The Quiet American

The Quiet American
(Der stille Amerikaner, USA 2002)

Darsteller: Michael Caine, Brendan Fraser, Do Thi Hai Yen, Rade Serbedzija, Tzi Ma, Quang Hai
Drehbuch: Christopher Hampton & Robert Shenkkan, nach dem Roman von Graham Greene
Kamera: Christopher Doyle
Musik: Craig Armstrong
Regie: Phillip Noyce

Eigentlich mag ich keine Filme, die mit dem Ende beginnen und mir in einer Rückblende die Geschichte erzählen, denn meist habe ich das Gefühl, dass das die einzige Möglichkeit ist, die Zuschauer bei der Stange zu halten: Wenn ihr wissen wollte, warum dies und jenes passiert ist, müsst ihr notgedrungen zwei Stunden lang zugucken.

The Quiet American beginnt damit, dass die Leiche eines jungen Amerikaners in einem Fluss bei Saigon gefunden wird. Der französische Polizist fragt einen britischen Journalisten, ob er den Mann kennen würde, was dieser bejaht. Und von dem Augenblick an erfahren wir, wie es dazu kam, dass ein Mann sterben musste und was ein anderer damit zu tun hatte. Und es fühlt sich ausnahmsweise mal nicht wie ein billiger Drehbuchtrick an, sondern bestimmt die ganze Tonart des Films. Die gesamte Handlung bekommt durch das vorgeggenommene Ende eine beklemmende Stimmung des Unausweichlichen. Genau wie die Geschichte des Landes, in dem der Film spielt.

Wir befinden uns in Vietnam im Jahre 1952. Das Land kämpft um seine Unabhängigkeit von Frankreich. Der britische Journalist Thomas Fowler (Michael Caine) berichtet für die London Times schon fast gelangweilt aus dem zunehmenden Chaos. Für ihn ist Vietnam eine Kulisse, ein Fluchtort, an dem schon fast vergessen hat, vor was er eigentlich geflüchtet ist. Er trinkt weiter seinen Morgentee in einem üppigen Kolonialhotel, er sieht es nicht als eine Notwendigkeit an, die Landessprache zu lernen, wenn er mit Französisch überall weiterkommt, und er hat eine Geliebte: die junge Vietnamesin Phuong, die er sogar heiraten würde, wenn, ja wenn er nicht schon verheiratet wäre mit einer aufrechten englischen Katholikin, die nie in eine Scheidung einwilligen würde.

Seine ruhige Welt wird auf einmal durcheinandergebracht durch das Auftauchen von Alden Pyle (Brendan Fraser), einem jungen, idealistischen Amerikaner, der für eine bessere medizinische Versorgung Vietnams eintritt. Er wird nicht nur zu einem willkommenen Gesprächspartner, der ihm, dem Reporter, sogar durch seine Kontakte exklusive Interviews mit vietnamesischen Kämpfern besorgen kann, sondern er wird zu einem Freund. Und er bleibt es selbst dann noch, als Pyle Fowler eröffnet, sich in Phuong verliebt zu haben und sie heiraten zu wollen.

Vordergründig geht es in The Quiet American um die Geschichte dieser drei Menschen. Die Konstellation, in der sie aufeinandertreffen, ist nicht neu, aber dass sie ausgerechnet zu dieser Zeit an diesem Ort aufeinandertreffen, macht die Situation zu einer besonderen. Die drei sind quasi nur Stellvertreter ihrer jeweiligen Länder: das alte Europa, das unschuldige Asien, das ungestüme Amerika.

Der Gefahr, dass die Geschichte der betreffenden Länder, auf drei Charaktere reduziert, ins Kitschige abgleitet, ist sich der Film bewusst. Er schafft es aber, stets eine gewisse Distanz zu bewahren, so dass er nie ins Peinliche abdriftet. Natürlich ist die Botschaft sofort verständlich, aber sie kommt nie mit dem Holzhammer daher. Der Film wirkt sehr bedacht und ausgewogen – jeder der drei darf seinen Standpunkt klarmachen, und jeder wirkt überzeugend. Die Erzählweise ist angenehm ruhig und unaufdringlich, und man hat nie das Gefühl, Symbolen statt wirklichen Charakteren zuzusehen. Die Menschlichkeit und Einzigartigkeit der drei Protagonisten ist immer wichtiger als die große Politik, für die sie stehen.

Wir sehen Vietnam meist durch die Augen des Engländers, und dadurch bezieht man als Zuschauer natürlich eher seine Position. Das macht die Geschichte erträglicher, auch wenn man deren Ende ja bereits kennt und im Laufe des Films immer mehr ahnt, warum es so kommen musste. Aber der Film schafft es dennoch zu überraschen: Auf einmal dreht sich das Blatt; die Liebesgeschichte ist zwar noch zentrales Thema, aber das Bild bekommt Risse, die Charaktere verschwimmen, und die Politik drängt sich mehr und mehr in den Vordergrund. Auf einmal ist nichts mehr so wie es war, und niemand ist mehr der, als der wir ihn kennengelernt haben. Und auf einmal wird uns klar, dass nicht nur die kleine Geschichte, die uns der Film erzählt, nicht gut enden wird. Sondern uns wird das ganze Ausmaß der Situation klar, in der die drei sich befinden, und wir wissen, dass auch die Geschichte des Landes Vietnam nicht gut ausgegangen ist.

Die Parallelen zur heutigen Sitation sind unverkennbar. Die Positionen der Kontinente haben sich nicht großartig verändert, und gerade die Art und Weise, wie Amerika zur Zeit auftritt, wird im Film sehr gut porträtiert. The Quiet American ist aber dennoch keine arrogante Parabel geworden. Der Film erzählt die Geschichte unserer Protagonisten so distanziert, dass man fast glauben kann, diese Geschichte sei nur einmal passiert und wir hätten daraus gelernt. Dass einem erst beim Abspann wieder einfällt, dass dem leider nicht so ist, halte ich für einen großen Verdienst des Films. Denn er versucht nicht, mehr zu sein als er ist: Er ist ein kleiner, ruhiger Film, der eigentlich eine kleine Geschichte erzählt. Nur mit unserem Wissen aus 50 Jahren Weltgeschichte wird auf einmal eine große daraus.