Was schön war, Freitag, 11. Mai 2018 – ZI und gutes Essen
Morgens mit der U-Bahn in Richtung ZI gefahren, weil ich danach noch ein Paket abholen musste, von dem ich ahnte, dass es nicht auf meinen Gepäcktrager passen und ich es daher lieber zu Fuß transportieren würde.
Über den Königsplatz gegangen.
Die Reste der Kunstaktion von Wolfram Kastner zur Bücherverbrennung am Königsplatz. Im Hintergrund das NS-Dokumentationszentrum, links daneben der ehem. Führerbau, damals nicht hinter Bäumen versteckt. pic.twitter.com/ZHexIISTco
— Anke Gröner (@ankegroener) 11. Mai 2018
Und ich gehe jetzt (wie immer) ins Zentralinstitut für Kunstgeschichte, das im ehemaligen NSDAP-Verwaltungsgebäude untergebracht ist. Von außen baugleich mit dem Führerbau (heute Musikhochschule). pic.twitter.com/I0YZPmQB1d
— Anke Gröner (@ankegroener) 11. Mai 2018
Das ZI liegt quasi rechts vom NS-Dokumentationszentrum im oberen Bild.
Konzentriert ein paar Stündchen an der Diss gearbeitet. Ich hatte mir eine Grafikmappe von Protzen aus dem Magazin bestellt, die aus 20 Blättern besteht und von 1920 stammt, also ganz vom Anfang seiner künstlerischen Entwicklung (er begann sein Studium 1919 in München, war aber bereits ausgebildeter Grafiker). In den Grafiken setzt er sich mit seiner eigenen Internierung auf Korsika auseinander; er lebte zu Beginn des Ersten Weltkriegs in Paris und wurde als feindlicher Deutscher auf der Insel festgesetzt. Die Bilder haben mich insofern überrascht, als dass sie völlig im Stil des Futurismus gestaltet waren, ich musste sofort an Boccioni denken. Mir sind noch keine bildlichen Auseinandersetzungen mit dem Weltkrieg in diesem Stil bekannt (der ja Krieg super fand, jedenfalls bis es zum Krieg kam), aber das liegt an mir, weil mir der Futurismus auf den Zeiger geht und ich mich nur im Vorübergehen bei meiner Arbeit zu Archipenkos Schreitender Frau (1912) mal mit ihm beschäftigt habe. Weltkriegsdarstellungen verbinde ich im Kopf immer sofort mit dem Expressionismus oder der Neuen Sachlichkeit, daher waren das gestern zwei spannende Stunden für mich, die ich mit Bildbeschreibungen verbracht habe.
Danach erledigte ich Fleißarbeit. In Protzens Nachlass befinden sich bergeweise Kataloge von Ausstellungen, an denen er teilgenommen hatte. Gestern griff ich im ZI zum unerlässlichen Nachschlagewerk zu diesem Thema, nämlich Ausstellungen von deutscher Gegenwartskunst in der NS-Zeit, für die Martin Papenbrock und Gabriele Saure die Mitteilungsblätter der Reichskammer der bildenden Künste ausgewertet und ein schnell durchsuchbares Kompendium gestaltet haben, in dem man nach Künstler*innennamen, aber auch nach Ort nach Ausstellungen suchen kann. Aufgeführt sind die jeweiligen Namen der Ausstellung, wann sie wo stattfanden, wieviele Exponate gezeigt wurden und wie der Katalog aussah (Seitenanzahl, Abbildungen, im besten Fall auch, wo der Katalog noch zu finden ist – meistens bei uns im ZI, yay). Ich hatte im Nürnberger Kunstarchiv, wo Protzens Nachlass liegt, bereits eine Liste begonnen mit allen Ausstellungen, die ich dort zu ihm finden konnte, inklusive Anmerkungen, ob Bilder von ihm im Katalog abgebildet waren, die ich noch mit seinem selbst angelegten Verzeichnis seiner Ölgemälde vergleichen will. Gestern ergänzte ich diese Liste, denn einige Ausstellungen fehlten – von denen hat er sich vielleicht keinen Katalog aufgehoben oder ihn bewusst nicht in den Nachlass überführt.
Was mir blöderweise auch auffiel: Das Buch listet nur Städte auf, die heute noch zu Deutschland gehören. Ich wusste aus dem Nachlass von Ausstellungen wie „Süddeutsche Maler sehen das Ordensland“ (Danzig 1942), wo Protzen laut annotiertem Katalog 16 Bilder ausstellte und sie teilweise zu Preisen von bis zu 7000 RM verkaufte. Zur Erinnerung: Ein Facharbeiter verdiente zu dieser Zeit ungefähr 2400 RM im Jahr. 7000 ist schon eine anständige Hausnummer. Diese Ausstellung fand ich nicht bei Papenbrock/Saure, genauso wenig wie „Deutsche Künstler und die SS“ (Breslau 1944) oder „Deutsche Künstler sehen das Generalgouvernement“ (Krakau 1943), die Protzen sogar in seinem Spruchkammerbogen angab – im Sinne von „wurde vom Reich bezahlt, musste ich quasi machen, obwohl ich selbstverständlich strammer Antifaschist war“ (ich paraphrasiere hier gerade wild, ich hoffe, das ist klar).
Zur ergänzenden Fleißarbeit nahm ich mir auch die üblichen Nachschlagewerke noch einmal vor, in denen gerne Literatur auftaucht, die mir unsere Suchmaschine nicht ausspuckt. So war es auch dieses Mal, sowohl bei Ludwig als auch bei Vollmer fand ich noch Stellen, an denen ich rumwühlen kann. Außerdem vervollständigte ich meine Liste zu Protzens Ausstellungstätigkeit im Glaspalast.
Mit wieder fünfhundert neuen Geistesblitzen und Baustellen im Kopf beendete ich meine Arbeit, holte mein Paket ab, verspeiste Jogurt mit Obst und wartete darauf, dass es Abend würde, damit ich mit F. essen gehen konnte.
Wir entschieden uns wie schon oft für den Georgenhof und ich aß erstmals Kartoffelbaumkuchen, der mir etwas zu kuchig und zu wenig kartoffelig war. Aber der Teller war ausnehmend hübsch und der Rest darauf auch genau nach meinem Geschmack.