The Polysyllabic Spree
Charles Taylor von Salon rezensiert das neue Buch von Nick Hornby, in dem – ach nee – Hornby Bücher rezensiert. Das Buch ist eine Sammlung von Kolumnen, die Hornby in The Believer veröffentlicht hat. Seine Ansage war: „Wenn dir ein Buch nicht gefällt, dann lies es nicht.“ Und so lesen sich anscheinend auch seine Rezensionen: The Polysyllabic Spree.
(…) Hornby is writing about the day-to-day process of being readers as most of us practice it – not following some neat scheme but reading without premeditation, going higgledy-piggledy from one subject to another, based on whim, recommendation, chance.
The result is less a column to read for insight into any one book (though there is that sometimes) than a column in which to recognize the habits that bind readers together, no matter the differences in what they read.
That recognition starts with the two lists that headline every Hornby column: “Books Bought” and “Books Read.” Sometimes entries in the former end up on the latter that month, a few months later or not at all. Anyone who buys more books than he or she can read (i.e., any reader), and who then lets those acquisitions hang around for months or years, will look at those lists and sense a kindred spirit. (The surest way to spot a nonreader: someone who comes into your house, looks at your books and asks, “Have you read all these?”)
(…)
What’s most valuable about this collection, though, is that Hornby, by dint of his sensibility and the variety of his choices, shows that the distinction still made between reading for the sake of “enrichment” (as that gasbag Harold Bloom insists upon) and reading for pleasure is a phony divide. After encountering Dennis Lehane’s novels, Hornby wonders why no one has ever recommended the writer to him, and answers, “Because I don’t know the right kind of people, that’s why. In the last three weeks, about five different people have told me that Alan Hollinghurst’s The Line of Beauty is a work of genius” — he’s right, he doesn’t know the right kind of people — “and I’m sure it is … I’m equally sure, however, that I won’t walk into a lamppost while reading it, like I did with Presumed Innocent all those years ago … I’m happy to have friends who recommend Alan Hollinghurst, really I am. They’re all nice, bright people. I just wish I had friends who could recommend books like Mystic River, too. Are you that person? Do you have any vacancies for a pal?
Schön, dass es ein Autor endlich mal selbst sagt: Man sollte lesen, was einem Spaß macht. Und wenn einem Stephen King mehr Spaß macht als Schiller – na und? Ich erwische mich selbst ungerne dabei, wenn ich mich verteidige, weil ich ab und zu auch mal offensichtlichen literarischen Müll lese – wobei man sich fragen sollte, was genau definiert eigentlich literarischen Müll? Ist es Müll, weil es gewissen stilistischen Anforderungen nicht genügt, wie meine letzte Bettlektüre Eine Billion Dollar von Andreas Eschbach, die so ziemlich jede Frauenfigur dadurch charakterisierte, dass sie unendliche Beine und deutliche sichtbare Brustwarzen hatte? Das Buch hielt sich nicht lange mit Beschreibungen auf, die Charaktere blieben allesamt Schablonen, aber ich habe die 900 Seiten in vier Tagen durchgehabt, weil es einfach verdammt spannend war. Oder ist Tim von Colleen McCullough literarischer Müll, weil es eine widerlich klebige Liebesgeschichte erzählt, die mich aber auch beim zwanzigsten Lesen zu Tränen rührt? Oder ist Goethes Faust II literarischer Müll, weil man ihn ohne ein Studium der Kulturwissenschaften oder mindestens der Parallellektüre von Königs Erläuterungen nicht versteht? (Ich jedenfalls nicht.)
Ich habe mir für Filme die immer wieder gerne zitierte Syd Field-Regel zu Herzen genommen: Wenn dir ein Film nach zehn Minuten nicht gefällt, schmeiß ihn weg, denn er wird dir auch nach 90 Minuten nicht gefallen. Bei Büchern mache ich es inzwischen ähnlich: Wenn ich nach 50 Seiten dass Gefühl habe, ich lese nur aus Pflichtbewusstsein weiter (Hornby beschreibt das Gefühl auch: Aber der Autor hat sich doch solche Mühe gemacht, dass muss ich doch würdigen), dann lege ich das Buch weg. Schließlich wartet das nächste bereits auf dem Nachttisch. Oder versteckt im Regal beim Buchhändler. Oder eingeschweißt und unaufgeblättert im unendlichen Lager von Amazon.
Da setzte ich meinen Stempel drunter. Ich werde nämlich auch langsam ungehalten, wenn niemand meine Abneigung gegen King oder Tolkien verstehen kann.
Sollen sie doch berühmt sein, langweilig sind ihre Bücher trotzdem.
Da lese ich lieber ab und an einen Kitschroman.
dreamfall am 09. December 2004
Du findest Stephen King LANGWEILIG? Ich hab ja schon viel Negatives über den Mann gehört, aber “langweilig” war noch nicht darunter.
(Ich kann ihn nur im Hellen lesen, in Gesellschaft. Im Sommer.)
Anke am 09. December 2004
Das Kompliment, das Sie Herrn Hornby machen, kann ich nur an Sie weitergeben: Schön gesagt. Ich denke daß man gerade dann, wenn Bücher im eigenen Leben eine wichtige Rolle spielen, auch viel “Schund” liest.
Warum auch nicht? Ich esse zum Beispiel gerne Filet Wellington, aber für jeden Tag wäre es zu aufwendig. Öfters muß es auch mal Salat geben, denn das ist gesund. Und ab und zu hab’ ich halt auch mal Lust auf Burger und Pommes.
Mike am 09. December 2004
Ganz verquast wird es, wenn ich ein Buch kaufe, weil ich es gelesen haben will. (Da es wichtig ist, sich viele Filme und Bücher darauf beziehen.) Es dann monatelang unter den 1,50 Metern ungelesener Bücher im Regal stehen lasse, weil ich mich davor fürchte. Dieses scheinbar schwere Buch dann doch mal nehme – und feststelle, dass es total spannend ist!
So geht es mir gerade mit Gefährliche Liebschaften.
kaltmamsell am 09. December 2004
Ja, ich finde ihn langweilig. Oder zumindest seine Schreibweise. Ich find, er schreibt typisch “amerikanisch”. So wirklich ausdrücken kann ich nicht, was mich an ihm genau stört .. jedenfalls hatte ich nach der Kurzgeschichte “Secret Window, Secret Garden” genug von ihm.
dreamfall am 09. December 2004
Hatte ich eigentlich nie ein Problem mit. Meine Lieblinge des letzten Jahres waren Cees Nooteboom (Mike, das fällt dann sozusagen unter feine Sterneküche) und Dennis Lehane (der beste Burger weit und breit). Also, ich trage hiermit Charles Taylor meine Freundschaft an. Aber schön, dass man auch darüber schreiben kann.
Anke, ging mir genauso. Mittlerweile kann ich ihn gar nicht mehr lesen, weil ich ECHT RICHTIG SCHISS kriege. Ich lasse ja auch im wärmsten Sommer keinen kleinen Zeh unter der Decke hervorgucken, weil mich das Monster unterm Bett an dem hinunter ziehen könnte.
Cathrin am 09. December 2004
nach 50 seiten weglegen. genau deshalb auf keinen fall zeit und geld in “as good as it gets” investieren. hornby scheitert grandios.
gegenbeispiel: die glut. das buch startet ganz langsam aber brennt ab seite 70 – 80. da leuchten die wangen.
charakterbildendes durch-bücher-quälen hab ich mir schon lange abgewöhnt. denn in meinem alter ist ungeduld eine tugend!
mo am 10. December 2004
Was literarischen “Müll”angeht, hab ich mir vor Jahren mal ein Spitzen-Totschlagargument überlegt: Solange ich es auf englisch lese, kann ich es zumindest unter “Verbesserung der Sprachkenntnisse” verbuchen. Macht bei deutschen oder französischen Autoren natürlich nur begrenzt Sinn, aber für den Grisham oder Tom Clancy zwischendurch ist das eine Super-Ausrede…
Enk am 10. December 2004
Herr Mo, meinen Sie “How to be good” von Hornby? Das fand ich auch ein bisschen zäh.
Anke am 10. December 2004
oh. natürlich. mo war gestern nicht ganz nüchtern…
“ein bisschen zäh” ist ein unglaublicher euphemismus!
nick hornby, ein autor der mich mit high fidelity mal einen tag mal nichts anderes hat machen lassen, als eben jenes buch zu lesen, der mich mit about boy gerührt und unterhalten hat, erzählt hier eine geschichte, die ich nicht lesen will, die einfach nur nervt!
kauf im buchladen das buch das neben “how …” liegt und es wird besser sein!
mo am 10. December 2004
Hab mir das schlechte Gewissen bei der Lektüre von Science Fiction und Fantasy auch ein wenig abgewöhnt in letzter Zeit. Wenn das Leben so anstrengend ist wie jetzt, braucht es beim Lesen einfach diesen “Carry-Away”-Effekt, sonst geht es gar nicht. Deswegen kann ich mit den eher kontemplativen Büchern, die Elke Heidenreich in ihrer Sendung empfiehlt, zur Zeit wenig anfangen, auch wenn es trotzdem Spaß macht, ihr zuzuhören.
Ich habe immer noch die Hoffnung, daß es auch ein bißchen mit den Lebensphasen zu tun hat. Meine Mutter zum Beispiel hat den Zauberberg beim ersten Lesen gehaßt, weil sie sich so über die herumlabernden Nichtstuer aufgeregt hast. Mit über 50 hat sie es nochmal probiert und hatte dann wirklich Freude an dem Buch.
Fishingrod am 13. December 2004