Tagebuch Dienstag, 2. November 2021 – Autostudie

Ich las gestern aus Gründen mehrere Studien zur Autonutzung bzw. zum Kauf eines Neu- oder Gebrauchtfahrzeugs durch. Da waren durchaus spannende Einsichten für mich dabei, die jahrelang gern* Broschüren für die Autoindustrie verfasste, damit der Endkunde, wie es so schön heißt, was Hübsches zum Blättern auf dem Sofa hat. Viele Hersteller verzichten inzwischen auf dieses Werbemittel, weil die ganze Welt nur noch im Internet rumhängt. Das habe ich stets bedauert und immer wie eine Monstranz den Satz vor mir hergetragen: Aber wenn Leute 80.000 Euro für ein Auto ausgeben, dann wollen sie doch nicht nur einen Konfigurator im Internet angucken, dann wollen sie doch was Hübsches auf dem Sofa durchblättern. Wie mir mehrere Studien aus dem Jahr 2021 verraten, ist das leider falsch: Gerade Premiumkäufer und -käuferinnen recherchieren sogar länger und gründlicher im Internet als die Käufer und Käuferinnen im Großseriensegment.

(* Die Lektorin für den Job, auf dem ich gerade texte, streicht mir dauernd „gerne“ und macht „gern“ daraus. Noch nie darüber nachgedacht, dass eins ungebräuchlicher als das andere sein könnte. Duden.de ist gerade down, daher verlinke ich zum Deutschlernerblog.)

Zurück zum Autokauf. In dieser Aral-Studie von 2021 fand ich ebenfalls für mich spannende Fakten, die dieses Mal immerhin eine andere Monstranz von mir bestätigen konnten. Auf Seite 7 geht es um die Frage, ob sich die Befragten eher einen Neu- oder einen Gebrauchtwagen zulegen möchten. Dabei spielt der Wohnort eine große Rolle, ich zitiere: „22% der Autofahrenden aus dem städtischen Umfeld wollen sich einen Neuwagen zulegen. Bei Befragten mit Wohnsitz am Stadtrand sinkt dieser Anteil auf 16% und bei der Landbevölkerung sind es nur noch 8%. In ländlich geprägten Gebieten steht ein Gebrauchter mit einem Anteil von 10% sogar am häufigsten auf der Einkaufsliste.“ Und auf Seite 8, wo es um die Wunschmarke geht, hier im Zusammenhang mit Premium- oder Massensegment: „Die Wohnsituation als demografischer Unterscheidungsfaktor zeigt vor allem bei BMW und Ford große Unterschiede. Der typische BMW-Kaufende wohnt in der Stadt oder am Stadtrand (jeweils 13% Kaufinteresse), während bei der Landbevölkerung nur 5% diese Marke in Betracht ziehen. Dort hat Ford hingegen eine treue Klientel mit 11%.“

Beide Funde bestätigen meine Meinung, dass ein Autokauf in der Stadt oder am Stadtrand eine reine Luxus- und Bauchentscheidung ist, während man auf dem Land ein Auto schlicht braucht. Man braucht keins für 80.000, es muss auch nicht neu sein und es sollte vermutlich einen größeren Kofferraum haben als ein Roadster, aber man braucht es halt, weil man bei dem kaputtgesparten oder gar nicht erst existenten öffentlichen Nahverkehr schlicht sonst nirgends hinkommt, ich sehe es ja dauernd an meiner Mutter und Schwester. In der Stadt, wo man sich zu fast jeder Tages- und Nachtzeit in einen Bus oder eine U-Bahn setzen oder ein Taxi bezahlen kann, ohne im Schuldturm zu landen, ist ein Auto schlicht ein Lustkauf, der eher nicht aus Vernunftgründen gefällt wird. Wieder was gelernt. Zurück in die Funkhäuser (bzw. an den Schreibtisch).