Kurznachrichten aus dem Nahverkehr

Der 23. Januar war mein letzter Arbeitstag in Berlin, und ich habe gefühlt fünf Tage Abschied von der Stadt genommen. „Ooooh, das letzte Mal Blumen fürs Büro kaufen … oooh, das letzte Mal einen Vanilla Latte im Lieblingsstarbucks am Hackeschen Markt getrunken … seufz, das letzte Mal Mittag mit Nuf und Felix … das letzte Mal Müll runterbringen, das letzte Mal in die M4, um zur Agentur zu fahren …“ Ich habe peinlicherweise ein kleines Tränchen verdrückt, als ich mich das letzte Mal in einen der wunderbar bequemen Einzelsitze am Fenster gesetzt habe und die hässliche Greifswalder Straße an mir vorbeiziehen ließ. Aus der Ferne konnte ich den Fernsehturm sehen, bevor die Bahn auf den Alex fuhr, wie immer die Passanten vor sich wegbimmelte (nachts, wenn ich weinend wach liege, kann ich das Klingeln immer noch hören), um mich dann an meiner Endhaltestelle an der Marienkirche zu entlassen.

Seit einigen Tagen hat mich die Hamburger Werbewelt wieder, und nun muss ich meinen Erzfeind, den 5er Bus, in die Innenstadt nehmen. Jedenfalls wenn ich nicht umsteigen will. Der 5er ist angeblich die frequenzstärkste Buslinie Europas, was aber ziemlich egal ist, denn im Berufsverkehr ist der Bus immer voll. Und damit meine ich immer und voll. Im Unterschied zu den Trams hat es sich auch noch nicht rumgesprochen, dass man nicht unbedingt in Türnähe stehenbleiben muss, wenn man noch 12 Stationen fahren will, sondern wirklich, echt, ganz ehrlich, in die Gänge gehen darf. Wieso klappt das in keinem einzigen Bus dieser Welt? Und nebenbei schaukelt eine Straßenbahn natürlich auch weit weniger als ein Bus, was die Fahrt eh angenehmer macht.

Mein persönliches Problem sind auch die dusseligen kleinen Haltebügel, die neuerdings gerne an den äußeren Sitzenden angebaut sind, damit auch ja niemand in der Kurve rausfällt – was beim Fahrstil mancher Busfahrer eigentlich sogar ne gute Idee ist. Da ich aber nun über eine gewisse Körperfülle verfüge, sitze ich gerne außen und rutsche ein bisschen über den Sitz rüber in den Gang, damit ich meinem Nachbar nicht so auf die Pelle rücke bzw. er mir gefälligst vom Leibe bleibt. Durch die Haltebügel ist das leider unmöglich, und so sitze ich grundsätzlich sehr beengt, wenn ich denn überhaupt sitze. Eine entspannte Fahrt WIE IN DER M4 ist daher so gut wie ausgeschlossen.

Im 5er Bus bin ich abends manchmal sogar zwei Haltestellen in die Gegenrichtung gefahren, um dann wieder in meine eigentliche Richtung umzusteigen, damit ich überhaupt eine Chance auf einen Sitzplatz hatte. Und ich alter Rückenkrüppel kann abends einfach nicht mehr so toll stehen, weswegen ich wirklich, wirklich gerne sitze, damit es nicht ganz so weh tut.

Nach ein paar Tagen Genöle habe ich nun eine andere Route in die Innenstadt gefunden: erst in den 181er Bus bis Schlump und dann in die U3. Damit muss ich zwar einmal umsteigen, aber zauberhafterweise bin ich sogar schneller als mit dem 5er. Und: die U3 fährt am Hafen lang. Das heißt, ich kann jeden Morgen aufs Wasser gucken, auf die Cap San Diego, auf die Rickmer Rickmers, auf die Überseebrücke, auf die Kräne und die Blohm + Voss-Docks, auf Möwen, Wellen, Schiffe.

Dafür würd ich sogar stehen. Muss ich aber nicht. Hab bis jetzt jeden Morgen einen Sitzplatz gehabt.