seit Monaten mache, nur mit einer leicht veränderten Zielsetzung und einer neuen Quellengrundlage. Betreuung rockt. Das hätte mir mal jemand sagen sollen.
(„ICH HAB DOCH GESAGT, DU SOLLST ENDLICH … ach so, du benutzt mich mal wieder als Punchline für deine Blogeinträge. Na gut.“)