Tagebuch Mittwoch, 12. Juni 2019 – Mehr Blumen!

Ich wollte nach dem gestrigen Monstereintrag erstmal nicht mehr von meinem Balkon sprechen, aber ich kann ja nichts dafür, dass die irrtümlich und im Überschwang gekaufte zu große Dahlie jetzt einsam in der Ecke steht unter den herrlich bepflanzten Kästen. Dieser Einsamkeit musste ich entgegenwirken, und so setzte ich mich erneut in U-Bahn, U-Bahn und Bus, um zum Pflanzencenter zu fahren. Dort sollten zur üppigen Dahlie noch zwei kleinere Pflanzen kommen, damit so eine Art Treppenwirkung entsteht. Noch zwei und nicht nur eine, weil meiner Meinung nach Dinge in ungerader Zahl kombiniert immer besser aussehen als Dinge in gerade Zahl. (Bitte gehen Sie weiter.)

So stieg ich mit großer, blauer Ikea-Tüte im Rucksack und meinem neuen Buch in die Bahn. Den Idiot des Herrn Dostojewski mag ich spontan nicht weiterlesen. Der erste von drei Teilen hatte mir sehr gut gefallen, dann legte ich eine Pause ein und war verwirrt über die Wahl der weiblichen Hauptfigur, wer sie denn nun ehelichen dürfe. Das versprach Spannung, aber jetzt im zweiten Teil rühmt sich der Auserwählte gerade, dass er die Dame erstmal verprügelt habe und sie eventuell umbringen würde, weil ihm die Situation so auf die Nerven ginge, und daraufhin legte ich das Buch weg. Ja, auf derartigen Scheiß sollte man in älteren Romanen vorbereitet sein (leider auch noch in heutigen, aber da empört sich das Feuilleton wenigstens), aber ich mochte nicht mehr. Deswegen lese ich jetzt gerade Doktor Faustus von Thomas Mann. Mal sehen, was da alles Blödes passiert. Also neben dem Nazischeiß.

Beim Pflanzencenter schob ich total profimäßig und als ob ich seit Jahren nichts anderes tue, meinen Wagen in die Blumenabteilung und griff schnell zu: Neben meiner zartrosafarbenen Dahlie stehen jetzt noch eine weiße Begonie und ein blaues Männertreu, über dessen Namen ich mich schon beim ersten Kauf aufgeregt habe. Aber so hübsch!

Die Ikea-Tüte war ein gutes Transportmittel für die zwei Kunststoff-Ãœbertöpfe sowie den einen kleinen aus Ton und die zwei Pflanzen. Ich stieg wieder in den Bus, der mich zur ersten U-Bahn brachte. Dort stieg mit mir eine Frau mit einem kleinen Kind im Wagen ein, das die ganze Zeit vor sich hinblubberte. Es freute sich besonders über die Stationsansagen über Lautsprecher und baute diese seltsamen Worte in sein Geblubber ein. Als dann die Station Poccistraße angekündigt wurde, kam der große Auftritt: Es sprach auf einmal nicht nur, sondern singsangte minutenlang „Pocci, Pocci, Pooocciiii“ in herrlichen Terzen vor sich hin. Alle Leute mit mir im Vierersitz grinsten großflächig. Dann war kurz Pause. „Mama?“ — „Ja?“ — „POCCI, POCCI, POOOCCIIII!“ Großes Gelächter. Ich werde an dieser Station nie wieder vorbeifahren können, ohne im Kopf zu singsangen.

Den Nachmittag verbrachte ich an der Dissertation. Nach dem Einstampfen der ersten Struktur, auf der ich bereits 64 Seiten produziert hatte, überlegte ich mir eine neue, die sich erstmal hervorragend anfühlte. Dann verließen mich aber Mut und Übersicht, um die bisher erarbeiteten Inhalte in die neuen Kapitel zu dengeln. Einen derart großformatigen Umbruch hatte ich noch in keiner wissenschaftlichen Arbeit, und so knödelte ich nur an Absätzen rum, ohne wirklich dahinterzustehen und trieb mich schließlich lieber noch ein bisschen in der Suchmaske von Stadt- und Staatsarchiv rum, wo ich Archivalien bestellte oder mir immerhin notierte, wo eventuell was für mich liegen könnte. Rechner ausgemacht und auf dem iPad Fußball geguckt, wo der Livestream von ARD und ZDF irritierenderweise deutlich seltener abkackt als auf dem MacBook.

Abends kam unglaublicherweise eine Textfreigabe, mit der ich schon gar nicht mehr gerechnet hatte. Irgendwie hatte ich diesen Text als eine ganzjährige Begleiterscheinung verinnerlicht, wo doch nur fünf Tage vereinbart gewesen waren. Aber: Er ist angeblich abgenickt und ich darf eine Rechnung stellen. Meine Kontakterin ist noch nicht ganz durch, denn die Grafik und die Programmierung der Website stehen noch an bzw. laufen natürlich schon längst nebenbei. Die Site, die im Mai online gehen sollte, kommt dann vielleicht im August. Ich nehme noch Wetten an, ob das wirklich so kommen wird.

F. schaute noch mit ein bisschen Feier-Bubbly vorbei (familiäre Ereignisse), ich war aber seltsamerweise nicht so recht in Stimmung für Champagner – vielleicht werde ich krank? – und wollte lieber schnell und alleine schlafen.