KW 21/22 – Dachau, München, Amsterdam, Düsseldorf

Long time no see, liebes Blog. Man kommt ja zu nichts. Weil erstens gerade äußerst unmotiviert zum Bloggen und zweitens:

Am Sonntag, 21. Mai, hielt ich einen sehr kurzen Einführungsvortrag in Dachau für die Künstlerin Anja Seelke, die sich Walter von Ruckteschell und vor allem seinem Werk zu den deutschen Kolonien auseinandergesetzt hat. Sie war Empfängerin des Künstler- und Musikerwohnstipendiums der Stadt Dachau und arbeitete in der Ruckteschell-Villa, wo auch ihr Vortrag stattfand. Ich lernte spannende Menschen kennen, die SZ berichtete.

Im Anschluss rannte ich noch durch die sehr gute Ausstellung „To be seen“ im NS-Dokuzentrum, für die ich mir schmählicherweise bis zum allerletzten Tag Zeit gelassen hatte. Das war ausgerechnet der Internationale Museumstag, weswegen ich zwischen zwei Führungen zerrieben wurde und mir dann doch lieber den Katalog kaufte.

Am Montag warf ich meine Menstruations-App rituell vom Handy, denn ich war 1000 Tage überfällig. Ich betrachte dieses nervige Kapitel als gottlob endlich abgeschlossen.


Abends eröffnete im Lenbachhaus die Ausstellung „Jetzt wo ich dich hören kann tun meine Augen weh (Tumult)“ von Natascha Sadr Haghighian. Seitdem hocke ich nach so gut wie jedem Feierabend auf dem Objekt rum, das derzeit bei uns im Foyer steht: das Werk „Pssst Leopard 2A7+“, das sich, man ahnt es, mit dem Panzer beschäftigt. Das Objekt hat die Ausmaße des Kampfgeräts und man kann auf ihm rumsitzen und -stehen und -liegen. Es gibt diverse Tonschnipsel per Kopfhörer zu hören, die alle spannend sind, es dauert halt nur manchmal etwas länger. Und, Achtung, totaler Deppensatz: Ich wusste nicht, wie groß ein Panzer ist. Kommt vorbei, setzt euch auf Kunst.

Das war kurz vor der Schließung des Hauses, sonst sitzt immer wer auf den Paletten mit Legoplatten. Hier hatte ich den Leopard mal ganz für mich.

Freitag bestiegen F. und ich ein Flugzeug nach Amsterdam, denn wir hatten uns im Februar, im anscheinend einzig möglichen Drei-Tage-Fenster, Tickets für die Vermeer-Ausstellung gesichert.

Zunächst ging es aber ins Stedelijk, denn dort wurde gerade ab dem Tag unserer Ankunft ein Werk wiedergezeigt, das 1986 dort enstanden war: Keith Harings „Amsterdam Notes“. Das 38 Meter lange Werk geht über drei Saalseiten und wurde von Haring zu seiner ersten Ausstellung im Stedelijk gemalt. Für mich ist Haring ein besonderer Künstler, auch wenn er heute eher mit knuffigen Männchen und schlimmen Herzkissen in Verbindung gebracht wird. Er ist der Künstler, bei dem ich als Kind der 1980er Jahre zum ersten Mal verstanden habe, was Kunst kann. Wie sie auf Politik aufmerksam machen kann, auf Probleme, wie sie anprangern oder aufzeigen kann. Harings Themen sind bis heute (leider) aktuell, und es war für mich, ehrlich gesagt, ein größeres Erlebnis, dieses Werk zu sehen als die ganzen Vermeers.


Die Vermeer-Ausstellung war emotional für mich nicht so mitreißend wie das eine Haring-Werk, aber natürlich war es ein absolutes Geschenk, da zu sein und so viele Werke von ihm in einem Kontext anschauen zu können. Die Ausstellungsmacher haben der Versuchung widerstanden, so viele Menschen wie möglich in die Galerieräume zu quetschen. Ja, im ersten Raum war es etwas eng, aber da stehen halt alle erstmal rum wie in allen Ausstellungen in allen Museen. Ab dem zweiten wurde es schlagartig luftiger, in jedem kleineren Raum hingen, wenn ich mich richtig erinnere, nur höchstens drei Werke, in den größeren Sälen fünf oder sechs, das „Milchmädchen“ hatte einen kleinen Raum für sich allein, es ist ja selbst recht klein. Das kannte ich schon aus dem letzten Besuch des Rijksmuseums, wo es einfach so bescheiden in der Sammlung rumhängt und mit den ganzen Rembrandts konkurriert, und warum auch immer hat es mich im Kontext der ganzen Vermeers noch mehr berührt als eh schon.

Deswegen hat mir F. auch die schönste Postkarte ever geschenkt.


(Nijntje)

Im Jüdischen Museum hängen in der Dauerausstellung immer sechs Gouachen von Charlotte Salomon, die turnusmäßig ausgetauscht werden, damit die Farben nicht zu lange dem Licht ausgesetzt sind. Das war schön, noch mehr Werke von der Künstlerin zu sehen, deren Ausstellung im Lenbachhaus ich sehr mag. Auch Katia Kelm war inzwischen da, danke für den Besuch und den Kaffee danach.

In der Straße, in der sich das Jüdische Museum befindet, liegen vor fast jedem Haus diverse Stolpersteine.

Genossen haben wir viel Käse und Wein in der Kaasbar, sehr gute Teller zum Teilen und Wein im Fijnkost und absolute Präzision und unglaublichen Weißwein im Flore. Und dann noch einen unglaublichen Rotwein, weil wenn man schon mal an den Keller des Hotel de l’Europe rankommt, dann … genau. Bei diesem Essen wählten wir unterschiedliche Menüs, weil F. lieber Fisch und ich lieber Gemüse wollte. Das Essen war herausragend, aber ich merkte, dass es mir fehlt, mich mit F. darüber auszutauschen, was wir auf den Tellern haben. Das nächste Mal wird wieder tischweise geordert.


Im Flore durften wir einen Gang in der Küche essen und den Köchen (keine Frau gesehen) bei der Arbeit zuschauen. Wir wurden auch gefragt, welcher Gang uns bisher am besten gefallen habe, woraufhin ich erstmal erfragte, wie man aus dem totalen Langweiler Aubergine dieses Umami-Wunder macht, was vor mir steht. Ich weiß bei Trips in die Küchen nie, ob die Köch*innen das machen, weil sie glauben, das es irgendwie dazugehört, oder ob sie jetzt wirklich von mir eine Antwort auf ihre Frage wollen. Eigentlich bin ich auch völlig damit zufrieden, am Tisch zu bleiben und mir vorzustellen, dass in der Küche lauter kleine Zauber*innen am Pass stehen. Andererseits weiß ich jetzt, dass es Blaubeersalz gibt und deswegen die Aubergine so super schmeckt.

Es ist doch Zauberei, ihr könnt mir das nicht ausreden. Kein Foto im Flore gemacht. Guckt lieber auf Insta.

Ansonsten verbrachten wir die Zeit ins Amsterdam auch damit, auf einer Bank an einer Gracht zu sitzen, wo gerade eine andere Gracht kreuzt, und die hundert Boote und Bötchen anzuschauen, die an einem sonnigen Sonntag so unterwegs sind. Wir lernten auch, dass die eine Gracht eine Einbahngracht ist, worauf diverse Ausflügler freundlich hingewiesen wurden. Außerdem saßen wir direkt vor einem Haus, an dem ein Storch an der Außenfassade als Element angebracht wurde. Von diversen Touri-Booten mit englischsprachigen Führer*innen lernten wir, dass hier früher Hebammen gewohnt hatten. Man kann also nicht nur im Gehen verstehen, sondern auch beim Rumsitzen. Nice.

Früher hat mir F. von jedem Auslandsflug Toblerone aus dem Duty-Free-Shop mitgebracht. Durch Corona ist diese wunderbare Tradition irgendwie eingeschlafen, also kaufte ich mir dieses Mal selber welche. Ich kann die Sorte Orange-Ingwer sehr weiterempfehlen.

Direkt nach dem Urlaub wartete der Abschluss meiner Unterrichtsvorbereitung auf mich: Am Montag dieser Woche fand schon die dritte Sitzung meines Schreibkurses an der Uni statt. Wieder viel mitgenommen. Nur noch eine Sitzung, dann ist das Semester schon rum. Tollerweise habe ich bereits einen Lehrauftrag für das Wintersemester, worüber ich mich sehr freue.

Außerdem hängt inzwischen meine Lichterkette auf dem Balkon. Ich eröffne hiermit den Sommer.