Tagebuch Freitag/Samstag, 10./11. August 2018 – Drinnen und draußen
Freitag hockte ich in einem tiefen Motivationsloch, das mich sehr überraschte, aber Menschen mit Doktortitel in meiner Umgebung so gar nicht. Nach der doofen Nachricht, dass ich keinen Einblick in den Grossberg-Nachlass bekomme, hatte ich das Mittwoch total motiviert umschifft, indem ich meine bisherige Forschung neu strukturierte (immerhin im Kopf). Auch Donnerstag war ich noch der Meinung, alles kein Thema, sehr schade, ja, aber nichts zu machen, dann eben ein anderes Ziel. Aber Freitag saß ich nur noch mutlos vor meinen Dokumenten und war sehr traurig darüber, dass ich mich zwar hobbymäßig weiter mit Grossberg beschäftigen könne, die Wissenschaft aber gerade von den Erben ausgesperrt wird. Das hat der Herr nicht verdient, ganz im Gegenteil. Von mir aus könnte jedes Jahr über ihn eine Diss erscheinen, so toll ist sein Zeug. Leider nicht von mir, und daran knabberte ich jetzt doch.
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(Feuchtgebiete-Triggerwarnung für den nächsten Absatz:)
Abends ging ich zu F. und merkte beim Fußweg, dass er mir sehr schwer fiel. Die Hitze, die Ozonbelastung, weiß ich alles, aber trotzdem bin ich immer sofort sehr besorgt, wenn ich das Gefühl habe, dass meine brav erworbene Alltagskondition wieder nachlässt. Beim letzten Badaufenthalt vor der Nachtruhe wurde mir immerhin klar, warum ich den ganzen Tag so traurig und körperlich so matschig gewesen war: Die Tage kamen mal wieder. Die letzte Periode war herrliche 67 Tage her gewesen, und ich war daher auf diese überhaupt nicht vorbereitet, die kam aus dem Nichts, wo sie sich jahrelang immer brav drei Tage vorher angekündigt hatte. Mein Zyklus ist in den letzten zwei Jahren unregelmäßiger geworden, es vergehen durchaus zwei, drei Mal im Jahr zwei Monate, bis ich mal wieder rumblute. Ich ahne langsam, dass sich hier eine körperliche Veränderung abspielt, gegen die ich so gar nichts einzuwenden habe.
Die innerliche Reaktion ist allerdings nach über 35 Jahren Menstruation und sexueller Aktivität bei nicht-vorhandenem Kinderwunsch immer noch die gleiche: „Yay, meine Tage sind da! … Nerv, meine Tage sind da.“
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Endlich mal wieder gemeinsam eingeschlafen, weil es endlich mal wieder Temperaturen gab, bei denen man einen warmen Menschen neben sich dulden will.
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Samstagmorgen gemeinsam gefrühstückt, was wir sehr selten machen, weil unsere morgendlichen Vorlieben etwas auseinandergehen und auch die jeweilige Küchenausstattung sehr auf unsere individuellen Neigungen zugeschnitten ist. F. besorgte vom Lieblingsfranzosen Milchkaffee für mich und Brioche für uns beide, dazu noch herrliche Blätterteigkleinigkeiten, die Frau Mama hatte Sohnemann frische Brombeermarmelade mitgegeben, und so spachtelten wir uns in ein ausgiebiges Vormittagskoma.
(Alleine für diese Zwischenüberschrift auf der Website – und die Tüten – ist Dompierre eben der Lieblingsfranzose.)
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Gegen 13 Uhr sahen wir uns schon wieder, als wir uns in den Bus setzten, um Espressobohnen zu kaufen. F. hatte mir vor einiger Zeit zwei Kaffeesorten aus einer örtlichen Rösterei geschenkt, von denen eine meine absolute Lieblingssorte geworden ist. Von der war nur noch ein guter Esslöffel in der Tüte, und bevor ich den Sonntagmorgen weinend in der Küche stehen müsste, wollten wir Nachschub besorgen.
Das Caffé Fausto liegt in meiner Auffassung am Arsch der Heide, und es hat quasi keine Laufkundschaft. Trotzdem war recht gut besucht, obwohl jetzt am Wochenende nicht die üblichen Büromenschen der Krämermühle, in der sich das Café befindet, da waren. Wir saßen draußen und guckten eine Stunde lang einem stetigen Strom von Menschen zu, der zu Fuß, per Rad oder Auto kam, um Kaffeebohnen zu kaufen. Die meisten hatten die Kilotüten im Arm, als sie wieder gingen. Das fand ich schon spannend, dass hier anscheinend ein Produkt hergestellt wird, für das Leute Umwege in Kauf nehmen, denn hier ist nichts nebenan, wo man noch die üblichen Erledigungen abfiedeln könnte, Supermarkt, Post, Apotheke, Zeug halt, zu dem man öfter muss. Hierher fährt oder geht man nur für den Kaffee. If you build it, they will come.
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Und abends sahen wir uns dann zum dritten Mal, denn wir wollten ins Takumi, um Ramen zu essen. Draußen herrschten 23 Grad, die selbst ich Wärme-Meckerliese als angenehm empfand nach den zwei Wochen 30 Grad. Im kleinen Lokal selbst waren es dann gefühlt aber wieder 30, die Luft stand, und die Belegschaft gab Fächer aus, die auch flächendeckend genutzt wurden. Mir lief der Schweiß schon ohne Mahlzeit den Nacken herunter, aber als dann die heiße Nudelsuppe vor mir stand, war alles vorbei. Es schmeckte großartig, aber ich sah nach dem Essen wie nach einem Saunabesuch aus. Aber das war’s natürlich wert.
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Auf dem Nachhauseweg kamen mir wieder die Luftschlösser ins Gehege, über die ich seit letztem Montag nachdenke und belasteten mich kurz, aber das löste sich im Laufe der Nacht wieder auf. Mal sehen, wie es auf dieser Baustelle weitergeht, über die ich hier weiterhin nur kryptische – und damit für die geneigte Leserin total nervige – Andeutungen machen möchte.
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Gestern war der Todestag von Hans Memling, und der schöne Rubens-Twitter-Account würdigte das natürlich. Wir sprachen gerade im Podcast über den Herrn, über den ich meine erste Hausarbeit im Studium geschrieben habe, unter anderem über dieses Bild.
Virgin & child miraculously appear to Maerten van Nieuwenhove in spectacular diptych from 1487. Are they in the same reality as he is? Painter Hans Memling, whose day is today, asks us to consider it. pic.twitter.com/V4ZKuOmgAC
— Peter Paul Rubens (@PP_Rubens) 11. August 2018