Tagebuch Mittwoch, 27. Mai 2020 – Aufgeräumt
Als ich gestern ins Bett ging, dachte ich: Der Tag hat sich so aufgeräumt angefühlt. Nicht normal oder wie früher oder irgendwie ging so, sondern so, als wäre alles da, wo es hingehört. Ich kann es nicht weiter erklären; vielleicht spielt mein Gehirn auch gerade Assoziationsblaster, um mich nicht seltsam werden zu lassen, keine Ahnung.
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Vor dem Wecker wach gewesen, den gestrigen Blogeintrag hatte ich schon vorgestern formuliert, den musste ich also nur noch flugs Korrektur lesen und publizieren. Flat White und Orangensaft, wobei ich jetzt in der Rückschau merke, dass da der Tag eigentlich schon nicht aufgeräumt anfing. Ich trug in der linken Hand mein Kännchen mit aufgeschäumter Milch und rechts meine Tasse mit Espresso, als ich kurz vergaß, wie heiß das verdammte Kännchen wird, wenn man kochend heißes Wasser in die Milch sprudelt, ich berührte es doof, erschrak, bewegte beide Hände, Milch und Kaffee schwappten auf Fußboden und Spüle, ich nölte, putzte, war dann aber glücklich, dass noch genug Inhalt für ein Frühstück übrig geblieben war und vergaß das ganze bis eben.
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Ins ZI geradelt und dort festgestellt, dass im Gegensatz zu letzter Woche die ganzen von uns Benutzerinnen angelegten Handapparate aufgeräumt wurden. Man stellt, wenn man sich so einen Apparat anlegt, bis zu sieben Bücher ins Regal und versieht das kleine Eckchen mit einem Reiter, auf dem der eigene Name und das Abstelldatum stehen. Nach einer Woche wird das Zeug weggeräumt. Als ich letzte Woche, also eine Woche nach Öffnung der Bibliothek, ans Regal trat, um meinen Stapel abzulegen, sah ich, dass noch alle Handapparate von März im Regal standen, bevor das Institut geschlossen wurde. Gestern waren sie nicht mehr da.
Ich arbeitete konzentriert vor mich hin, blätterte durch eine dicke Enzyklopädie von Kunst zwischen 1933 und 1945, las in einem Ausstellungskatalog über München in den 1920er-Jahren, scannte ein paar Autobahnbilder, fand Zeug, fand anderes nicht und war um 12.30 Uhr durch. Bis 13 Uhr lohnte sich sich nicht, noch etwas anzufangen, also Feierabend vor Ort.
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Ich radelte zu Rossmann, um ein paar Rossmanndinge einzukaufen, dann fuhr ich in die Unibibliothek, wo zwei Bücher auf mich warteten, dann brauchte ich total dringend Erdbeeren und kaufte die in einem engen Supermarkt, den ich seit Monaten vermieden habe, der aber nun schön auf dem Weg lag. Gestern wollte ich keinen Umweg radeln, weil ich hungrig war und ich vergessen hatte, mich einzucremen, um richtig entspannt in der Sonne Fahrrad zu fahren.
Vielleicht war das ein Teil des Aufgeräumten: Seit dem Beginn der Ausgangsbeschränkungen hatte ich mir angewöhnt, a) wirklich nur das zu besorgen, was sein musste und b) eben nicht launig von hier nach da zu hüpfen, um möglichst viele menschliche Kontakte mitzunehmen. Ich bleibe auch weiterhin so weit es geht zuhause. Gestern war, wenn ich mich richtig erinnere, so ziemlich der erste Tag, an dem ich so hin- und herfuhr, wie ich es gewöhnt war, als ich mir noch keinen Kopf um Infektionsträger*innen machen musste.
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Ein paar Tortellini, die ich mal aus überschüssigem Pastateig gemacht und vorgestern aufgetaut hatte, mit einer schnellen Tomatensauce als Snack genossen. Abends gab’s noch Tofu mit Reis, Brokkoli und Erdnüssen. Die tägliche Folge Masterchef, dann ein Nickerchen, Genius bei der Spelling Bee, dann weiter am Schreibtisch. Abends gab’s Augsburg gegen Paderborn. (Klassiker! *hust*)
F. und ich hatten überlegt, uns gestern zu treffen, aber er wollte den Start von SpaceX gucken und ich Fuppes. Um 22.28 Uhr kam eine SMS von ihm: „Yay, der Raketenstart wurde wegen schlechten Wetters abgebrochen.“ Ich antwortete: „Yay, ich habe ein 0:0 gesehen.“ Learning from mistakes: nächstes Mal Pärchenkram statt Fernsehfrust.
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@fuxbooks rief auf Instagram vor ein paar Tagen den Hashtag #moodbooks ins Leben, ich wurde durch @ninialagrande auf ihn aufmerksam. Idee: Bücher zu stapeln, die die derzeitige Stimmung wiederspiegeln. Ich veröffentlichte den deutschen Stapel gestern schon auf Instagram, den ich aber fürs Blog einen Hauch editierte, und stapelte noch schnell einen auf Englisch.
Beim Verlinken eben sah ich, dass man nur vier Bücher nehmen sollte. Mpf. Neu stapeln werde ich nicht, alles schon wieder weggeräumt, und ich mag den Gedankenfluss durch die Titel, aber:
– Keine Ahnung, Irre, Wir sind Gefangene, Remix
– We’re in trouble, Invisible monsters, Anywhere but here, Across the river and into the trees