The Notebook
The Notebook
(Wie ein einziger Tag, USA 2004)
Darsteller: Ryan Gosling, Rachel McAdams, James Garner, Gena Rowlands, Joan Allen, James Marsden, Sam Shepard
Musik: Aaron Zigman
Kamera: Robert Fraisse
Drehbuch: Jeremy Leven & Jan Sardi, nach dem Roman von Nicholas Sparks
Regie: Nick Cassavetes
Pianomusik, die langsam von Dur nach Moll gleitet, Enten, die in Zeitlupe über einen stillen See fliegen, Menschen, die Händchen halten, gleichzeitig weinen und lachen und über die Liebe reden, die Wunder bewirken kann – das ist The Notebook. Oder anders gesagt: The Notebook ist eine von diesen fies dramatischen Schnulzen, bei denen es keine Frage ist, wie sie ausgeht. Die einzige Frage ist, wieviele Taschentücher man bis zum Abspann braucht.
Allie und Noah lernen sich 1940 kennen. Sie ist ein reiches Stadtmädchen, er ist ein armer Arbeiter. Das einzige, was sie verbindet, ist ihre Liebe. Allies Eltern sind natürlich gegen die Verbindung, unterschlagen Briefe, reißen die beiden auseinander. Aber natürlich findet die Liebe ihren Weg, und die beiden werden glücklich bis an ihr Lebensende. Oder – Moment.
Der Film beginnt mit einer älteren Frau, der eine Krankenschwester einen älteren Mann vorstellt, der ihr heute vorlesen wird. Die Geschichte, die er liest, ist die von Noah und Allie. Im Laufe des Films wird klar, dass die beiden Alten Noah und Allie sind und dass Allie sich an nichts von dem erinnern kann, was Noah ihr vorliest: an das erste Date, bei dem sich beide mitten auf die abendliche Straße legen und dem Licht der Ampel zusehen, an die erste gemeinsame Nacht, bei der Allie nicht aufhören kann zu reden, weil sie so aufgeregt ist, an die vielen Küsse und an das Lachen und das Streiten und das Versöhnen und Küssen und Lachen und Küssen. Allie weiß nicht, dass sie Allie ist. Sie hat Alzheimer, und Noah versucht, ihre Erinnerungen dadurch wieder hervorzulocken, indem er ihr immer und immer wieder ihrer beider Lebensgeschichte vorliest.
Der Film spielt mit dem Thema Hoffnung. Noah hofft, dass Allie wieder zu ihm zurückkehrt, so wie sie es schon einmal getan hat, nachdem sie getrennt waren. Allie hofft in den wenigen klaren Momenten, die ihr noch vergönnt sind, dass sie sich diesmal länger erinnern kann, bevor die Demenz sich ihrer wieder bemächtigt. Der Zuschauer hofft, dass den beiden ein zweites Liebesglück beschert wird, so wie das erste Mal, als sie sich wiedergefunden hatten. Und jede Hoffnung wird kurz erfülllt, bevor sie sich wieder zerschlägt. Aber wer weiß – das Gemeine an der Hoffnung ist ja, dass man immer weiterhofft. Man hofft auf das, was eigentlich nicht möglich ist. Man hofft auf ein Wunder. Genau das sagt auch Allie zum Schluss in einem ihrer lichten Augenblicke: “Do you think our love can do miracles?” Worauf Noah nur schlicht antwortet: “I do.” Und das Schöne ist: Die Liebe bewirkt wirklich ein Wunder. Nicht nur das eine Mal, bei dem sie die beiden nach Jahren der Trennung wieder zusammengeführt hat, sondern auch diesmal. Aber es ist eins dieser Wunder, das uns ganz schnell zu den Taschentüchern greifen lässt, an denen wir die ganze Zeit schon verstohlen herumgenestelt haben.
Was den Film knapp davor rettet, zu traurigem Sirup zu verkommen, sind seine Darsteller. Ryan Gosling und Rachel McAdams schaffen es, eine junge Liebe unverbraucht und frisch darzustellen und nicht hollywoodesk-aufgesetzt. Die beiden rühren, bringen zum Lachen und gehen einem gleichzeitig auf die Nerven mit ihrem ewigen Rumgeturtele – ganz so, wie einem die dauerknutschenden Pärchen in der U-Bahn auf den Keks gehen. Gosling im besonderen wirkt sehr zeitlos, und der eine, kurze Blick, mit dem er Allie nach Jahren wiedersieht, allerdings in den Armen eines anderen Mannes, bricht jedem das Herz, der eins besitzt. McAdams quietscht sich jugendgerecht durch die erste Hälfte des Films und bewegt sich sehr erwachsen durch die zweite. Beide lassen einen glauben, dass sie gereift sind, und ihr Entschluss, zusammenzubleiben, fühlt sich nicht an wie billiger Drehbuchkitsch, sondern wie eine konsequente Entscheidung.
Wahrscheinlich rühren deshalb Gena Rowlands und der wunderbare James Garner als gealterte Allie und Noah doppelt. Wir haben miterlebt, wieviel Kraft es die beiden gekostet hat, sich wiederzufinden, und nun müssen wir mitansehen, wieviel Kraft sie noch brauchen, nur um sich langsam wieder zu verlieren.
Ich persönlich mochte die vielen kleinen Fährten, die der Film legt und denen man als Zuschauer willig folgt. Vieles, was wir am Anfang sehen, hallt am Ende nach oder ergibt plötzlich einen tragischen Sinn. Man erinnert sich an die anfänglichen Bilder und stellt erschrocken fest, dass sich Allie nicht an diese erinnern wird. Ihr Schicksal wird nicht nur erzählt, sondern filmisch fühlbar gemacht. Mich hat das titelgebende Notizbuch zu Tränen gerührt, in dem nicht Noah, wie ich vermutet hatte, die Geschichte der beiden aufgeschrieben hat, sondern Allie. Und gewidmet hat sie es ihrem Geliebten mit den Worten: “Read this to me and I will come back to you.”
The Notebook birgt kaum Überraschungen, er ist gradlinig und stimmig erzählt, schreckt nicht vor der emotionalen Keule zurück und tut gerade deshalb so gut. Er bewegt durch die Schlichtheit der Geschichte und versaut es nicht durch zuviele Geigen und Sonnenuntergänge. Wer sich auf hemmungsloses Geheule einlassen möchte, sollte sich diesen Film geben. Aber sagt nicht, ich hätte euch nicht gewarnt. Ich habe selten soviel Schneuzen gehört wie gestern im Kino. Und ich habe E.T. gesehen.
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Anke am 13. March 2005