Tagebuch Freitag, 26. Oktober 2018 – Südlicht

Ein neues Feature in meinem Badezimmer habe ich erst gestern entdeckt. Die Handtuchstange, an der mein großes Badetuch hängt, befindet sich über der Heizung. Da ich vorgestern abend vor den Temperaturen eingeknickt bin und die Heizung angeschaltet habe, um morgens in einem warmen Bad zu duschen, durfte ich gestern feststellen, dass ich jetzt ein warmes Badetuch habe! Scheiß auf die doppelt so hohe Miete – ich habe ein warmes Badetuch.

Morgens zu F. gefahren, um mich von ihm zu verabschieden; der Mann ist für ein paar Tage weg. Gefühlt ist er das dauernd, und als mir völlig aus dem Nichts die Tränen bei der Abschiedsumarmung kamen, war ich wieder dankbar, nicht vor ein paar Jahrzehnten gelebt zu haben, wo man als Frau brav zu Hause blieb, während Männe die Welt erobert. Ich wäre ja dauernd verzweifelt. (Und vermutlich schnell Alkoholikerin geworden, ich Weichei.)

Auf dem Nachhauseweg Croissants fürs späte Frühstück geholt. Jeder Tag mit Croissants ist ein guter.

Vom Nilgiritee mal wieder temporär auf Assam umgeschwenkt. Den trinke ich mit Milch und Kandis statt pur wie Nilgiri. Deswegen gesellten sich gestern zu meiner Arbeitszimmerteekanne und -tasse auch das Milchkännchen (zu geizig für Sahne) und die Zuckerdose mit den Kandisbrocken. Die holte ich mit einem Teelöffel heraus und fragte mich – wie garantiert viele alkoholisierte Stepford Wives vor ein paar Jahrzehnten –, wo eigentlich meine Zuckerzange ist. Vermutlich bei meinen Eltern auf dem Dachboden, wo ALLES ist, was ich nicht wiederfinde.

Wenn ihr die Antworten zu diesem Tweet lest, wisst ihr, warum ich die Hamburger Damen so vermisse. (Und ihr wisst dann auch, wie wir nach zwei Flaschen Wein klingen.)

Ortheils Berlinreise ausgelesen und Feuchtwangers Exil angefangen (Erfolg und Die Geschwister Oppermann habe ich schon durch, dies ist das letzte Buch der Wartesaal-Trilogie). Die Berlinreise empfehle ich euch uneingeschränkt, aber ich empfehle ja alles von Ortheil uneingeschränkt. Da bin ich gnadenloses Fangirl.

Die Möbel, die ich vorgestern aufgestellt und gestern begutachtet habe, wieder umgestellt. Das dauert anscheinend noch ein bisschen, bis ich mal sage, so, jetzt isses gut hier. Dabei mal wieder Dinge weggeschmissen anstatt sie umzuräumen. Die Lohnsteuerkarte von 2010 brauche ich als jemand, die seit 2008 selbständig ist, nicht mehr, oder? WARUM HAB ICH DIE DANN NOCH? UND WARUM NICHT MEINE ZUCKERZANGE?

Aber es fühlt sich schon fast so an, als ob alles hier gut ist, was vor allem am Licht liegt. Ich weiß gar nicht mehr, wie ich es sechs Jahre oben ohne Südlicht ausgehalten habe. Ich mochte das sehr gerne, dass in die kleine Wohnung nie direkte Sonne kam, weil es sonst im Sommer noch wärmer gewesen wäre als es eh schon war, aber meine Güte, ist das im Arbeitszimmer und in der Küche und im Bad eine herrliche Stimmung, wenn da ab dem frühen Nachmittag das Südlicht reinfällt. Deswegen stehen auch immer alle meine Türen offen, damit der Flur noch was davon abkriegt und das Schlafzimmer und die Bibliothek es wenigstens sehen können, die Armen.