Tagebuch, Donnerstag, 14. Juni 2018 – Ruhetag
Alle Texte erledigt, die noch in der Pipeline waren, alle Rechnungen geschrieben. Unter einem kleinen Ulysses-Kater gelitten („Und was mach ich jetzt?“). Croissants und Brezn über den Tag verteilt, keine Lust auf Kochen gehabt. Mich nachträglich über den schönen Dienstagabend mit F. gefreut, an dem wir endlich mal wieder länger für uns Zeit hatten; backfischige DMs geschrieben. Fußball nebenbei laufen lassen, aber irgendwie den Kopf nirgendwo hingekriegt. Nichts richtig gelesen, nicht mal Zeitung, keine Lust auf Serien gehabt, unkonzentriert den Tag rumgebracht. War ein bisschen wie Urlaub, nur ohne irgendwas zu lernen.
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Finnegans wachen donnerstags auf
Sehr gelacht über den Satz von Fritz Senn, der sein Studium nie beendete und dessen Joyce-Stiftung in Zürich liegt, wo wöchentlich Lesegruppen stattfinden: „Zürich hat damit vermutlich den höchsten Prozentsatz von Einwohnern, die Ulysses wirklich gelesen haben.“
„JCL | Wie ging es weiter mit Ihrer «Wissenschaftskarriere»?
FS | Eine Folge war, dass ein junger Professor in Amerika, der ein James Joyce Quarterly herausgeben wollte, Verbindung aufnahm, sodass ich von Anfang an auch bei diesem neuen James Joyce Quarterly dabei war. Das führte zu einer Reihe von Publikationen, was besonders Akademiker in Amerika beeindruckt haben musste und wohl zur Annahme verleitete, ich – ein Außenseiter – stände mitten im akademischen Betrieb. Im Grunde bin ich immer Amateur geblieben. Der ist nicht an interne Spielregeln gebunden, sondern kann sich unbeschwert auf das ihm Wichtige konzentrieren und Überflüssiges weglassen.
Erst viel später habe ich gemerkt – man kennt ja seine eigenen Motive kaum –, dass ich eigentlich immer die Freude der Leser anregen will. Was mir Spaß gemacht hat, soll auch anderen Spaß bereiten. Dazu kam, dass Zürich – mit Flughafen und mitten in Europa gelegen – eine ideale Joyce-Stadt ist, die von vielen Akademikern besonders aus Amerika besucht wurde. Einmal kam der Herausgeber des James Joyce Quarterly zu Besuch, und wir stellten fest, dass wir beide zur selben Zeit nächstes Jahr um den Bloomsday herum in Dublin sein würden. Und so kamen wir zu später Stunde auf die Idee, eine Tagung in Dublin ins Leben zu rufen – ein Joyce Symposium. Das haben wir großspurig angekündigt, und tatsächlich fanden sich im Juni 1967 über 80 Leute zum ersten Anlass zusammen. Für die Einheimischen in Dublin waren wir bestenfalls Freaks, die großes Aufheben um diesen Joyce machten, der erst viel später massiv vom Tourismus ausgewertet wurde. Uns selber gefiel es so gut, dass wir beschlossen, das Symposium alle zwei Jahre zu wiederholen. So wurde es zur Institution. In diesem Juni wird das 26. Symposium in Antwerpen wiederum etwa 200 bis 300 Forscher, Akademiker und Liebhaberinnen zusammenbringen.“
(Danke an Vera für den Hinweis.)
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The Strange Case of the Missing Joyce Scholar
Jack Hitt in der NYT über einen Wissenschaftler, der gerne mit Tauben sprach und sich mit Hans Walter Gabler anlegte. Und dann verarmt starb. Oder nicht? Außerdem im Artikel: eine kurze Versionsgeschichte vom Ulysses.
„Among scholars and Joyce freaks, everyone knew “Ulysses” was an odyssey of errors. Over the decades, there were rumors that some great textual fanatic was about to take on the brute task of cleaning it up. In the 1960s, excitement centered on Jack Dalton’s work, but the task seemed to overwhelm him, and he died in 1981 without producing his edition. By the mid-1980s, European scholars took up the charge, culminating in the announcement of a coming version — “Ulysses: The Corrected Text” — that would set straight 5,000 mistakes and give the world “ ‘Ulysses’ as Joyce wrote it.”
This updated edition was the product of years of fine-tooth-combing through manuscripts and copy-sheets, one letter at a time, all done according to a dense new textual theory that almost no one could understand. The entire project felt authoritative and dour, very German and all consuming, right down to the chief editor’s name, Hans Walter Gabler. Right away, Gabler was challenged by a New World scholar no one had ever heard of, his name right out of some early American morality play — John Kidd. It seemed as if the great watchmaker of the universe had handled the casting: German versus American, Old World versus New, credentialed versus self-taught. The face-off managed to draw an audience far outside academe. Try to imagine this today: For almost a year, textual criticism was happening, and red-hot copies of The New York Review of Books flew off the newsstands.“
(Danke an Vinoroma für den Hinweis.)