Tagebuch Dienstag, 27. Oktober 2020 – Use your core!

Meinen Wocheneinkauf erledigt. Seit zwei Wochen ungefähr beschränke ich mich wieder darauf, möglichst nur einmal die Woche in einen Supermarkt zu gehen, und gestern war dieser Tag.

Danach in die Sportklamotten geworfen und die im Plan vorgesehene Einheit aus meinen True-Beginner-Kurs absolviert. Das Cardio-Kickboxing kannte ich schon, das ist bereits das dritte Mal, das ich diese Einheit anklickte, aber anscheinend hörte ich gestern zum ersten Mal richtig zu. Viele der Übungen gehen nicht auf Fitness für Survival-Urlaube, sondern sind wirklich für Leute wie mich gemacht, die außer zur Bibliothek radeln nichts an Sport machen. Oder für Menschen, die nach Unfällen wieder fit werden wollten, Ältere und manchmal denkt das Programm auch an dicke Menschen. Das heißt, viele der Übungen sind wirklich Basics und sorgen für mehr Kraft, mehr Mobilität und mehr Stabilität. In so ziemlich jeder Aufwärmphase balanciert man auf einem Bein, und je weiter fortgeschritten die Übungen sind, desto öfter kommen Kommandos wie „und jetzt das Bein ganz nach hinten“, weit zur Seite, wie einen Kick in Zeitlupe halt, oder auch: Heb dein Knie nach vorne, stell dir vor, es steht eine Teetasse darauf, jetzt den Fuß kreisen. Eigentlich simpel, aber wenn man einen Matschfuß hat wie ich, dessen Zehen nicht mehr funktionieren, die normalerweise das ganze wunderbare Ausbalancieren erledigen, dann wackelt man dabei halt sehr rum. Weil der Anfängerkurs aber nett ist, darf man immer einen Stuhl neben sich haben, an dem man sich festhalten kann. Auch hier gibt es Abstufungen: Wo es am Anfang hieß, halt dich fest, you know your body better than anyone else, heißt es nun: Stell dir vor, auf der Stuhllehne liegt ein Ei und du darfst dich nur so kurz und so sanft wie möglich festhalten. Ich mag das.

Beim Rumbalancieren habe ich meine Hände nicht an der Hüfte wie der knuffige Vorturner, sondern benutze sie wie Flügel eines irre gewordenen Flugzeugs, um zu balancieren. Das klappt dann nämlich in den allermeisten Fällen auch ohne mich am Stuhl festzuhalten, wenn ich auf dem rechten Bein stehe. Gestern hatte ich, vermutlich aus Gewöhnungsgründen an das Programm, die geistige Kapazität frei, dem Vorturner zuzuhören anstatt mit den Armen zu wackeln und mich auf meine Füße zu konzentrieren, denn ich befolgte erstmals seinen bestimmt schon hundertmal geäußerten Tipp: „Use your core.“ Also: spann die Bauchmuskeln an, um die Balance zu halten. Das tat ich – und stellte begeistert und sehr überrascht fest, dass ich anscheinend inzwischen Bauchmuskeln habe, die meinen raumgreifenden Körper ausbalancieren können.

Ich ahne, dass sich das für euch total lächerlich anhört und ihr, wenn ihr mich auf dem Handy lest, gerade kopfschüttelnd und entspannt auf einem Bein steht, aber für mich war das eine ziemlich tolle Sache, und ich freue mich immer noch darüber. Ich musste auch an eine der Physios denken, die mit mir in der Reha nach der Bandscheiben-OP gearbeitet hat, und bei der ich mich, erstmals auf einem Wackelball sitzend, vorgestellt habe mit der Bemerkung, dass ich überhaupt keine Bauchmuskeln hätte. Woraufhin sie meinte: „Sie können sich aufrecht auf einem Ball sitzend halten – das sind Ihre Bauchmuskeln.“

Nach den 30 Minuten hatte ich das Gefühl, gerade warm geworden zu sein und ärgerte mich über mich und mein Körpergefühl, dass ich mich jetzt nicht einfach traue, in den Tights und dem engen Shirt vor die Haustür zu gehen und eine Stunde auf dem Friedhof herumzuwalken. Laufband und Standfahrrad sind inzwischen Hamburger Sperrmüll, aber ich wollte mich noch weiter bewegen. Also klickte ich eine weitere Übung an, die ich über die Suchparameter „easy“, „halblang“, also irgendwas zwischen 20 und 30 Minuten, und „no equipment“ fand. Das waren fiese 20 Minuten, die ich größtenteils, aber nicht komplett mitmachen konnte. Danach war ich aber immerhin so atemlos und durchgeschwitzt, wie ich gerne sein wollte.

Ich vermisse ein Folgeprogramm für True Beginner, vielleicht in die Richtung „Not a true beginner anymore, but still not fit and also fat“. Hello, Daily Burn? Eins-a-Vorschlag hier am Start!

Die Übungen nahmen die Arme mehr mit als das meiste, was ich bisher gemacht habe, was ich schon im Laufe des Tages merkte, als ich Zeug aus Schränken nehmen wollte und dafür die Arme strecken musste. Au. Au. Au. (Herrlich.)

Mittags gab’s eine Riesenschüssel Salat mit ein paar Croutons aus Baguette, ehe das komplett hart wird, und abends bastelte ich Reispapierrollen. Das einwöchige Einkaufen sorgt auch dafür, dass ich endlich mal meine Vorratsschränke leerkoche. Wieder eine Packung Nudeln weg und das Reispapier ist jetzt auch alle. Der tolle vietnamesische Dipp dazu kommt aus einem Lesergeschenk und geht so:

Nước chấm

12 g Zucker in
45 ml warmem Wasser auflösen.
15 ml Fischsauce,
15 ml frischen Limettensaft,
1 fein geschnittene Knoblauchzehe und
1 fein gehackte Vogelaugenchili dazugeben, fertig.

Ich habe meine Reispapierbröckchen noch angebraten. Und ja, das ist chinesisches Geschirr, aber ich benutze das so selten und gestern hatte ich halt Lust darauf. Vermutlich zu lange über cultural appropriation oder Respekt vor fremden Küchen nachgedacht. Zu keinem Ergebnis gekommen außer: Ich benutze das Geschirr so selten und gestern hatte ich halt Lust darauf.