Dienstag, 26. März 2024 – Spätzle und Sterne

Eigentlich wollte ich abends zu einem Vortrag ins NS-Dokuzentrum gehen. Also „wollte“ im Sinne von „müsste ich wohl“. Aber dann hatte F. die hervorragende Idee, um 17 Uhr im Tschecherl einzukehren, die kleine nette, neu eröffnete Schwester vom Ein-Sterne-Restaurant Sparkling Bistro, in dem wir schon viel zu lange nicht gewesen sind. Als wir uns dem Laden näherten, trafen wir auf gleich zwei bekannte Gesichter aus dem Waltz und dem Brothers und dazu noch den uns bisher nur von Insta bekannten Küchenchef des Bistros. Anstatt irgendwo Platz zu nehmen, saßen wir plötzlich neben den dreien, unser Ruf eilte uns voraus – „bringst den beiden bittschön die große Weinkarte von nebenan“ –, der Rotwein lief gut, das Essen aus unter anderem Paprikahuhn, Spätzle und Palatschinken war hervorragend, die Gespräche noch mehr, und deswegen saß ich gegen kurz nach 19 Uhr nicht konzentriert bei Nazischeiß, sondern einen Hauch angeheitert vor dem Livestream des Guide Michelin, in dem die neuen Sterne für Deutschland für 2024 verkündet wurden.

Die SZ berichtet ein bisschen lokalpatriotisch:

„Von 32 Restaurants, die an diesem Abend erstmals mit einem Stern ausgezeichnet wurden, liegen mehr als ein Drittel, elf nämlich, in Bayern, quer über den Freistaat verteilt. Dazu gibt es drei neue Zwei-Sterne-Lokale, unter denen gleich zwei bayerische Häuser sind. Außerdem, das ist die wichtigste Nachricht, hat Deutschland einen neuen Drei-Sterne-Koch: Edip Sigl ist Küchenchef im Restaurant “Es:senz”, das in Grassau im Achental liegt, eindeutig Oberbayern also.“

F. und ich freuen uns besonders für Rosina Ostler, deren Menü im Alois uns an meinem Geburtstag überzeugen konnte. Und die aus dem Ganzen eine nicht mehr ganz so jungshaltige Jungsveranstaltung macht.

„Auch anderswo geht der Ausbau Oberbayerns zur Gourmethochburg weiter. Im “PUR”, dem Restaurant des Hotels “Kempinski” in Berchtesgaden, freuen sich Ulrich Heimann und sein Team über den zweiten Stern, 19 Jahre nachdem Heimann den ersten für das Haus erkocht hatte. In München wurde das “KOMU”, das neu eröffnete Restaurant von Christoph Kunz, aus dem Stand mit zwei Sternen bedacht. Einerseits ist das eine Seltenheit, doch war Kunz schon als Küchenchef im “Alois – Dallmayr Fine Dining” mit zwei Sternen dekoriert gewesen. Seiner Nachnachfolgerin Rosina Ostler wiederum gelang es, die beiden Sterne für das “Alois” zu halten. Ostler, die aus Oslo abgeworben wurde, ist erst seit November im Amt und nun bereits – neben Douce Steiner – Deutschlands höchstdekorierte Köchin.

Herausragende Restaurants etablierten sich stets dort, wo bereits Exzellenz vorhanden sei, die Gäste über die nötige Kaufkraft verfügten und gute Küche zu würdigen wüssten, sagt Michelin-Chefredakteur Ralf Flinkenflügel. Mit seinen nun 17 Sternerestaurants und den vielen weiteren Gourmetzielen im nahen Alpenvorland verfügt München, vor allem gemessen an seiner Größe, über eine konkurrenzlose Dichte an Spitzenadressen.“

Die SZ spricht aber auch Dinge an, über die wir nachdenken, unter anderem, dass es eben doch meist die halbwegs noch französische Küche ist, die irgendwann den dritten Stern bekommt. Wir drücken ja seit Jahren Tohru die Daumen und fragen uns schon, was er noch auf den Teller bringen muss.

„Sorge bereitet vielen Edelgastronomen allerdings, dass zu viele Tische zu oft leer bleiben. Im vergangenen Jahr gab es deshalb bereits mehrere Treffen in der bayerischen Landeshauptstadt, wie das zu ändern sei. Die vielen Auszeichnungen des deutschen Michelin sind oft auch ein Bekenntnis zur klassischen Küche. Das muss nicht verkehrt sein, die Qualität ist in der Fläche heute hervorragend, doch fehlt es an Alleinstellungsmerkmalen, an Innovation mit überregionaler, besser noch internationaler Strahlkraft, an Netzwerken und gutem Marketing.

Der Michelin definiert die Lokale seiner beiden höchsten Bewertungskategorien mit den Attributen “eine Reise wert” oder mindestens “einen Umweg wert”. Doch als kulinarische Ziele spielen München und Bayern international bisher – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle. In ganz Deutschland gibt es bis heute, anders als in Österreich, der Schweiz, Italien oder Spanien (von Frankreich und Skandinavien zu schweigen), kein wirklich führendes Restaurant.“

Alle Sterne auf einen Blick, darunter auch unser geliebtes Broeding, das gestern erstmals einen grünen Stern für Nachhaltigkeit bekam.